Selbstbesußtsein geht nach und nach flöten

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
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gudsek

Selbstbesußtsein geht nach und nach flöten

Beitrag von gudsek »

Hallo,

seit September nun bin ich im Ref. (Bayern), was mit Kind (alleinerz.) ein Wahnsinn ist, wie ich mittlerweile finde.

Ich fühle mich inzwischen fast komplett isoliert von sämtlichen anderen Menschen. Im Seminar finde ich irgendwie keinen Anschluss, was wohl auch damit zusammenhängt, dass ich 10 Jahre älter bin als der Durchschnitt und als einzige ein Kind habe.

Mit Freunden kann ich überhaupt nichts mehr machen, weil ich sowieso kaum hinterherkomme mit allem, was man so täglich machen muss.

Für mein eigenes Kind fehlen mir auch langsam die Nerven.

Meinen Freund sehe ich auch kaum noch und wenn, dann unter Zeitdruck.

Irgendwie käst mich dieses ganze Referendariat mitsamt dem leidigen amtlichen Schriftwesen und der "supernetten" Seminarleiterin derartig an, dass ich morgens schon einen Kloß im Magen spüre und mich am liebsten in Luft auflösen würde.

Alles wäre ja leichter zu ertragen, wenn ich nur mit einer einzigen anderen Ref. engeren Kontakt hätte und man sich gegenseitig unterstützen würde. Aber ich scheine auf die anderen wie ein Alien oder so zu wirken, mit meiner besonderen Problematik "alleinerziehend".

Mein Selbstbewußtsein verschwindet mehr und mehr, auch von meinem ehemals recht ausgeprägten Humor ist nichts mehr übrig, weil es da einfach nichts zu lachen gibt. Ich bin schon gar nicht mehr ich selbst, was kein Wunder ist, weil man im Seminar ständig kontrolliert wird, die sich immer neue Zusatzaufgaben für einen ausdenken.

Wie ging es denn euch anderen Alleinerziehenden?

Vielen Dank für`s Zuhören!

gudsek

refex
Beiträge: 172
Registriert: 31.05.2005, 11:56:33

Beitrag von refex »

Bayern, Grund- Haupt oder Sonderschule?
Nervenkranke Seminarleitung, ausschließlich mit einer Handvoll "Schützlingen" beschäftigt, selbst kinderlos und mit viel Zeit für "Betreuung"?
Habe ich 1 Jahr gemacht, würde ich heute nie wieder tun, auch nicht für 1 Woche und das doppelte Gehalt.
Diese Horrorseminare wird es solange geben, wie sich Dumme dafür finden.
Immer unter Strom ist zu stehen hält die stärkste Birne nicht aus.[url]http://www.proll-is-out.de[/url]

Anastasia
Beiträge: 68
Registriert: 21.05.2005, 6:20:59

Beitrag von Anastasia »

Hallo Gudsek,

ich kann gut verstehen, dass es dich "ankäst", das geht mir ebenso. Ich kenne das, dass einem das Seminar nebenbei noch mehr Stress auflädt, als dass es einem hilft, wie das eigentlich in der Ausbildung der Fall sein sollte. Auch das mit den Kontakten am Seminar kommt mir bekannt vor! Meistens schließen sich dort Leute zusammen, die sich schon von der Uni kennen oder sonst irgendwelche Gemeinsamkeiten haben. Ich war auch eher außen vor dort, u.a. weil ich auch älter bin und anders als der Durchschnitt. Ich habe mich dort auch nicht aufgedrängt. Die Leute am Seminar sieht man später eh nie wieder, und wenn es sich nicht ergibt mit den Kontakten, finde ich, kann man es nicht erzwingen. Offen kann/sollte man stets sein, dann ergibt es sich oder eben nicht. Ich habe zu den Seminarleuten gar keinen Kontakt mehr, es war immer sehr unverbindlich und die meisten waren nicht sehr interessiert an Kontakten. In der Schule, finde ich, ergeben sich Verbindungen leichter, man hat mehr gemeinsamen Gesprächsstoff, kann sich gegenseitig aufbauen, sieht sich jeden Tag. Das hab ich immer als netter, ungezwungener empfunden und wir Refs halten an der Schule immer zusammen.
Das schreibt sich vielleicht als Kinderlose leicht, aber mir war es auch immer sehr wichtig, meine Kontakte außerhalb der Schule zu halten, also die normalen Freunde, die ich aus anderen Zusammenhängen kenne. Sie erinnern mich daran, dass es ein "normales" Leben ohne das Ref gibt, und ich bin durch sie eher in der Lage, alles ein wenig zu relativieren. Ich lasse mir vom Ref nicht mein Privatleben wegfressen! Dann wird eben mal eine Stunde ein wenig schneller vorbereitet, die Schüler merken meistens nicht mal den Untschied zwischen schnell und ausführlich vorbereiteten Stunden. Immer wieder Abstand vom Ref und seiner Bürokratie zu haben finde ich extrem wichtig! Und ich höre immer, dass gerade Mütter da eine ganz gesunde Balance hinkriegen und oft dadurch oft gelassener und fähiger im Job sind. Mir erzählen meine Kolleginnen mit Kindern immer, dass eigene Kinder die beste Hilfe und Motivation für den Lehrberuf sind. Meine Mentorin z.B ist Mutter, bereitet immer ganz schnell vor und ist eine super Lehrerin.

