Referendariat und Technokratie

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
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cancre
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Re: Referendariat und Technokratie

Beitrag von cancre »

wolfgang1 hat geschrieben: Indem es angehenden Lehrern ermöglicht, die notwendigen Fähigkeiten auszubilden, später in der Schule die Schüler für solche Themen zu sensibilisieren und hierzu Denkanstöße zu geben, die über die von "oben" verordneten Denkmuster hinausgehen und zu wirklich eigenständigem Denken anzuleiten/anzuregen. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Vorbeugung gegen totalitäre Strukturen aller Art. Jedoch das Kompetenzmodell macht auf mich nicht den Eindruck, dass es diesen Beitrag fördert. Ganz im Gegenteil, es verhindert diesen Beitrag. Menschen, die nicht wirklich eigenständig denken, sind ein wichtiger Teil des Nährbodens für totalitäre Strukturen.
Ich weiß nicht, von welchem Kompetenzmodell Du redest, aber das Modell, das ich kenne (das hessische) zielt ganz genau auf selbstständiges Denken und soziales Engagement in einer auf Menschenrechten und demokratischen Prinzipien aufgebauten Gesellschaft ab.
Es ist m.E. völlig absurd, diesem Modell vorzuwerfen, es sei von vornherein darauf ausgelegt, eigenständiges Denken und einen Beitrag zur Vorbeugung totalitärer Strukturen zu verhindern.

Ich zitiere aus dem neuen Kerncurriculum für Hessen:
Sozialkompetenz (...)
• Gesellschaftliche Verantwortung: Die Lernenden übernehmen Mitverantwortung innerhalb der demokratischen Gesellschaft, sie achten und schützen die demokratischen Grundrechte und nehmen ihre Mitsprache- und Mitgestaltungsrechte wahr. (...)
• Interkulturelle Verständigung: Die Lernenden nehmen die kulturelle Prägung von Kommunikation, Handlungen, Werthaltungen und Einstellungen wahr. Sie sind aufgeschlossen gegenüber anderen Kulturen und reflektieren ihre eigenen Positionen und Überzeugungen in der Kommunikation mit Menschen anderer kultureller Prägung.

Lernkompetenz
• Problemlösekompetenz: Die Lernenden planen ihren Arbeitsprozess, wobei sie die ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen sachgerecht einschätzen. Sie realisieren ihre Planungen selbstständig, indem sie die notwendigen Informationen erschließen und ihren Arbeitsfort- schritt zielorientiert kontrollieren. Sie übertragen im Arbeitsprozess gewonnene Erkenntnisse durch Analogiebildungen sowie kombinatorisches und schlussfolgerndes Denken auf andere Anwendungssituationen.
http://www.iq.hessen.de/irj/IQ_Internet ... 1e2389e481

PS: Komm, Katze aus'm Sack! "wolfgang1" ist ein netter Zweitaccount von "blizz80", oder? :)

blizz80
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Re: Referendariat und Technokratie

Beitrag von blizz80 »

@cancre
Ich weiß nicht, von welchem Kompetenzmodell Du redest, aber das Modell, das ich kenne (das hessische) zielt ganz genau auf selbstständiges Denken und soziales Engagement in einer auf Menschenrechten und demokratischen Prinzipien aufgebauten Gesellschaft ab.
Es ist m.E. völlig absurd, diesem Modell vorzuwerfen, es sei von vornherein darauf ausgelegt, eigenständiges Denken und einen Beitrag zur Vorbeugung totalitärer Strukturen zu verhindern.
Ich habe bereits weiter ob gesagt, dass einzelne Kompetenzen durchaus ''nett und demokratisch'' klingen und scheinbar nichts Neues hinzubringen oder gar misstrauen erwecken sollten. Jedoch liegt das Problem in der Idee, man könnte die menschliche Seele und einzelne Fähigkeiten, die in komplexer Wechselseitigkeit zueinander stehen, quantifizieren und in quasi griffbereite isolierte Häppchen packen. Das Problem liegt in dem Menschenbild, das dem zugrunde liegt. Der Mensch zerfällt in nicht integrierte Teilbereiche. Das kommt einer Zerstümmelung von Bildung gleich.
So funktioniert aber Bildung nicht. Kritische Individuuen bilden sich anhand bildungswirksamer Inhalte über einen langen Zeitraum. Ein solcher Prozess kann viele Variationen aufweisen und ist deshalb nicht standardisierbar.

