Referendariat und Technokratie

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
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blizz80
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Re: Referendariat und Technokratie

Beitrag von blizz80 »

Hallo Auswanderer,

hier meine Antworten.

1. Wie kommst du darauf, dass grundsätzlich jede Kritik der SL / FL nichtswürdig und somit wertlos ist? Kannst du das für jeden Fall so nachweisen, wie du es pauschal behauptest?
Meine Formulierung war natürlich etwas hart und pauschal. Grundsätzlich ist die Sache natürlich viel differenzierter zu betrachten. Aber da ich das Kompetenzmodell grundlegend ablehne, ist auch jede Didaktik, die sich darauf stützt, für mich nicht verbindlich. Und da dieses Modell nun im Ref grundlegend ist, sind die SL keine qualifizierte Beurteilungsinstanz für mich.
2. Dass der Umbau des Schulwesens einerseits gesellschaftlich / wirtschaftlich gefordert wird und wurde, ist ja nun kein großes Geheimnis. Die Politik ist offenbar gewillt, diese Forderungen zum Teil ungefiltert in neue Schulmodelle, Lehrpläne und Dienstanweisungen zu gießen. Zur Frage: Du weißt, dass Bildung auch einer Entwicklung unterliegt und du als Profi im Bildungsgeschäft auch auf dem Stand der Entwicklung sein musst?
Nur weil etwas neu ist, muss es nicht besser sein. Lies den Aufsatz von Jochen Krautz. Er und viele andere Bildungs-Profis kritisieren vehement die gegenwärtige Umstrukturierung. Das ist dir wohl entgangen. Man hat dich wohl schlecht informiert, scheint es mir.
Auf den sog. Stand der Entwicklung pfeife ich. Das ist ein Rückschritt in der Pädagogik. Die Menschen werden um ein einzigartiges Bildungssystem betrogen. Du scheinst mir ja auch so ein intellektuell rückgratloser Lehrer zu sein, der alles ungefragt mitmacht, was die scheinbar unfehlbare Autorität verkündet.

3. Siehst du Bildung tatsächlich als eine "Kunst-um-der-Kunst-willen"-Veranstaltung an? Kann es nicht sein, dass Schule auch einen Mehrwert für die Zeit nach der Schule erbringen muss und kein reiner Selbstzweck ist?
Durch die neuen Parolen wie ''Effizienz'' werden in Wirklichkeit nicht mehr Leistungen herauskommen. Das ganze ist ein neoliberaler Betrug. Nur echte Bildung kann für einen Gesellschaft einen Mehrwert erbringen. Das Humboldtsche Bildungsystem hat das Deutsche Reich zu einer geachteten Wissenschaftsnation gemacht. Bis zu den Nazis war Deutschland weltweit die Nummer 1. Davon ist heute nicht viel übrig. Deutschland war ein Land der Dichter und Denker...
4. Bist du nicht auch der Meinung, dass dein Faschismus-Vergleich himmelweit über das Ziel hinausschießt, weil du ja sicher weißt, dass Lehrer keine freien Künstler sind, sondern Beamte oder Angestellte des öffentlichen Dienstes, bei denen der Dienstherr einen Anspruch auf Loyalität hat? (Bei allem Recht gegen bestimmte Enscheidungen zu protestieren und zu streiten...)
Genau diese Haltung hat den Aufstieg der Nazis ja begünstigt. Immer schön brav das tun was die Autorität verlangt. In diesem Sinne ist der Vergleich nicht übertrieben, sondern sehr zutreffend. Wir erleben gerade das Aufkommen einer Art Konzern-Faschismus, der sich langsam und schleichend über die gesamte Gesellschaft ausbreitet. Davon ist nicht nur das Bildungsystem betroffen.
Ich selbst habe durchaus auch so meine negativen Erfahrungen mit einzelnen SL gemacht. Dies war dann aber Sache zwischen denen und mir und ich habe meine persönlichen Konsequenzen daraus gezogen. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, das zu einem faschistoiden System hochzustilisieren, vor allem nicht, wenn man dazu pauschal über einen Kamm scheren muss.
Meine Analysen sind zwar pauschal, aber treffen doch im Kern zu und beschreiben und unheilsame Tendenz in unserer Gesellschaft. Mir scheint, dass du dich auch nicht richtig über das ganze informiert hast. Ich stehe mit meiner Haltung bei weitem nicht allein da.

