Legasthenie, Dyskalkulie, LRS, AD(H)S und Co.

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
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Serafina
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Re: Legasthenie, Dyskalkulie, LRS, AD(H)S und Co.

Beitrag von Serafina »

Dass das Gymnasium mitsamt dem Abi und dann natürlich erst recht alle darunter angesiedelten Schulformen und -abschlüsse so stark auf den Hund gekommen sind, hat auch einen Grund: Eliten können sich auch anders reproduzieren.

Franjo Pooth kann sein Studium abbrechen und dann mit einer Handyfirma grandios abschmieren, weil Vati ihm schon in Kinderjahren die richtigen Leute vorgestellt hat. Sämtlichen andern Leuten hätte vielleicht schon der Studienabbruch das Genick gebrochen.

Aber so ist das halt. Wenn demnächst alle ein Abi haben, sieben halt Personaler aus. Und dort hilft dann die eine oder andere ... Beziehung. :D

yacofred
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Re: Legasthenie, Dyskalkulie, LRS, AD(H)S und Co.

Beitrag von yacofred »

In Eurer Debatte zieht sich ein Widerspruch durch, den ich gerne erklären möchte:

Jetlag schreibt z.B:
Das Niveau des Abiturs hat sich gesenkt, weil immer mehr überforderte Kinder aufs Gymnasium geschickt wurden.
Was heißt eigentlich "überfordertes Kind" ? Als Grund für das schlechte „Niveau“ (Verständnisniveau oder Notenniveau?) entdeckst Du, die Kinder seien überfordert. Damit sagst Du – so als hättest Du deren „allgemeine Leistungsfähigkeit“ vor Schuleintritt schon überprüft – dass die Kinder an sich schon nicht geeignet, aber von den Eltern gepuscht worden wären. Beweis: schlechtes Abitur! Diese Argumentation ist zirkulär, denn ob und was sie wie in der Schule gelernt haben ist die eine Sache, das andere ist was als Leistung gemessen wurde und das besteht schlicht im prüfungsverifizierten Vergleich mit den Leistungsanforderungen des Lehrplans. Als Fachlehrer in Mathematik (wenn man einer ist ?) sollte man vielleicht danach fragen, mit welchen Voraussetzungen die Kinder in den Unterricht hineinkamen – zu Beginn der Grundschule, zu Beginn der Sekundarstufe, zu Beginn der Oberstufe und was sie dazu gelernt haben und was nicht. Es müssten die Verständnisprobleme der Einzelnen untersucht werden, um herauszufinden, woran sie gescheitert sind. Nur dann hätte man ein Urteil darüber, wie der Schüler den gebotenen Unterrichtsstoff verstanden hat, ob er ihn verstanden hat und wie man ihn besser hätte belehren oder unterrichten können. In Deiner Lesart ist immer schon das Resultat (schlechter Schüler) der Beweis dafür, dass es am Willen oder der Intelligenz des Schülers gelegen haben muss, denn mathematische Probleme beim Lernen tauchen bei Dir als Hindernisse gar nicht auf. „Überfordert“ oder „faul“ oder „dumm“ sind demgegenüber moralische Urteile, die bereits ein fertiges Raster unterstellen, mit dem eine Schuldzuweisung feststeht. Er hat es nicht geschafft, also war er faul oder dumm!

Dementsprechend muss davon ausgegangen werden, wer solche zirkulären, nichtmathematischen Beurteilungsmaßstäbe hat, der kann auch nicht mittels Hilfen oder gezielter Fragen den Schülern helfen, weil das Resultat für ihn gar nicht in etwaigen mathematischen Verständnishürden liegt – außer im Sinne von: Ist zu dumm von selbst draufzukommen, wie es geht!

