Weg vom Lehrerjob

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
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Jumper82
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Beitrag von Jumper82 »

Hubselzwerg hat geschrieben: Um es auf die Spitze zu treiben: Auf das meiste Fachwissen lässt sich doch verzichten.
Ich würde es anders ausdrücken: Vieles, was man als Fachwissen lernt, kann man in Literatur und den verschiedenen Medien relativ schnell nachschlagen. Die Aufgabe des Lehrers muss somit auch sein, den Schülern zu zeigen, wo und wie sie sich selbst Fachwissen aneignen können.

Serafina
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Beitrag von Serafina »

Leute, die auf ihre Fächer abfuhren und sich darum auch gerne durch ausgewählte (!) Teilbereiche wühlten, können aber vielleicht eher rüberbringen, warum sich die Auseinandersetzung mit diesen Bereichen auch persönlich lohnt. Natürlich kann man nicht alles gleichermaßen interessant und sinnvoll finden, nur weil es unter dem Namen des eigenen Faches läuft, aber irgendwo muss dann doch mal ein gehöriges Interesse und ein Wunsch, sich mit diesen Dingen wirklich auszukennen, aufflammen.

An der Uni kannte ich auch Leute, die alles gleichermaßen uninteressant zu finden schienen. Sie sahen aus wie viele Schüler, nur etwas älter. Ja, was soll man dazu sagen? Die hätten sich was anderes suchen sollen.

nanu
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Beitrag von nanu »

THE KID hat geschrieben:@ nanu
Falls deine Beiträge zur Erheiterung der Allgemeinheit gedacht sind, ist dir das ziemlich gut gelungen. Habe selten so gelacht. Lustige Ansichten, die du über das „echte Leben“ hast.
Ein unsäglich dummer Beitrag. Du nennst dich "KID" - bist du etwa noch Schüler?
Und selbstverständlich sind die Arbeitgeber der Beschäftigten im Handel immer nur allzu freundlich zu ihren Beschäftigten und loben sie nach jedem Arbeitstag für ihre gute Arbeit (soviel zu Anerkennung im Beruf).
.
Ja, so sieht's aus. Das Leben ist eben "kein Ponyhof". Solche Erfahrungen gehören zum Berufsleben dazu. Aber dafür gibt es Gewerkschaften. Eine Kassiererin, die zusammen mit anderen gegen schlechte Arbeitsbedingungen kämpft, kann die wichtige Erfahrung gelebter Solidarität machen.

Auch das bleibt Lehrern vorenthalten.
Sie genießen materielle Sicherheit, womit sich der Staat aber zugleich ihre unbedingte Gehorsamspflicht erkauft.

So sind Lehrer zum Schweigen verurteilt und müssen ein Leben als Einzelkämpfer führen.

Ulysses
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Beitrag von Ulysses »

Serafina hat geschrieben:Wie sollte das Verhältnis zwischen Fachwissen, Weltwissen (das von Nanu gemeinte Wissen) und pädagogischem Wissen bzw. Können deiner Meinung nach anteilig aussehen?
naja, in einem Zahlenverhältnis von wegen 50% Fachwissen, 20% Weltwissen und 30% pädagogischem Wissen kann man das sicher nicht ausdrücken.

auf jeden Fall denke ich, dass der Lehrer fachlich deutlich mehr wissen muss als er in der Schule lehrt, denn nur dann, wenn er das in der Schule gelehrte Wissen in den Gesamtzusammenhang des Faches einbetten kann, kann er auch beurteilen, welche Inhalte welche Bedeutung haben. und dann erst kann er fachgerecht auf das Schülerniveau reduzieren.

schließlich muss ja der von mir erwähnte Mathematiklehrer auch berücksichtigen können, dass einige seiner Schüler evtl. mal ein einen Beruf ergreifen, in dem sie z.B. in einem Studium ihre Mathematikkenntnisse deutlich vertiefen müssen. und dazu muss er beurteilen können, welche Grundlagen er legen muss, um etwa einem Achtklässler zu ermöglichen, später mal Informatik, Elektrotechnik, Physik oder Mathematik studieren zu können.

