Bericht einer Abbrecherin

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
KleinerHase
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Registriert: 26.10.2005, 19:54:27

Bericht einer Abbrecherin

Beitrag von KleinerHase »

Vorwort:Dieser Bericht spiegelt mein subjektives Empfinden wieder und ich kann auf fiese Sprüche und ähnliches dankend verzichten.

Ich habe das Referendariat abgebrochen und möchte euch mal schildern, wieso-und wie es mir seitdem ergangen ist.

Ich habe im Dezember 2003 ein wirklich passables Staatsexamen Englisch/Spanisch abgeliefert mit der Note 1,9.
Ich habe dann im Februar 2004 mit dem Ref angefangen, mir ging es schon zu dieser Zeit psychisch schlecht.
Ich war deprimiert, lustlos und empfand alles, inklusive dem Ref nur als eine Riesenbelastung.
Ich habe in der so genannten Intensivphase, die es an meinem Seminar gibt (wo man nicht an der Stammschule unterrichtet, sondern an der Schule der FL) ein paar wirklich gute Unterrichtsversuche gemacht, empfand jedoch das tägliche zur Schule gehen mehr und mehr als Belastung und bin kurz bevor es zur eigentlichen Hospitationsphase an der Stammschule ging total zusammengekracht.
Angstzustände und Depressionen waren die Diagnose.
Leider musste ich dann auch für länger ins Krankenhaus und habe dann Monate später, nach lange währender Krankschreibung das Referendariat auch auf Anraten meiner Ärzte abgebrochen.

Derzeit mache ich gerade eine kaufmännische Ausbildung, die ich mit viel Ach und Krach und auch nur durch Vitamin B ergattern konnte.

Beim Arbeitsamt sagte man mir nur ganz platt, dass man mir nicht helfen könne.
Das Lehramtsstudium führe nun mal eben ins Lehramt und sonst nirgends hin.

In dieser Ausbildung ist der Stress natürlich viel geringer, als er im Ref jemals sein würde, aber es ist zugegebenermaßen auch so, dass jemand mit einem abgeschlossenen Studium und einiger Lebenserfahrung, inklusive Auslandserfahrung, in so einer Ausbildung restlos unterfordert ist.
Die Kollegen bei meiner Arbeitsstelle sind ganz ok., das Tätigkeitsfeld liegt im Kulturbereich, also nicht das Schlechteste und ich habe jeden Tag um 16 Uhr Feierabend, aber der Sinn geht mir bei diesem Bürojob ehrlich gesagt schon ziemlich ab.
Wenn ich nach Hause komme, habe ich FREI, aber ich frage mich dann in dieser Freizeit, was nach der Ausbildung kommen wird.
„Werde ich einen Job bekommen, bei dem ich mehr als 1600 € brutto verdienen kann, bei dem ich mehr mache, als ein bisschen rumtippern und wo ich mehr Verantwortung habe, als meinen PC morgens pünktlich an- und nachmittags pünktlich abzuschalten?“

Was ich eigentlich sagen will ist, dass alle, die das Ref abbrechen wollen, der Tatsache ins Auge sehen sollten, dass es in der freien Wirtschaft wirklich weeeenige Arbeitsplätze für Geisteswissenschaftler gibt, die besser sind als irgendwelche Hiwi-Jobs und dass solche Tätigkeiten einen unter Umständen auch absolut nicht intellektuell ausfüllen.

Bestimmt ist das Referendariat eine sehr anstrengende Zeit; für die einen weniger unbeschadet zu überstehen, als für andere, aber ist es nicht so, dass am Ende ein interessanter, verantwortungsvoller und einigermaßen gut bezahlter Job winkt?

Ich will niemanden überzeugen, der sich wirklich sicher ist, dass er/sie abbrechen will, jedoch will ich all denen Mut machen, es durchzuziehen, die sich nicht sicher sind.
All den Reffis, die frustiert sind über die Demütigungen und die Gängeleien… über Nächte am Schreibtisch und wenig Freizeit - zieht es durch.
Sonst werdet ihr irgendwann zu Hause sitzen und euch fragen, ob es nicht doch irgendwie machbar gewesen wäre.
Das sagt eine, die es wissen muss und die ernsthaft über einen Wiedereinstieg nachdenkt.
Wenn ihr mal die Luft der freien Wirtschaft geschnuppert habt, werdet ihr euch vielleicht an die Schule zurücksehnen.