nochmal Zitat Jetlag:
Weil dem Abitur längst nicht mehr vertraut wird, wappnen sich immer mehr Unis gegen die Heerscharen an miserabel ausgebildeten Bewerber. Als ich studierte, gab es „Vorbereitungskurse“ an der Uni, u.a. in Mathe. Dabei stellte sich heraus, dass nicht wenige nicht mal einen Dreisatz konnten. Die quälten und mühten sich dennoch ab. Und sie waren alle nach 2-3 Semester weg vom Fenster.
Wie kann das sein, dass Schüler, die das Abitur schaffen und von ausgebildeten Gymnasialfachlehrern unterrichtet wurden, nie in der Hinsicht auffällig waren, dass die in Mathe einfach nur imitiert haben und wenns drauf ankommt außerhalb schulisch kurzfristiger Prüfungen sogar im Dreisatz versagen, weil sie keine Ahnung von Mathe haben. Das ist doch zunächst mal nicht ein Zeichen für die Überforderung dieser Abiturienten – die habens ja geschafft, das Abitur – sondern ein Armutszeugnis für die LehrerInnen, die diese Schüler jahrelang unterrichtet haben und nicht bemerkt haben wollen, dass die Schüler nie richtig was kapiert haben und später nach dem Abitur völlig versagen würden in Mathe. Wieso waren sie überdies nicht in der Lage in den vielen Jahren ihnen die einfachste Mathe richtig beizubringen, bevor sie ihr Studium antraten! Solche Schüler hätten doch nie bis zum Studium kommen dürfen, ohne dass man ihnen zumindest das Mindeste in Mathe beigebracht hätte! Aber nein, Funktion und Integral als Prüfungsmaterial war doch gerade recht ihnen per Note zu beweisen, dass sie höchstens gerade noch durchkommen würden (also ihre eigentliche Dummheit), und das auch nur, wenn sie alles brav auswendig lernten (Das hat man dann davon!)! Was sollen eigentlich die Arbeitgeber von LehrerInnen halten, die die Schuld einerseits bei den Schülern suchen (überfordert, dumm, faul), sie aber trotzdem alle möglichen Schulabschlüsse passieren lassen, worauf sie sich mit den einfachsten mathematischen Problemen nachher furchtbar schwertun. Was haben diese Schüler bei ihren LehrerInnen denn eigentlich gelernt – dass man sich alles an Überforderungen klaglos zumuten lassen muss, wenn man weiterkommen will ?

Zusammenfassung: Eure (vor allem Jetlag, BuBu, Tlaloc) schöne Naturphilosophie vom Überleben in der schönen (aber brutalen) realen Konkurrenz, riecht doch schon 10km gegen den Wind nach interessierter Standpunktlogik und moralischer Wichtigtuerei! Für Euch ist es komfortabel, mathematische Probleme der Schüler nicht der Sache (fachlicher Inhalt) nach zu beurteilen, sondern nach schuldhafter Verortung (Du hast versagt, Du warst überfordert). Man hat ein unangreifbares Urteilsraster (Schuldfragen beantworten) und man hat immer recht, weil es zirkulär wie es ist, immer schon passt – supereinfach!

So kann man ein ganzes Lehrerleben in vollkommener geistiger Selbstherrlichkeit abwickeln. Über die Natur der Fehler und die Verständnisprobleme der Schüler erfährt man so zwar nichts, muss sich aber auch keine Arbeit damit machen – diese Arbeit wäre ja zusätzlich zum Bewerten der Schülerleistungen, wie schrecklich.

Gruß yacofred
Zuletzt geändert von yacofred am 14.08.2010, 23:26:17, insgesamt 1-mal geändert.

yacofred
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Re: Legasthenie, Dyskalkulie, LRS, AD(H)S und Co.

Beitrag von yacofred »

Für diejenigen, die sich mit dem Begriff der Unterrichtsqualität bereit sind wissenschaftlich auseinander zu setzen:

http://www.schulentwicklung-mfr.de/file ... g_Heid.pdf

yacofred

kakaotrinkerin

Re: Legasthenie, Dyskalkulie, LRS, AD(H)S und Co.