Man kann daher nicht einzelne Kompetenzen isoliert betrachten, sondern schauen, in welchen Kontext sie eingebunden sind. Und der Kontext sieht so aus, dass von Seiten des Bildungssystems als auch gesamtgesellschaftlich ökonomokratische und technokratische Ideologien auf dem Vormarsch sind.

Im Wesentlichen sind die neuen Lehrpläne nichts weiter als eine schöne, Demokratie und Humanität versprechende Verpackung, hinter der sich eiskalte Technokratie verbirgt. Ein neuer Totalitarismus kommt eben nicht in alter Form wieder, sondern sucht sich neue Formen.

PS: Komm, Katze aus'm Sack! "wolfgang1" ist ein netter Zweitaccount von "blizz80", oder? :)
Ich jedenfalls habe es nicht nötig, mir einen ''Klon'' zu schaffen. Außerdem wäre mir das zu anstrengend. Vielleicht kannst du ja einfach nicht akzeptieren, dass es eben Menschen gibt, die eine ähnliche Position vertreten wie ich.

cancre
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Re: Referendariat und Technokratie

Beitrag von cancre »

blizz80 hat geschrieben:
PS: Komm, Katze aus'm Sack! "wolfgang1" ist ein netter Zweitaccount von "blizz80", oder? :)
Ich jedenfalls habe es nicht nötig, mir einen ''Klon'' zu schaffen. Außerdem wäre mir das zu anstrengend. Vielleicht kannst du ja einfach nicht akzeptieren, dass es eben Menschen gibt, die eine ähnliche Position vertreten wie ich.
Doch kann ich akzeptieren. Ist doch schön. :)

chrisy
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Re: Referendariat und Technokratie

Beitrag von chrisy »

Jedoch kenne ich kein anderes Land, dass so viel Unheil weltweit gesehen angerichtet hat wie die USA.


Ohne auf den ideologisch verbrämten Inhalt dieser verkürzten antiimp-weltsicht weiter einzugehn: Ich kenne eins, und ich glaub wir befinden uns beide in diesem. Und noch immer glaubt mancher in diesem Land, genau zu wissen, was der Welt denn gut tun würde, was denn die alleinige "Wahrheit" sei. :wink:
"Das deutsche Schicksal: vor einem Schalter zu stehn. Das deutsche Ideal: hinter einem Schalter zu sitzen."

wolfgang1
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Re: Referendariat und Technokratie

Beitrag von wolfgang1 »

@Freidenker
Nicht nur das allgemeine Niveau der Diskussionsbeiträge (Ich spreche von studierten Menschen) sondern auch z.B. die Satire-Verstehens-Kompetenz. -Und das im Zeitalter des hochgepriesenen Kompetenzmodells ! ...
Da kann ich Dir nur zustimmen.

Und ein Grossteil der "Satire" die heute auf allen Medienkanälen im Überfluss über die Menschen geschüttet wird, ist natürlich ganz im Sinne der nur an schnellen Profit interessierten XXXL-Konsumindustrie und anderen daran interessierten Organisationen. Diese Inflation an "hohler" Satire fördert nicht das eigenständige kritische Denken, sondern die totale Verblödung - man muss es leider so hart sagen. Dies ist "Fast-Food" für den Geist und was passiert wenn man sich weitgehend nur von McDondalds ernährt, ist ja bekannt.