Liebe Grüße
und winke winke ,falls sich hier jemand aus meinem Seminar tummelt, der meint, mich wiederzuerkennen.

Katja

Beitrag von Katja »

Danke für den Bericht! Ich kann mir lebhaft vorstellen, dass du damit recht hast, wenn du sagst, dass es in der freien Wirtschaft hart zugeht, ganz gewiss. Nur: Was hat man davon, wenn man jahrelang in einem Job ausharrt, der einen unglücklich macht, bei dem man depressiv wird? Ich denke immernoch, psychische und körperliche Gesundheit ist wichtiger als die Kohle. Wenn du allein wegen des Geldes und der Sicherheit den Lehrberuf auf Dauer "durchziehen" willst, kann es leider sein, dass du mit 40 wegen Burnoutsyndroms gezwungen bist, aufzuhören. es muss nicht so sein, aber kann leider. Habe schon einige Beispiele gehört. Habe aber auch schon einige Beispiele von Leuten gehört, die durchaus angemessene Jobs gefunden haben, die sich "hochgearbeitet" haben. Klar, dazu gehört Glück, Ausdauer, etc., es mag schwierig sein, ist aber nicht unmöglich. Die Lösung, die ich für mich gefunden habe, ist das Ref durchzuziehen und mir hinterher etwas anderes zu suchen. Ich wollte auch öfters abbrechen, schreckte dann aber doch davor zurück.
Ich würde einfach nur davor warnen, sich aus Sicherheitdenken auf Dauer unglücklich zu machen, das kann es auch nicht sein. Aber "die" Lösung hab ich leider auch nicht. Alles Gute und Glückwunsch dazu, dass du eine Ausbildung gefunden hast. Ist doch toll!

Grüße Katja

PS: Das Arbeitsamt hat von Akademikern sowas von keine Ahnung!! Grrrr..... :x

KleinerHase
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Beitrag von KleinerHase »

Natürlich sollte man den Lehrerberuf nicht nur des Geldes wegen ergreifen, es sei denn man ist total abgezockt und hat das Talent, mit einem Tunnelblick ein glückliches Leben führen zu können.

Mein Beitrag soll eigentlich auch nur verdeutlichen, dass das Ref. zwar hart ist, aber dass es ebenso hart ist, wenn man abgebrochen hat.

In der freien Wirtschaft hat man zwar keine idiotischen Fachleiter etc., dafür kann ich mittlerweile ein Lied singen von intriganten und fiesen Kollegen, von denen man in anderen Ausbildungen oder als Berufsanfänger genau so abhängig ist, wie im Ref von dem FLs oder Ausbildungslehrern.
Wenn euch niemand zeigt, wo der Hase langläuft, ist auch in der freien Wirtschaft der Weg nicht eben ein Spaziergang.

Zudem kommt man ohne tausende Qualifizierungen sowieso an keinen Job ran, der auch nur annährend an das Gehalt eines Lehrers rankommt.

Und in Hochzeiten habe ich auch schon bis 19.45h im Büro gesessen und das als Praktikantin, die ich zu der Zeit noch war.

Wie gesagt, ich will keinen überzeugen zu irgendwas, nur ein realistisches Bild malen.

Sony
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Beitrag von Sony »

@KleinerHase:

Welche Ausbildung hast du nach dem Lehramtstudium absolviert?

KleinerHase
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Beitrag von KleinerHase »

Habe ich doch geschrieben oder ist die Frage ironisch gemeint?

Ich habe zuerst das Ref begonnen, dann abgebrochen und mache nun eine kaufmännische Ausbildung.

Sony
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Beitrag von Sony »

KleinerHase hat geschrieben:Habe ich doch geschrieben oder ist die Frage ironisch gemeint?

Ich habe zuerst das Ref begonnen, dann abgebrochen und mache nun eine kaufmännische Ausbildung.
Als was?

KleinerHase
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Beitrag von KleinerHase »

Kommunikationskauffrau, aber wieso ist das nun so wichtig?

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