Beitrag von kakaotrinkerin »

Bezugnehmend auf das Posting von Nanii:

GEnau da liegt doch ein Denkfehler von Dir:

1. Keiner sagt, dass ein Kind, mit entsprechender Förderung (auch außerschulisch) nicht noch aufholen kann. Und wenn ich diesem Kind in zu Beginn der Schullaufbahn den Weg verbaue und immer schon zu Beginn mit einem möglichen Abitur argumentiere, dann bist Du diejenige (und nicht die Eltern), die den Druck aufbaut. Diese frühe Selektion ist doch vollkommen absurd.
Natürlich kann ein Kind auch aufholen. Und auch, wenn immer dagegen argumentiert wird: Wir haben ein durchlässiges Schulsystem. Dass das natürlich in vielen Fällen nicht greift, liegt nicht immer am System selbst. Was bitte bringt es einem Kind, wenn es aufgrund seiner Defizite an einem Gymnasium nur mitkommen kann, wenn Sonderregel nach Sonderregel für dieses Kind geschaffen wird? Unter Sonderregelung verstehe ich nicht die Tatsache, dass man soweit möglich differenziert, dass man sich soweit möglich einzelnen Schülern besonders widmet usw. Das muss man als Lehrer durchaus tun- soweit es die Umstände eben zulassen. Aber wenn ein Kind nur halbwegs mitkommen kann, indem man die Anforderungen gnadenlos runterschraubt, dann weiß ich nicht, welchen Sinn das macht, wenn es andere Schulformen gäbe, bei denen das Kind besser mitkommen würde, ohne eben dauernd einen Sonderstatus einfordern zu müssen. Und man kann auch durchaus erst einen Hauptschulabschluss machen, dann durch 10. Schuljahr oder Berufsfachschulen den Sek I machen und dann ein Gym besuchen. Man kann auch nach einer Ausbildung durch die FOS zum Abi kommen usw. Da sind viele Wege offen, wenn man selbst will.
2. Was ist denn das bitte für eine Aussage, dass das Abitur für "hörere" Berufe qualifiziert? Ich kenne eine Menge Leute, die ihr Abi haben und nicht Spitzeningineure werden wollten. Es gibt ja wohl noch etwas anderes als diese in Deinen Augen ach so elitären Berufe.
Es geht nicht um elitär oder nicht. Das Gymnasium hat den Anspruch, so ist es nun einmal definiert, auf ein Studium vorzubereiten, egal ob man danach studiert oder nicht. Das habe nicht ich mir ausgedacht, das ist von anderen Leuten so entschieden worden. Und wenn es diesen Anspruch gibt, dann muss der Unterricht bzw. das Anforderungsniveau eben auch daraus ausgerichtet sein.
3. Man kann ein Kind mit einer körperlichen Beeinträchtigung nicht mit einem Kind vergleichen, das in seinem persönlichen Umfeld Probleme hat. Merkst Du eigentlich, wie Du die Eltern und Kinder, die solche Beeinträchtigungen haben, verhöhnst? Welche Berufe sollen diese Menschen in Deinen Augen eigentlich ausüben?
Es geht doch absolut nicht darum, jemanden zu verhöhnen. Es geht nur darum, dass schulische Leistungen bzw die Leistungsfähigkeit immer in einem Kontext gesehen werden müssen. Natürlich kann ein Kind mit LRS nicht dieselben Leistungen bringen wie ein Kind ohne LRS. Es muss aber die Frage erlaubt sein, inwiefern permanente Sonderregelungen gerechtfertigt sind, gerade auf dem Gymnasium, wenn auf andere Kinder, die auch Probleme haben, diese aber nicht auf einem Attest stehen haben, auch keine solche Rücksicht genommen wird. Was ist denn mit den Kindern, die aus schwierigen Verhältnissen kommen, morgens ohne Frühstück in die Schule kommen, mittags alkoholkranke Eltern erleben und den ganzen Haushalt schmeissen müssen, damit der nicht im Dreck verkommt? Können solche Kinder, die unter derartigen psychischen Belastungen stehen, dieselbe Leistung erbringen wie Kinder, die in behüteten Verhältnissen aufwachsen? Nein.
4. Du hattest die Frage nicht beantwortet, inwiefern Kinder mit Integrationsstatus generell behandelt werden sollten? Bsp. ein Kind, das schlecht hört kann sowohl in Deutsch, als auch in den Fremdsprachen nicht alles so gut, wie die Mitschüler. Was machst Du mit solchen Kindern? Setzt Du diese dann auch gleich mit einem Scheidungskind oder den anderen Beispielen, die Du oben geracht hast? Sollen diese Kinder (egal welche Behinderung sie haben) auf eine Sonderschule?
Es gibt nicht die Sonderschule, es gibt Förderschulen mit speziellen Schwerpunkten. Und wenn ein Kind eine gravierende Hörbehinderung hat, die ein Verbleiben an einer Regelschule so nicht möglich machen, muss es natürlich auf eine solche Förderschule- im eigenen Interesse. In meiner Stadt gibt es zB eine Förderschule für Hörbehinderte, dort kann der HS- und der Sek I - Abschluss erworben werden, für das Abitur gibt es ein Landesinternat für diese Form der Behinderung. Daran kann ich nichts Schlechtes finden.
Natürlich kann man ein Scheidungskind nicht auf eine Förderschule schicken, hat auch niemand behauptet. Hier müssen sicher auch individuelle Regeln gefunden werden, die die Situation des Kindes im Rahmen der Möglichkeiten berücksichtigen. Im Rahmen der Möglichkeiten bedeutet aber für mich persönlich, dass man nicht das generelle Anforderungsniveau völlig in Frage stellt. Natürlich kann man, wenn man weiß, dass da am Vortag der Scheidungstermin war, einen versiebten Test auch mal nicht werten bzw. schauen, dass man eine Möglichkeit zum Ausgleich schafft. Natürlich kann man die mangelnde mündliche Mitarbeit auch mal über einen kurzen Zeitraum entsprechend einordnen, wenn man weiß, wie die Lage zuhause ist. Grundsatz für mich bleibt aber, dass man nicht generelle Sonderregelungen schaffen kann/sollte, wenn das Kind am Ende aber dasselbe haben will wie alle anderen auch. Und da liegt dann auch in meinen Augen der Unterschied. Ein klares Ja zu kurzfristig unterstützenden Maßnahmen, aber ein klares Nein zu Sonderegelungen, die sich durch die ganze Mittelstufe ziehen sollen.
5. Die Konsequenz Deiner Aussagen würde sein, dass behinderte Menschen kein Recht auf Förderung und aktive Teilhabe am "normalen" Leben haben. Förderschulen müssten ausgebaut werden und die Kinder würden alle Automechaniker werden. Oder?
Derartiges habe ich nie gesagt und mir ist auch nicht klar, wie du darauf kommst. Individuelle Förderung ist im Rahmen des Möglichen immer zu geben, aber eben nicht grundsätzliche Sonderregelungen, die vielleicht auch noch auf Kosten anderer gehen. Wenn mein LRS/ADS Kind unbedingt ein Gymnasium besuchen soll und die normalen Fördermöglichkeiten, schulisch und außerschulisch, nicht greifen, dann muss man entweder nach anderen Schulformen suchen, die den Fähigkeiten des Kindes eher entgegenkommen oder ich muss auch als Eltern eben akzeptieren, dass die Leistungen in den betroffenen Fächern halt schlecht sind. Man darf ja auch nicht vergessen, dass LRS nicht grundsätzlich sitzenbleiben bedeutet. Man kann sich 2 5er erlauben, wenn man die ausgleichen kann. Und wenn ich weiß, dass ich in den sprachlichen Fächern schriftlich absolut schlecht bin, muss ich erkennnen, dass ich viel in die Mündlichkeit investieren muss bzw in den anderen Fächern, in denen diese Beeinträchtigung ja nicht als Rechtfertigung gelten kann, eben für bestmögliche Leistungen arbeite.

