finanzielle Unsicherheit vs. Druck

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
lieschenmüller
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finanzielle Unsicherheit vs. Druck

Beitrag von lieschenmüller »

Vor einigen Monaten habe ich mein Ref an einem Gymnasium in BaWü (mein Wunschseminar und sogar die Wunschschule in einer Großstadt) begonnen. Über mein Seminar kann ich kaum etwas Negatives berichten, zwar ist der Leiter ein wenig seltsam, aber mit dem hat man ja in den seltensten Fällen etwas zu tun und meine beiden Fachleiter sind im Großen und Ganzen durchaus unterstützend. Auch die Schule ist eigentlich recht gut für Referendare "geeignet". Aber...

...ich hänge mittlerweile ziemlich in den Seilen. Das äußert sich vor allem darin, dass ich an nahezu jedem Abend hier sitze und weine, unter ständigem Kopfschmerz leide und seit einigen Wochen sogar kaum noch schlafen kann. Die Stundenvorbereitungen fallen mir extrem schwer (weniger weil ich alles perfekt machen will, sondern weil mir die Ideen komplett fehlen) und ich verspüre auch kaum mehr Interesse an meinen Fächern (die ich während des Studiums wirklich geliebt habe, aber Schule ist thematisch natürlich nicht Hochschule). Mit den Klassen komme ich im Grunde schon klar, habe aber große Probleme damit, nicht auf jeden Schüler einzeln eingehen zu können, manche tun mir in gewissen Situationen richtig leid. Ich interessiere mich im Grunde stark für pädagogische Themen (auch das hat mir im Studium Spaß gemacht), aber den Unterrichtsalltag finde ich zunehmend ermüdend. Ich kann mich mittlerweile nicht mal mehr aufraffen meine Familie zu besuchen, reagiere gereizt wenn Verwandte mich besuchen wollen, weil ich mich schlicht müde fühle. Mein Hausarzt hat bereits angeboten mich krankzuschreiben, ich habe allerdings zu große Angst dadurch den anstehenden Verpflichtungen (Ausflüge, Projektarbeiten und natürlich UBs) nicht mehr nachzukommen. Ich glaube immer weniger, dass Schule tatsächlich der richtige Ort für mich ist (obwohl mir mein Praxissemester schon Spaß gemacht hat und ich auch schon in Firmen Schulungen für Mitarbeiter leiten durfte, das fand ich durchaus erfüllend).
Wenn ich ehrlich bin hält mich wohl nur die finanzielle Unsicherheit davon ab die Sache abzubrechen (und vor allem vielleicht auch Rat bei einem Psychologen zu suchen). Da ich alleinstehend bin habe ich niemanden der mich in dieser Hinsicht unterstützend könnte. Ich "kann" also gar nicht aufhören. Außer einigen Bürojobs und eben den Firmenschulungen habe ich außerdem nichts vorzuweisen und bin nun ja auch zu alt für eine neue Ausbildung. Andererseits halte ich den Druck wohl auch nicht mehr lange aus.

Kurz: Ich weiß nicht wo ich anfangen soll einen Ausweg aus dieser Lage zu suchen :|

Hubselzwerg
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Re: finanzielle Unsicherheit vs. Druck

Beitrag von Hubselzwerg »

Und wenn du zumindest schonmal den Teil "Psychologen aufsuchen" erledigst?
Weil...für moch klingt das ein bißchen nach Depression. Und da ist nicht sicher, was Ursache und was Wirkung ist. Damit meine ich, dass es nicht so sein muss, dass es dir wegen der Schule so schlecht geht. Sondern dass du deinen Beruf gerade nicht packst, weil es dir schlech geht. Das würde ich vor dem Hinschmeißen erstmal ausschließen.
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Rike1985
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Re: finanzielle Unsicherheit vs. Druck

Beitrag von Rike1985 »

Hallo,
das mit dem Psychologen würde ich noch zurückstellen. Nicht, weil ich es für unsinnig halte, sondern weil es evtl. Probleme mit einer späteren Verbeamtung geben könnte. Leider sind die da ja immer noch ziemlich verbohrt, was psychiche Vorbelastungen angeht. Wenn es aber gar nicht mehr geht, dann ist eine Therapie sicherlich sinnvoll.
Gibt es bei euch im Seminar oder seitens der Schule keine Coaching-Möglichkeiten. Evtl. könnte man sich da mal mit dir zusammen setzen und ganz individuell beraten. Wichtig ist ja, dass man feststellen kann, worin deine momentane Problematik liegt.
Dass das Ref für niemanden Zuckerschlecken ist und man auch in Phasen kommt, wo einem alles zuviel zu sein scheint, ist denke ich normal. Wichtig ist aber, dass man einen Weg findet, damit umzugehen. Mich haben bei meinen Tiefs immer meine Kollegen, aber auch meine ABB sehr gut aufbauen können, sowohl durch persönliche Motivation als auch durch konstruktive Hilfen.
PS: Das mit den Kopfschmerzen kenne ich übrigens sowohl von mir selbst, als auch von meinen Refkollegen. Das ist einfach der Stress, aber auch, so glaube ich, das stundenlange Sitzen am Schreibtisch.