Gegen hin und wieder mal McDondalds oder "hohle" Satire ist ja nichts zusagen. Es ist diese Überdosis an "Fast-Food" in allen Lebensbereichen, die immer mehr Schaden an der Gesellschaft (aber auch an der Umwelt) anrichtet (sichtbar und unsichtbar). Wobei der unsichtbare Schaden besonders gefährlich ist.

wolfgang1
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Re: Referendariat und Technokratie

Beitrag von wolfgang1 »

@Auswanderer
Ich habe dieses Beispiel der ausgeübten Souveränität gebracht in dem Wissen, dass Deutschland eingebunden ist in eine Vielzahl internationaler Bündnisse, von denen die NATO nur eines ist. Zudem ist es seit längerem so, dass nicht wenige deutsche Politiker und Diplomaten für Deutschland einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat der UN beanspruchen.
Was bitte hat ein ständiger Sitz im Sicherheitsrat der UN mit echter Souveränität Deutschlands zu tun? Auch mit einem solchen Sitz wird immer Deutschlands oberster "Dienstherr" das letzte Wort haben. Zudem ist ein solcher Sitz ethisch/moralisch nicht erstrebenswert, weil im UN Sicherheitsrat nicht die Interessen der Menschen dieser Welt, sondern die Machtinteressen einiger Staaten (und dahinter stehender Organisationen), die sich für die Chefs der Welt halten, vertreten werden.
Des Weiteren finde ich die Diskussion insgesamt zwar interessant, aber ich habe durchaus Besseres zu tun, als im Internet druckreife Kurzaufsätze in veröffentlichbarer Form zu produzieren. Ich habe in anderen Foren früher weit ausgreifendere Postings produziert, dafür aber auch teilweise zwei Stunden Zeit investiert. (Mit Recherche) Diesen Luxus leiste ich mir aus privaten und praktischen Gründen nicht mehr. Es hat meist eh keinen Sinn, weil nur auf kleine handwerkliche oder argumentative Fehler losgegangen wird und nicht mehr auf das eigentlich Gesagte. (Im Prinzip ist es auch hier so, von allen Seiten, so dass ich mich hier bestätigt sehe..)
Schröders Wahlkampfwinkelzug als glorreiches Beispiel für die Souveränität Deutschlands zu nennen, ist kein kleiner handwerklicher oder argumentativer Fehler, sondern die rosa-rote Wunsch-Denken-Brille.

Und wenn man keine Zeit für Recherchen oder das Hintergrundwissen nicht hat, sollte man sich
nicht äußern, anstatt aus der Hüfte geschossen Wunschdenken bzw. verdrehte Tatsachen in die Welt zu setzen, bloß um die Meinung von Andersdenkenden zu entkräften.
Dieses Forum habe ich immer als eine Hilfseinrichtung für Referendare und auch Junglehrer empfunden. (Sicher auch für Lehrer, die schon länger im Dienst sind und mal unabhängige Meinungen hören wollen...). Es handelt sich um kein Forum, dass der intelektuellen Selbstdarstellung dient, auch wenn einige Nutzer es als dieses nutzen und dann abschätzig auf die herabschauen, die es nicht können oder wollen.
Da sich das Ref in komplexen Zusammenhängen befindet, spricht nichts dagegen, dass es mal einen Thread, mit einem breiteren Themenspektrum gibt. Und man darf Antworten erwarten, die erkennen lassen, dass sich der Urheber wenigsten ein wenig mit dem Thema wirklich auseinander gesetzt hat. Jedoch hat diese Forderung nicht viel mit wirklich intellektuell zu tun - davon sind wir auch in diesem Thread weit entfernt.
Der heutige Schuldienst, der sicher auch mit dem vor 20 oder 30 Jahren nicht verglichen werden kann, verlangt eine gute Portion Pragmatismus.
Pragmatismus bedeutet nur allzu oft das jemand sich stromlinienförmig verhält ohne anzuecken, Das ist zwar schön bequem aber der Sache ist damit nicht geholfen.
Das Ref lässt diesen Pragmatismus aber oft nicht zu. Hier den goldenen Mittelweg zu finden ist das, was viele in diesem Forum zu vermitteln versuchen.
Ist die Frage, ob man sich nach dem Ref von diesem "goldenen Mittelweg" wieder erholen und zu seinen Idealen zurückfinden kann?
Es ist nicht der Ort sich selbst zu produzieren.
Wenn man nicht mehr weiter weiß, deckt man Andersdenkende mit solchen Vorwürfen ein. Auch ein typisches Muster.
(Meine Wenigkeit hat sich lange Zeit in Foren rumgetrieben, die an Polemik Dinge seitens der Moderation zugelassen haben, die hier zum Ausschluss führen würden, ich habe ein dickes Fell.
Das Du Deine Zeit in solchen Foren verbracht hast, war Deine freiwillige Entscheidung. Also kein Grund, dass jetzt hier als Vorwurf einzubringen.
Aber das kann man nicht von allen Menschen erwarten. In einem zweckgebunden Forum sollte man sich auch zweckdienlich verhalten. Dieser Thread tut dies nur eingeschränkt...
Sprich der Andersdenkende soll mal bitteschön seinen Mund halten, damit die Diskussion wieder in einem geistig bequemen Rahmen und auf gewohnten vorgegebenen Bahnen verlaufen kann.
Zuletzt geändert von wolfgang1 am 13.10.2011, 14:25:48, insgesamt 1-mal geändert.