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Ich finde es schon ziemlich dreist, was Du hier von Dir gibst. Du scheinst im Ref zu sein? Und mit Deiner wenigen Berufserfahrung und keinem Einblick in diese Familien, stempelst Du diese MEnschen ab. Stigmatisierung nennt man das. Und ein Pädagoge, der sich für so elitär hält, sollte nochmal über die richtige BErufswahl nachdenken. Oder erstmal einen genauen Einblick in die Materie erhalten. Zumindest hast Du hier nicht geschrieben, dass Du neben Deiner Ref.-Zeit auch persönlich zu beeinträchtigen Menschen Kontakt hast, so dass Du das so genau beurteilen könntest. 
Ich finde mich nicht dreist, sondern eher realistisch. Und nein, ich bin längst mit dem Ref fertig, meine Berufserfahrung kann zwar nicht mit derjenigen eines Kollegen mithalten, der 20jähriges Dienstjubiläum feiert, aber so ein bisschen was darf ich mir sicher als Erfahrung anrechnen. Es geht nicht ums Abstempeln, das sind alles reine Mutmaßungen deinerseits, sondern um eine realistische Einschätzung der Situation. Ich halte mich auch nicht für elitär und ich weiß auch nicht, woher du das Recht nimmst, über mich persönlich so zu urteilen, obwohl du mich weder kennst noch sonstwas. Wenn du das bei deinen Schülern auch so machst, einfach mal was unterstellen, dann solltest wohl eher du nochmal über deine Berufswahl nachdenken. Auch wenn ich dieses Argument "denk nochmal über deine Berufswahl nach" tendenziell eher ermüdend finde.