Vieles davon wird ihm von den Lehrplänen abgenommen, aber auch die Lehrpläne muss er ja immerhin beurteilen können. das diese Fähigkeit beinhaltet aber auch schon automatisch ein gewisses Weltwissen, das er, wenn er gewissenhaft studiert hat, an der Uni ohnehin erworben haben muss. schließlich sind ja auch Unis nicht ausschließlich die vielbeschworenen Elfenbeintürme.

und wenn er den Stoff auf ein für die Schüler verständliches Niveau reduziert hat, braucht er natürlich das entsprechende pädagogische Wissen, um den Stoff vermitteln zu können. wie viel pädagogisches Wissen das ist, lässt sich m.E. schwer sagen. manche Leute können von Natur aus extrem trockene Inhalte superspannend erklären, ohne von Pädagogik den blassesten Schimmer zu haben, andere können jahrzehntelang Pädagogik studiert haben, ohne die einfachsten Sachen vermitteln zu können.

die Verhältnisse sind sehr komplex und lassen sich wohl kaum in einfachen plakativen Sätzen erklären. Gegenüberstellungen wie "Fachwissen vs. Weltwissen" oder Allgemeinplätze wie "das meiste Fachwissen braucht man doch sowieso nicht an der Schule" halte ich für zu einfach. ich glaube auch nicht, dass man auf das meiste Wissen verzichten kann, weil ich jedes Wissen für sinnvoll halte.

um ein besonders absurdes Beispiel anzuführen: ein kreativ denkender Mensch kann durchaus auch aus dem Fachwissen über religiöse Diskussionen im Hethiterreich unter König Suppiluliuma II. (ich habe nicht den blassesten Schimmer einer Ahnung, ob die damals wirklich über Religion diskutiert haben) im modernen Leben Kapital schlagen, wenn er kognitiv fähig ist, dieses Wissen irgendwie mit seinem persönlichen Leben zu verknüpfen oder wenn es ihn einfach nur zum Denken anregt und ihn auf neue Ideen bringt. möglicherweise wäre er auf bestimmte Ideen nicht gekommen, wenn er nicht gerade über die Priesterschaft unter Suppiluliuma II. nachgedacht hätte.

ok, das Beispiel ist wirklich absurd, aber es gibt auch andere Beispiele: warum denn lehren wir in der Schule Geschichte, Geographie, Literatur? was bringt es denn, zu wissen, warum Bismarck diese oder jene Politik verfolgt hat, was haben wir davon, zu wissen, welche Landschaften es in Brasilien gibt, wenn wir da nie beruflich oder privat zu tun haben, was gibt uns heute noch Goethes Faust oder Brechts heilige Johanna der Schlachthöfe?

all das, was auf den ersten Blick sinnlos erscheint, all dieses Fachwissen über Einzelfragen erweitert unseren Horizont, schult unsere Fähigkeit, Aspekte von Detailwissen kognitiv miteinander zu verknüpfen und hilft uns damit, uns in der Welt zurecht zu finden, weil diese Dinge eben nicht aus einem fiktiven Elfenbeinturm, sondern aus der Welt stammen. und aus der Welt stammt auch die Fähigkeit, Dinge der Welt anderen zu vermitteln.

insofern hängt alles mit allem in einem komplexen Gewebe zusammen und nichts steht völlig isoliert im Raum. es ist müßig, Weltwissen, pädagogisches Wissen und Fachwissen kategorisch voneinander zu trennen. das eine gehört zum anderen, keines davon kann isoliert existieren, alle drei fördern sich gegenseitig.

entscheidend ist, was der einzelne Lehrer daraus macht und wie er es verwertet.
Bayern, Gymnasium, Latein/Geschichte.
LAss seit Februar 2008 -- Planstelle an einem überaus elitären :mrgreen: städtischen Gymnasium
[i]... causas viresque perquirere rerum ...[/i]

Ulysses
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Beitrag von Ulysses »

nanu hat geschrieben:Eine Kassiererin, die zusammen mit anderen gegen schlechte Arbeitsbedingungen kämpft, kann die wichtige Erfahrung gelebter Solidarität machen.