wolfgang1
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Registriert: 10.10.2011, 21:28:33

Re: Referendariat und Technokratie

Beitrag von wolfgang1 »

@cancre
Ich weiß nicht, von welchem Kompetenzmodell Du redest, aber das Modell, das ich kenne (das hessische) zielt ganz genau auf selbstständiges Denken und soziales Engagement in einer auf Menschenrechten und demokratischen Prinzipien aufgebauten Gesellschaft ab.
Es ist m.E. völlig absurd, diesem Modell vorzuwerfen, es sei von vornherein darauf ausgelegt, eigenständiges Denken und einen Beitrag zur Vorbeugung totalitärer Strukturen zu verhindern.

Ich zitiere aus dem neuen Kerncurriculum für Hessen:...
Einfach aus dem Kompetenzmodell zu zitieren, ist nun wirklich keine fundierte Argumentation für das Kompetenzmodell. Das Kompetenzmodell kann ja viel behaupten (aussen Demokratie, innen Diktatur). Entscheidend ist, was wirklich dahinter steckt und wie es sich dann auf das Bildungssystem und letztlich auf die Gesellschaft auswirkt. Dazu haben sich Prof. Dr. Jochen Krautz in http://www.erich-fromm.de/%20biophil/%2 ... J_2009.pdf und eben blizz80 in diesem Thread sehr fundiert und für mich auch aufgrund meiner Erfahrungen und Beobachtungen schlüssig geäußert.

Es ist offensichtlich, dass hier eine Industrialisierung der Bildung angestrebt wird (Gründe hierfür werden bei Krautz und hier im Thread genannt). Nun gibt es aber Bereiche, die dürfen nicht industrialisiert werden. Dazu gehören z.B. Bildung oder das Gesundheitswesen.

Um beim Beispiel Gesundheitswesen zu bleiben...
Die Industrialisierung des Gesundheitswesen in Deutschland ist in vollem Gange und wir können die schrecklichen Auswirkungen sehen: Tausende unnötige OPs, der Patient als Kostenfaktor, OP-Säle müssen ausgelastet werden, Kliniken müssen Profit abwerfen, Krankheiten werden erfunden etc. Weiteres Infos z.B, hier:
http://www.swr.de/odysso/-/id=1046894/n ... index.html
http://www.swr.de/odysso/-/id=1046894/n ... index.html
http://www.vorsicht-operation.de/

Schreckliche Auswirkungen wird man auch sehen, wenn die Industrialisierung der Bildung erst so richtig in die Gänge gekommen ist. Aber dann ist es zu spät.

Natürlich ist es nicht das Kompetenzmodell alleine, dass den Boden für totalitäre Strukturen bereitet. Es ist ein Teil des Ganzen. Um das ganze Thema vollständig zu behandeln / zu begreifen, müsste man das ganze Bildungssystem, Medien etc. betrachten. Das würde aber diesen Thread dann sprengen 8)
Zuletzt geändert von wolfgang1 am 13.10.2011, 14:34:53, insgesamt 4-mal geändert.

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