yacofred
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Re: Legasthenie, Dyskalkulie, LRS, AD(H)S und Co.

Beitrag von yacofred »

Hallo Kakaotrinkerin, hallo Nanii,


Euer Streit ist ein typisch nicht entscheidbarer Streit, weil Ihr von einer falschen Einigkeit auf der Grundlage einer von Euch nicht weiter beachteten Widersprüchlichkeit der Schule ausgeht. Ihr meint beide, Schule ist fürs Lernen da und man muss sie als Grundlage für Bildung nehmen wie sie ist. In ihr muss dann jeder, entsprechend seinen eigenen Vorstellungen von Gerechtigkeit und Nützlichkeit für Individuen und Gesellschaft es hinkriegen, seinen Job zu erledigen. Damit schreibt Ihr nur Eure jeweiligen Standpunkte fort, könnt sie aber nicht auflösen.

1. Wenn Schule allerdings gar nicht zum Zweck des Lernens eingerichtet wurde, sondern zum Zweck einer sozialen Sortierung über Bildung als Mittel, könnt Ihr Eure jeweilige persönliche Berufsmoral eigentlich vergessen, denn entweder Ihr scheitert mit Euren Idealen immer an den realen Bedingungen (eher Nanii) oder Ihre macht Euch unter Einsatz aller Mittel für ein gutes Gewissen objektiv zum Mittel für die soziale Sortierung (eher Kakaotrinkerins Tendenz). Das soll kein Vorwurf an Euch sein, sondern eher ein Merker, mal über Inhalt und Zweck der Schule nachzudenken, ohne immer gleich alle vorgefundenen Bedingungen als schicksalhafte Voraussetzung für Eure Beurteilung einzubauen.

2. An Euren Kollegen Jetlag, Bubu, Tlolac usw. könnt Ihr studieren, auf welche philosophischen Allgemeinplätze das hinausläuft (Wertungen spar ich mir hier, siehe weiter oben) und wie man so zum untertänigen Parteigänger aller schönen, brutalen "Realitäten" wird.

3. Insbesondere an Nanii: Dein Standpunkt unterstellt immer Konkurrenz und abstrakte Leistung (Intelligenz) als Grundlage für Lehre und Lernen. Vielleicht hast Du es ja immer deshalb so schwer zu argumentieren, weil Du Dir gar nicht den Inhalt des Lernens ansiehst, sondern den Quatsch über Niveau und Leistung versuchst in Deine idealen Vorgehensweisen mit einzubauen. Dadurch kommst Du mit Deinen Argumenten immer nicht bis dahin, die Schädigung des Lernens durch die Schule und ihren Auslesezweck ernstzunehmen. Du willst immer auf Ausnahmeregelungen und Rücksichtnahmen hinaus. Soll mir ja recht sein. Aber warum ist das denn immerzu nötig: Weil es in der Schule prinzipiell erstmal nicht auf das Anknüpfen am Kind ankommt, sondern die Kinder als potentielle Defizitträger natürlich irgendwann einfach dran sind, für die abstrakte Vergleicherei den Kopf hinhalten zu müssen. Dann spätestens wird klar, dass es nicht um Vorteile und Nachteile mehr geht, sondern um Chancengleichheit und Gerechtigkeit (!) - und die bedeutet für Kinder mit Lernproblemen immer, dass sie am Ende in die Pfanne gehauen werden in der normalen Schule. Halte das doch mal als Urteil über Schule fest und wende es nicht immer persönlich gegen Deine KollegInnen, die einfach nur Ihrem Job machen wollen! Kritisiere doch die Schule, dann hast Du die "impliziten beruflichen Gemeinheiten" (nicht persönlich gemeint!), die Deine KollegInnen in ihrer gottergebenen gesellschaftlichen Pflichterfüllung mittransportieren gleich mit am Haken!
Zuletzt geändert von yacofred am 07.09.2010, 10:24:08, insgesamt 1-mal geändert.

kakaotrinkerin

Re: Legasthenie, Dyskalkulie, LRS, AD(H)S und Co.

