Chaos in Klasse

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
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fyn
Beiträge: 5
Registriert: 23.11.2009, 17:05:03

Chaos in Klasse

Beitrag von fyn »

Hallo,
ich bin Referendarin (seit Anfang 09) und unterrichte seit diesem Schuljahr eigenständig eine 7te Klasse in Englisch (Realschule). Die Klasse ist laut (eigentlich nur bei mir), zu Beginn war ich nett, habe dann gemerkt, dass ich strenger sein muss und zeitweise ging es gut. Die letzten Wochen sind wieder furchtbar. DIe Jungs machen was sie wollen und Unterricht ist teilweise nicht möglich.
Wenn meine Mentorin mitkommt, ist es natürlich ruhiger. Ich weiss inzwischen nicht mehr, was ich machen soll. Ich kann deshalb nicht mehr richtig schlafen, stelle meine Fähigkeit als Lehrer komplett in Frage und weiss, dass ich es wohl alleine schaffen muss. Allerdings bin ich ja noch in der Ausbildung und denke, Hilfe erwarten zu dürfen / können. Nur in welcher Art? Ging es jemand von euch ähnlich und wie seid ihr damit umgegangen? In solchen Stunden würde ich am liebsten abbrechen.

Stefan24
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Re: Chaos in Klasse

Beitrag von Stefan24 »

Die Klasse ist laut (eigentlich nur bei mir), zu Beginn war ich nett, habe dann gemerkt, dass ich strenger sein muss und zeitweise ging es gut. Die letzten Wochen sind wieder furchtbar. DIe Jungs machen was sie wollen und Unterricht ist teilweise nicht möglich.
Genau hier liegt der Fehler. Zu Beginn ist "nett sein" der größte Fehler, den man machen kann.

Ich las hier mal folgendes: "Sei die ersten Wochen ein Barbar, dann hast du Ruh' fürs ganze Jahr".

Schöner kann man es nicht formulieren.

Dir hilft vermutlich nur eines: Zeig, dass du der Chef im Ring bist und greife knallhart durch. Alles, was über akzeptables Verhalten (Regeln, die DU (nicht die Klasse) aufstellst) hinausgeht, wird sanktioniert.
Es ist deine Aufgabe als Lehrerin, eine Atmosphäre zu schaffen, in der alle arbeiten können. Das bist du dir selbst und den Schülern schuldig. Und zwar den "Lämmern" wie den "Störern".
Du MUSST durchgreifen, wenn du die bald anstehenden Prüfungen (?) erfolgreich meistern willst. Denke dir ein System aus, was du wie bestrafen willst: eine Ermahnung, dann eine Zusatzaufgabe, dann bei weiterem Stören nachsitzen. Oder so in der Art.

Aber greife KONSEQUENT durch. Auch wenn es mal eines der "Lämmer" erwischt. Pech gehabt. Nachsicht wäre der falsche Weg.
Allerdings bin ich ja noch in der Ausbildung und denke, Hilfe erwarten zu dürfen / können. Nur in welcher Art?
Nur in der Art, dass man den Fehler benennt und dir sagt, was du anders/besser machen kannst. Alles andere musst du selbst leisten. Du bist die Lehrperson und musst durchgreifen. Das gehört zu deinem Job. Da kann dir keiner helfen. Außer du dir selbst. Es kann niemand für dich Ruhe im Unterricht herstellen.

Kopf hoch: greif durch und sei ein "Schwein"... wieso nett sein zu Schülern? :wink: Sie haben es nicht verdient, wenn sie mit dir machen, was sie wollen.
Und wenn die "Rangordnung" mal wieder hergestellt ist, dann bleibst du ein "Schwein". Sonst geht das Chaos wieder von vorne los.

Sorry für meine harte Wortwahl. Im Kern der Sache habe ich allerdings recht.
StR seit 09/09. Individualist seit Geburt.
Eigene Meinung schon immer.

Honeybee
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Registriert: 30.01.2008, 21:32:21

Re: Chaos in Klasse

Beitrag von Honeybee »

Kann nur voll und ganz unterschreiben, was Stefan gesagt hat. Kinder in dem Alter suchen und brauchen einfach Konsequenz, denn dann bist du für sie verlässlich, gibtst ihnen einen sicheren Rahmen.

Everybody´s darling is everybodys Depp, denk immer daran!
"Du kennst mich nicht,
Hast mich noch nie gesehen,
Vielleicht liest du meine Worte, wenn sie vor dir stehen."
They'll never know the lovely dance,
Can never feel the touch of night,
For tame birds sing a song
Of freedom while the wild birds fly.

Freidenker
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Re: Chaos in Klasse

Beitrag von Freidenker »

Du musst unfreundlich werden ! 8)
Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

Zitronenfalter
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Re: Chaos in Klasse

Beitrag von Zitronenfalter »

@ stefan:

Mir ist nicht ganz klar, was Du der Threadstarterin sagen möchtest: Ich habe den Eindruck, Dir geht es vordergründig darum zu zeigen, was Du (zumindest in der Theorie) machen würdest / getan hättest. Dass mit dem Spruch "Sei die ersten Wochen...blabla" sind meines Erachtens nichts weiter als dümmliche Parolen von den sog. "erfahrenen" Kollegen (hab´ich selbst vor gefühlten 100 Jahren zum ersten Mal gehört), die aber jemandem, der am Anfang seiner Karriere steht, wohl kaum helfen dürften. Auch Dein Tipp "Schwein" zu sein und die Schüler in "Störer" und "Lämmer" zu unterteilen, lassen mich doch stark an dem Vorhandensein einer tiefergehenden und differenzierten Betrachtung, wie sie ein Pädagoge haben sollte, zweifeln. Ein wirklich erfahrener Kollege hat so etwas nicht nötig.