LG Anastasia

Susu
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Registriert: 10.10.2005, 10:22:26
Wohnort: Köln

Beitrag von Susu »

Liebe Gudsek!
Wennn Du wirklich weitermachen möchtest (was bei der Arbeitsmarktsituation u. anderen Sachen ja auch sehr ratsam ist), würde ich Dir raten zu überlegen, ob Du irgendwie irgendwo etwas ändern kannst, denn die Umstände kannst Du ja eben nicht großartig beeinflussen. Ich weiß ja nicht, wie Dein Zeitplan in der Woche aussieht, aber irgendwie in die Richtung "möglichst viel in freien Zwischenstunden oder so vor-, nachbereiten. Und eine Sache lege ich dir ganz besonders ans Herz, auch wenn Du vielleicht erst einmal denkst: Nicht noch etwas im Terminplan! - Ich rede von Entspannungstechniken, sei es Muskelentspannung anch Jacobsen oder sonstiges. Einfach, daß Du Dir vielleicht 15-20 Minuten Zeit nimmst (vor dem Aufwachen des Kindes vielleicht?) und Dich lernst zu entspannen, denn bei Deiner Schilderung schlitterst Du geradewegs in eine extrem unangenehme Streßsymptomatik hinein. Wenn die erst mal festsitzt, wird es nämlich richtig schwer! Ich will Dir damit keine weitere Angst einjagen, sondern Dir nur versuchen, Dir etwas zu helfen!!! :wink:

Gruß, Susu!

refex
Beiträge: 172
Registriert: 31.05.2005, 11:56:33

Beitrag von refex »

Um die ganze Diskussion etwas zu versachlichen, habe ich ein wenig gesurft und auf einer neutralen Seite zum Thema Arbeitssucht (arbeitssucht.de) folgende Anzeichen für diesen Zustand gefunden:

# Du hast Angst vor der Arbeit und brauchst lange, um endlich anzufangen.
# Du kannst dich nicht auf die Arbeit konzentrieren und verzettelst dich oft.
# Du nimmst dir viel zu viel vor und arbeitest bis zur völligen Erschöpfung.
# Du beurteilst dich und deinen Tag fast ausschließlich nach der Menge der geleisteten - mehr noch der nicht geleisteten - Arbeit.
# Dein Perfektionsanspruch lähmt dich oft völlig bei der Arbeit.
# Du weist Kontakte, Einladungen und Unternehmungen mit dem Hinweis auf "zuviel Arbeit" zurück.
# Du kannst zwischen Freizeit und Arbeitszeit nicht trennen und denkst auch iin der Freizeit dauernd an die Arbeit (und umgekehrt).
# Du stehst häufig unter Zeitdruck.
# Du möchtest möglichst viel in kurzer Zeit und mit geringem Aufwand erreichen.
# Du glaubst, "erst etwas leisten" zu müssen und dir dein Lebensrecht durch Arbeit beweisen zu müssen.
# Du schämst dich deiner Arbeitsschwierigkeiten oder Arbeitssucht und magst mit niemandem darüber sprechen.

So sieht also für Otto Normalverbraucher ein krankhaftes Verhältnis zur Arbeit aus.
Aber für manche Referendare - in Bayern und anderswo - sind diese Symptome doch der ganz normale Wahnsinn des Alltags?
Immer unter Strom ist zu stehen hält die stärkste Birne nicht aus.[url]http://www.proll-is-out.de[/url]

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