Beitrag von kakaotrinkerin »

Ich erlaube mir jetzt einfach mal die dumme Frage: Wenn nicht mehr die Schule für eine Auslesefunktion im Sinne von Abschlüssen und damit auch Zugangsberechtigungen zuständig sein soll, wer soll es denn sein?

yacofred
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Re: Legasthenie, Dyskalkulie, LRS, AD(H)S und Co.

Beitrag von yacofred »

Kannst Du Dir Lehre/Lernen immer nur vorstellen als einen Vorgang, der mit einer Prüfung abschließt, die eine Rangfolge erstellt und/oder einen nationalen Normenvergeich veranstaltet? Übrigens, selbst wenn Du diesen Wertigkeitsvergleich für nützlich halten solltest, wäre da noch die Frage zu klären, wieso ausgerechnet ein solcher Vergleich gemacht werden soll, der sich gar nicht am Wissen der Indivuiduen positiv ausrichtet, sondern an formalen Leistungsnormen (Wissen pro Zeiteinheit), denen ein individuell tatsächlich vorhandenes begriffliches Wissen völlig gleichgültig ist, was dann in Noten ausgedrückt einen gesellschaftlichen Nutzen darstellen soll. Ich vermute, Du setzt einfach die Dir gestellte berufliche Aufgabe mit "wertfreiem gesellschaftlichen Nutzen" (?) gleich, ohne nach dem Grund zu fragen: Der Grund ist die Herstellung einer Hierarchie zum Zwecke der Legitimation der Verteilung von Berufschancen. Alle mitmachenden Konkurrenten in der Bildung streben damit nach individuellem Erfolg, um sozial günstige Ausgangspositionen zu erhalten. Dabei ist unterstellt, dass es Gewinner und Verlierer gibt. Die Verlierer sind dann für den Beruf entsprechend schlechter gestellt - und zwar mit gutem Recht ausgeschlossen von weiterer Bildung, außer man geht gezwungenermaßen unsägliche Umwege ! Mit Wissen und Lernen hat das nichts zu tun. Wer aus der Schule kommt und brauchbares Wissen besitzt, hat es sich in der Regel trotz Schule angeeignet. Dazu gehört eine Portion Neugier, Freigeist und Unabhängigkeit gegenüber dem Konkurrenzbetrieb. Das schaffen die meisten Kinder nicht, weil sie viel zu beschäftigt damit sind, den Anforderungen irgendwie zu genügen. Wer dann auch noch echte Lernprobleme hat, kommt unter die Räder, weil statistisch betrachtet individuelles Scheitern ja ein objektiv beabsichtigtes Moment des Konkurrenzbetriebs darstellt. Ironie: Wo kämen wir denn hin, wenn alle gut lernen würden und nachher diesselben guten Noten haben wollten (siehe auch: Grundschullehrerin Czerny in Bayern, die geschasst wurde, weil sie alle Kinder auf gute Noten brachte!). So wird Lernerfolg im schulischen Sinne zu einer Unterabteilung (Mittel) von Konkurrenzerfolg. Dementsprechend erbärmlich sehen dann auch die Lehrpläne/Prüfungsanforderungen aus: angefüllt mit lächerlichen begriffslosen Trainingszielen (Grundschul-Mathe), unwichtigem Merkwissen, kulturellem Mainstream/Klassik und altklugen Allgemeinplätzen aus moralisierenden, menschelnden Sozialkundebüchern usw..

Warum soll dann also die Auslesefunktion überhaupt von jemandem übernommen werden. Was spricht dafür, was dagegen? Werden Menschen dumm ohne Auslese oder vielleicht eher durch Auslese ? Wer hat denn ein Interesse daran - Du etwa ? Oder etwa die "Realität" ??? Worin besteht die ? Darin, dass es schon immer so war ?

Gruß yacofred

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