@ fyn

Aus meiner Sicht ist sowohl Dein Verhalten als auch das Verhalten von manchen Schülern aus der Klasse normal. Ich würde es als "Prozess der teilfriedlichen Rollenklärung" bezeichnen - sowohl der Deinen als der der Schüler. Du bist neu in dem Job und die Schüler wollen Dich testen. Das ist oft ein mehr unbewusster Vorgang bei Jugendlichen und zeigt im Umkehrschluss an, dass sie bereit sind, Dich als Führungsperson zu akzeptieren, wenn (!) Du den Erwartungen entsprichst.
Und da fangen die Schwierigkeiten an: Denn einerseits gibt es in einer Klasse mit 28 SuS 29 unterschiedliche Erwartenshaltungen (Deine an Dich mit dazugezählt) und andererseits verfügst Du in aller Regel halt noch nicht über ein entsprechendes Methodeninventar, um Dir Disziplinschwierigkeiten in einem erträglichen Maß vom Leib zu halten. Geben wird´s diese Schwierigkeiten nämlich immer - nur Deine Art damit umzugehen wird sich im Lauf der Zeit ändern. Deshalb greifen natürlich auch die schon o.g. Parolen viel zu kurz. Als Anfänger den autoritären Sack raushängen lassen geht vielleicht ein- oder zweimal gut. Das ist aber kein tragfähiges Konstrukt, wenn die SuS dann merken, dass Du das gar nicht durchhalten kannst. Zu einer wirklichen Autorität gehört weitaus mehr als Barbarei und gerade heutzutage haben gerade diese doch pädagogisch recht beschränkt agierenden Kollegen gegen eine Klasse eigentlich keine Chance mehr.
Eine wirkliche Autorität kannst Du Dir nur schrittweise langsam erarbeiten (im wahrsten Sinne des Wortes). Meiner Erfahrung nach nur durch 3 Dinge:

Empathie - Kongruenz - Akzeptanz (TZI, Cohen / Rogers)

Sei Du selbst (Kongruenz), begründe Deine Entscheidungen, stehe dazu, wenn Du enttäuscht bist oder wenn Du Dich über eine Reaktion aus der Klasse freust - damit vergibst Du Dir nichts, aber die SuS werden Deine Art zu schätzen wissen, auch wenn sie das vordergründig nicht zeigen oder zugeben.

Versuche Dich in die Schüler hineinzuversetzen (Empathie). Das bedeutet nicht, dass Du deren Wünschen nachgeben sollst, aber auch das Bekunden von Verständnis weicht "Fronten" auf, schafft eine gemeinsame Verständigungsbasis.

Zeige, dass Du Deine Schüler als Individuen ernst nimmst (Akzeptanz). Benenne und sanktioniere einzelnes Fehlverhalten (was Du vorher angekündigt hast musst Du dann auch machen, s. "Kongruenz"), aber nie (!) den Menschen hinter dem Fehlverhalten. Genau deshalb sind pauschalisierende Kategorisierungen wie hier zu lesen war natürlich grober Unfug.
Und die SuS erwarten zu Recht von einer Führungspersönlichkeit (die sie anerkennen können) die Fähigkeit, genau an diesen sensiblen Stellen differenzieren zu können.

Eine gute Führung hat auch viel mit Vertrauen zu tun - wenn Du das Regiment nur über die Angstschiene führst, wirst Du sehr viel damit zu tun haben, diesen Druck aufrecht zu erhalten und irgendwann geht es immer (!) in die Binsen. Der Weg über das Vertrauen +TZI ist zwar länger aber dafür wesentlich tragfähiger und letzten Endes natürlich auch sehr viel positiver.

In diesem Sinner wünsche ich Dir: Werde die, die du werden kannst! Mit der Zeit wirst du den sog. "Pädagogischen Takt" raushaben, d.h. Du wirst, wie Du selbst schon auch gemerkt hast, immer schneller merken, wann Du wie intervenieren musst, um das von Dir gewünschte Verhalten zu erreichen.
Das ganz konkrete Methodeninventar dazu musst Du dir mit der Zeit selbst zusammenbasteln - es muss zu Deiner Persönlichkeit und zu Deinen momentanen Möglichkeiten passen, sonst wirkt es immer unecht.

Gruß
Zitro
heiter weiter!

Ripley
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Registriert: 27.08.2009, 21:23:37
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Re: Chaos in Klasse

Beitrag von Ripley »

@zitro: wow, respekt, hast du was publiziert, kann ich das irgendwo nachlesen? lg.

dieKati
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Registriert: 30.09.2006, 11:27:15

Re: Chaos in Klasse

Beitrag von dieKati »

ich kann dir das buch von nolting empfehlen. es gheißt störungen in der schulklasse und ist wirklich sehr hilfreich. es gibt konkrete und eben sehr hilfreiche hinweise, die man auch tatsächlich umsetzen kann. http://www.amazon.de/St%C3%B6rungen-Sch ... 290&sr=8-1

lass dich von dem sehr kindlichen deckblatt nicht stören, ich unterricht in einer berufsschule und konnte es gut nutzen. manchmal helfen ja schon kleine dinge weiter, die das eigene verhalten betreffen!

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