Hubselzwerg
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Re: finanzielle Unsicherheit vs. Druck

Beitrag von Hubselzwerg »

Rike1985 hat geschrieben:Hallo,
das mit dem Psychologen würde ich noch zurückstellen. Nicht, weil ich es für unsinnig halte, sondern weil es evtl. Probleme mit einer späteren Verbeamtung geben könnte.
Das stimmt natürlich. Bevor man nicht verbeamtet wird, ist es natürlich viiiieeel besser zu warten, bis man richtug schwer krank ist. Bei einem Tumor würde man ja sicher auch erstmal die Verbeamtung abwarten.
Leider sind die da ja immer noch ziemlich verbohrt, was psychiche Vorbelastungen angeht.
Das stimmt so nicht! Ich verstehe nicht, warum das immer wieder so ins Blaue hinein behauptet wird.
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Feuerkopf
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Re: finanzielle Unsicherheit vs. Druck

Beitrag von Feuerkopf »

Auch ich würde dir raten, schnellstmöglich und zu aller erst einen Psychologen aufzusuchen. Es dauert in der Regel recht lang, bis man da überhaupt einen Platz bekommt (allerdings hatte ich beim ersten Mal Glück und ziemlich schnell einen gefunden). Aus dem Grunde finde ich es wichtig, sich zeitnah darum zu bemühen.

Ich bin derzeit zudem krankgeschrieben, weil es mir im Grunde so ging wie dir. Und ich habe immer wieder Gedanken daran, abzubrechen, bin mir mal mehr mal weniger sicher. Deswegen habe ich jetzt zusätzlich einen Termin bei der Arbeitsagentur und zwar in der Akademikerabteilung.

Ich habe mich dafür erkundigt, was zu tun ist und sollte mich ganz normal arbeitssuchend melden (online) und dabei eben angeben, dass ich ja noch beschäftigt bin. Von der Agentur wurde es dann von arbeitssuchend auf ratsuchend geändert. Den Termin habe ich bald und ich bin gespannt, welche Tipps ich mir abholen kann, welche Möglichkeiten ich habe.

Denn ich habe auch den Eindruck, dass ich ja außer meinem 1. Staatsexamen nix vorzuweisen habe... Vielleicht nimmt es dir aber schon den Druck, wenn du Alternativen aufgezeigt bekommst.

Sinnvolle Reihenfolge also: Psychologen suchen, krankschreiben lassen, Rat bei der Arbeitsagentur suchen. Wenn du mit dem Psychologen nämlich schon so weit kommst, dass du dein Ref packst ist ja alles gut :-)

Im Übrigen finde ich Ratschläge wie: Ne, lass den Psychologen weg, damit kriegst du Probleme bei der Verbeamtung einfach nur dämlich! ICH jedenfalls habe nicht nur Lehramt studiert, weil ich dann eine Beamtenstelle und somit ganz sichere Zukunft habe! Sonder ich habe es studiert, weil ich Freude an den Fächern und pädagogischen Aufgaben habe. Und wenn da die Psyche nicht mitspielt, dann muss man sich Hilfe suchen. Und zwar ganz unabhängig davon, ob da jetzt die Verbeamtung gefährdet ist oder nicht, was sie wie bereits gesagt wurde, so auch nicht ist!!!

grüneTomate
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Re: finanzielle Unsicherheit vs. Druck

Beitrag von grüneTomate »

Einiges von dem, was du geschrieben hast, kommt mir bekannt vor. Ich bin auch noch im Ref, hab letztes Jahr angefangen. Aus derzeitiger Sicht hätte ich diese Vorschläge für dich:

1. Lass dich krankschreiben, so wie dein Arzt es dir angeboten hat. Es müssen ja nicht gleich mehrere Wochen sein. Schon ein paar Tage krank sein zu "dürfen" und von unmittelbaren Verpflichtungen befreit zu sein, bringt Erholung. Wenn dich dann die innere du-musst-du-solltst-du-darfst-nicht-Stimme meldet und dich Schuldgefühle gegenüber Kollegen, Schülern oder dir selbst plagen: Positive Gedanken dagegen setzen, spazieren gehen, mit jemandem sprechen, der dich bedingungslos unterstützt. Wichtig: Das machst du für dich, und nicht, um deine Arbeitsfähigkeit so schnell wie möglich wieder herzustellen! Sag nein. Die Schule bricht nicht zusammen, wenn mal ein Referendar fehlt.