Gruß
blizz80
Zuletzt geändert von blizz80 am 21.09.2011, 11:19:15, insgesamt 1-mal geändert.

blizz80
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Re: Referendariat und Technokratie

Beitrag von blizz80 »

Hallo chrisy,

ich habe um Sachargumente gebeten. Informiere dich bitte zuerst, bevor du schreibst. Meine Ansicht wird von vielen anerkannten Wissenschaftlern unterstützt.

Viele Grüße
blizz80
chrisy hat geschrieben:
4. Bist du nicht auch der Meinung, dass dein Faschismus-Vergleich himmelweit über das Ziel hinausschießt
:roll:

In der Tat.

Und wenn man weiter liest und bis hierhin kommt:
des Marionetten-Staates Deutschland
klingt das alles wie ein Kessel buntes aus Politgeschwurbel und Verrschwörungsbrei :mrgreen:
Zuletzt geändert von blizz80 am 21.09.2011, 11:19:42, insgesamt 1-mal geändert.

Freidenker
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Re: Referendariat und Technokratie

Beitrag von Freidenker »

Guten Abend !
Auf einzelne Passagen des Eingangsthread kann ich aus Zeitmanngel leider nicht differenziert genug eingehen. Das System ist schon irgendwie suspekt und äußerst kritisch zu hinterfragen.

Mir fällt bis heute jedenfalls auf, dass etlichen Fachleitern Empathie und die Betrachtung des Menschen/Schülers an sich völlig abgeht. Vergleichbar mit einem Automechaniker, der nicht weiß und auch nicht wissen will, was sich unter der Motorhaube verbirgt.

Gegen "Unterrichtsbeamte" hätte ich gar nicht mal was. Bin selbst einer. Ein Beamter lässt ab und zu Fünfe gerade sein. Aber so sind die Fachleiter ja nicht.8)
Zuletzt geändert von Freidenker am 19.09.2011, 21:38:09, insgesamt 1-mal geändert.
Ihr kommuniziert mit dem künftigen Bildungsminister !

Jeanette77
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Re: Referendariat und Technokratie

Beitrag von Jeanette77 »

...
Zuletzt geändert von Jeanette77 am 15.10.2011, 16:22:59, insgesamt 1-mal geändert.

Tlaloc
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Re: Referendariat und Technokratie

Beitrag von Tlaloc »

@blizz80

Du schlägst einen herrschaftsfreien Diskurs vor und forderst wirkliche Sachargumente
blizz80 hat geschrieben: Ich möchte versuchen, an dieser Stelle eine erweiterte Analyse vorzunehmen. Wer an einem herrschaftsfreien Diskurs Interesse hat und mit wirklichen Sachargumenten Kritik an meiner Darstellung äußern möchte, kann dies gerne tun.
und dennoch reagierst du bereits auf die ersten kritischen Nachfragen sehr persönlich, hochnäsig und beleidigend:
blizz80 hat geschrieben: Das ist dir wohl entgangen. Man hat dich wohl schlecht informiert, scheint es mir.
blizz80 hat geschrieben: Du scheinst mir ja auch so ein intellektuell rückgratloser Lehrer zu sein, der alles ungefragt mitmacht, was die scheinbar unfehlbare Autorität verkündet.
Das ist höchst unseriös und keine Stärkung deiner Argumente!
KL,
Ausbildungsleiter Schule,
Schul- und Unterrichtsentwicklung.

Denken hilft!