Auch das bleibt Lehrern vorenthalten.
das ist in dieser Pauschalität Unfug. es gibt auch Lehrer, die untereinander solidarisch sind. mein eigenes Kollegium jedenfalls ist keine Monadenhorde ...

umgekehrt gibt es auch außerhalb der Schule Einzelkämpfer. wer jemals außerhalb des Schuldienstes gearbeitet hat, kennt das.
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nanu
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Beitrag von nanu »

Ulysses hat geschrieben:
deshalb ist die Uni Kern der Lehrerausbildung, denn nur dort werden die Lehrer zu Fachleuten ausgebildet und erhalten das Fachwissen, dass sie entsprechend reduziert weitergeben.

schlimmer ist der umgekehrte Fall: ein Lehrer mit massig Welterfahrung und Weltkenntnis, der sein Fach nicht beherrscht und es nicht vermitteln kann. die Schüler haben nichts davon, wenn sie in die Welt entlassen werden und nicht rechnen können.
Das ist natürlich nur deine persönliche Auffassung, die sich in keinster Weise mit dem deckt, was an den Seminaren gelehrt wird. Das Erste, was man dort lernt, ist, dass es in der Schule eben NICHT PRIMÄR UM DAS FACH GEHT.
Sondern? Tata: ... um die Schüler!

Hier kommt der SCHÜLERORIENTIERTE Unterricht ins Spiel.
Es ist ja gerade der Witz des "schülerorientierten" Unterrichts, dass im Mittelpunkt des Unterrichts nicht das Fach steht, sondern "der Schüler und seine Bedürfnisse".

Was dabei die "Bedürfnisse des Schülers" sind, obliegt dabei dem jeweiligen Urteil des Fachleiters, versteht sich!

Um "schülerorientiert" im Sinne der modernen Didaktik zu unterrichten, erweist sich eine Unibildung sogar als eher hinderlich.
Didaktische Entscheidungen sollen eben gerade NICHT vor dem Hintergrund der fachlichen Systematik gefällt werden, sondern vor dem Hintergrund der "Schülerbedürfnisse".

Stets soll sich der "moderne" Didaktiker fragen: Motiviert das meinen Schüler, wenn ich jetzt so oder so unterrichte...?

Hier sind wir auch bei der MOTIVATIONSPÄDAGOGIK, die bei uns am Seminar gelehrt wurde.

(Sie ist auch der eigentliche Grund, warum ich die Maßstäbe meiner Fachleiter nicht erfüllen konnte. So war ich ein regelrechtes Hassobjekt, weil ich angeblich "zu fachorientiert" unterrichtet habe. Ich war also durch die Unibildung in den Augen meiner Fachleiter "verdorben". Man empfahl mir auch, doch bitte wieder an die Uni zurückzugehen und dort eine weitere Laufbahn einzuschlagen.)

Mein Fazit, das ich hieraus mitnehme:
Als "moderner" Lehrer kann man nicht zu ungebildet sein, wohl aber "durch die Wissenschaft verdorben".

Ob das nun gut oder schlecht ist, möchte ich gar nicht mal beurteilen.

Serafina
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Beitrag von Serafina »

@ Nanu:
An vielen Dingen, die du behandelst, ist eine Menge dran. Nur betreibst du, selbst wenn du ja genügend Sparringspartner hier hast, Schattenboxen. Du boxt gegen deine Vergangenheit. Box doch mal für deine Zukunft, Mensch!

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