2. Zum Thema Ideenlosigkeit und dass einem schon mal die Schüler leid tun: Vielleicht hältst du gerade jede Menge Unterricht und hospitierst kaum? Weil die Kollegen Praxis so wichtig finden, weil du deine Pflichtstundenanzahl noch nicht erreicht hast und weil andere Referendare immer erzählen, wie sie sich in den Hospitationsstunden gelangweilt haben? Wenn das der Fall ist: Lass sie reden. Hospitationen bei guten Kollegen bzw. Kollegen, mit deren Stil du etwas anfangen kannst, bringen Inspitation für den eigenen Unterricht. Also hospitiere! Unterricht bei Kollegen, bei denen dir die Schüler leid tun (die gibt's, gerade aus Sicht eines eifrigen, idealistischen Anfängers!), solltest du im Moment auf ein Minimum begrenzen. Mit deren Methoden setzt du dich erst dann wieder auseinander, wenn du das Gefühl hast, dass du das brauchst.

3. Verschaffe dir Klarheit darüber, ob dir eine Verlängerung des Refs helfen würde. Früher ist man ein ganzes Jahr mitgelaufen, bevor man eigene Klassen bekam. Also keine Scham! Auch hier: Auf die Meinung von Unbeteiligten kannst du verzichten. Deine Ausbilder werden dich vermutlich am besten beraten.

4. Wie schon erwähnt: Alternativen bewusst machen. Erst mal: Mit welcher Arbeit bestreite ich meinen Lebensunterhalt, wenn ich zum Schuljahresende ausscheiden würde? Dann: Was willst du vom Leben, und welcher Beruf würde dazu passen? Sprich mit Menschen, die deine Ideen nicht gleich bewerten! Wenn dir so jemand nicht einfällt, lass dich von einem Profi beraten.

5. Suche ernsthaft einen Therapeuten, mit dem ehrlichen Vorsatz, dir Hilfe zu holen. Vielleicht wirst du niemals einen Termin ausmachen. Aber du dich mit dem Gedanken auseinandergesetzt. Du hast eine Telefonnummer, und du könntest dort anrufen. Das gilt natürlich erst recht für die Telefonseelsorge (mit denen man übrigens mittlerweile auch per anonymisierter Mail kommunizieren kann).

Alles Gute!

User65
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Re: finanzielle Unsicherheit vs. Druck

Beitrag von User65 »

lieschenmüller hat geschrieben:habe aber große Probleme damit, nicht auf jeden Schüler einzeln eingehen zu können, manche tun mir in gewissen Situationen richtig leid.
Zumindest an dieser Stelle erkenne ich einen viel zu großen Anspruch, den du dir selber stellst.

Du musst im Referendariat zielgerichtet arbeiten. Das Ziel ist hier nicht, guten Unterricht zu leisten, indem du z. B. auf jeden Schüler einzeln eingehst.

Referendariatsziel ist das Bestehen der zweiten Staatsprüfung mit einem möglichst guten Ergebnis. ALLES, was diesem einzigen Ziel nicht dient, brauchst du auch nicht zu machen. Es kommt darauf an, wie andere deinen Unterricht bewerten, nicht, wie du ihn bewertest! Hat man an deinem Unterricht moniert, dass du zu wenig auf einzelne eingehst? Ich kann mir das nicht vorstellen, denn in der Regel bekommen Prüfer solche Sachverhalte gar nicht mit, wenn sie nur zu gewissen Terminen erscheinen.

Selbstverständlich musst du gute Ideen für deine Unterrichtsbesuche haben. Aber eben auch nur für die Unterrichtsbesuche! Dort, wo du alleine bist, reicht das Lehrbuch völlig aus.

Einen Psychologen würde ich nicht aufsuchen. Was soll der an der Situation ändern? Du bist einfach überfordert, und er kann die Überforderungen nicht abstellen. Und Hilfen für die Unterrichtsdurchführung bekommst du von solchen Leuten auch nicht. Da wärst du sogar hier im Forum noch besser aufgehoben.
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