Auswanderer
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Re: Referendariat und Technokratie

Beitrag von Auswanderer »

@ blizz80:

Nun, ich frage mal umgekehrt: Du bist Ausbilder und dein Lehrling (Referendar), macht alles anders, als du es aufgrund deiner Tätigkeit vorgibst. Was machst du dann? Vor allem, wenn du weißt, dass du auch einen Vorgesetzten hast, dem du Rechenschaft schuldig bist. (Ich weiß zwar nicht, ob die Leute z.B. in Müchen die ganzen Protokolle der Fachsitzungen wirklich noch lesen, aber wenn man darauf baut und was anderes als das Vorgeschriebene lehrt, kann man sich ausrechnen, dass das dann zufällig gelesen wird... Murphies Law)

Des Weiteren: Ich finde bei weitem nicht alles gut und nicke ab... ich teste aber gern selber bestimmte Konzepte und erst wenn ich da Erfahrung habe (und weiß, dass Misserfolge nicht an meinen eigenen Fehlern liegen...), übe ich Kritik! Dann aber fundiert. Und es ist schön, dass viele Bildungsprofis deiner Meinung zustimmen. Es gibt aber halt sicher auch andere, die andere Meinungen vertreten.. so läuft das in der Wissenschaft, alles ist im Fluss, sollest du ja wissen. Nur kann ich mir vor der Klasse keine akademischen Spielchen erlauben, da brauche ich handfeste Abläufe.

"Effizienz" ist kein neoliberaler Begriff. Für die Schüler ist in den letzten Jahren viel dazugekommen. Da müssen sie durchaus auch eine gewisse Lerneffizienz an den Tag legen. Als Lehrer muss ich mich auf diesen Umstand einstellen und danach handeln. Und Schüler stellen heute die Frage, direkt oder indirekt: "Das ist ja alles schön und gut, aber was habe ich später davon?" Und so kann ich halt nicht einfach sagen, ihr lernt das Gedicht auswendig, weil der "Prometheus" von Goethe zum deutschen Kulturgut gehört. (Was ich übrigens durchaus glaube..)

Zum verborgenen schleichenden Faschismus: Du weißt sicherlich, dass das tolle Bildungssystem der damaligen Zeit Hitler nicht verhindert hat? Dass gerade im Geschichtsunterricht die Parolen vom Erbfeind gedroschen wurden? (Schau mal in ein Geschichtsbuch von damals...) Dass In diesem Pädagogikumfeld Gehorsam über alles ging? Notfalls auch mit Gewalt durchgesetzt wurde? Und so einem System traust du allen Ernstes zu, die Gesellschaft eher gegen den Faschismus zu wappnen, als das heutige?

Es gab keine "Nazi-Alien-Invasion", die das friedliche Deutsche "Wissenschafts"-Reich über Nacht gekidnapped hat. Da strahlen etliche Linien rein, gerade auch aus der Bildung, auch wenn die Zeit von Weimar die Zeit der großen Bildungsreformer war. (Montessorie-Schulen, Waldorf-Pädagogik, usw.)

Und um wieder runterzukommen: Du schreibst, Deutschland war ein Land der Dichter und Denker. Das ist sicher richtig. Nur Michael Ballack war auch mal Kapitän der Nationalmannschaft. Und auch wenn es echt gemein vom Lahm war, ihm, der doch verletzt war, die Binde zu klauen: Er muss damit leben und sich anders orientieren. Ballack hats langsam verstanden. Wann versteht es Deutschland?

MariusD
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Registriert: 16.08.2010, 11:54:33

Re: Referendariat und Technokratie

Beitrag von MariusD »

Hallo!
Ein solche drastische Umstrukturierung erfordert eine erhöhte empirische und theoretische Begründung. Die gibt es jedoch nicht (siehe Krautz). Das ganze ist eine Mogelpackung (genau wie PISA). Die Menschen in diesem Land werden um ein einzigartiges Bildungssystem betrogen, das in der ganzen Welt berühmt ist. Wer das auch noch gut findet, dem ist nicht mehr zu helfen...
Da stimme ich durchaus zu.
Ich finde es erstaunlich, wie kritiklos das alles angenommen wird.
Da stimme ich nur bedingt zu. Die Wirtschaft produziert eine Menge - aber gerne auch Blasen und Blähwörter. Die Bildungspläne lassen m.E. immer noch genug Freiräume, um die Kompetenzorientierung auch entgegen den Intentionen ihrer Schöpfer auszulegen. Dass Bildung auch die Aneignung einer bestimmen (humanistischen) Geisteshaltung sein sollte, kann ich bejahen. Ich glaube allerdings auch, dass sich mittels Kompetenzorientierung diese Haltung auch fundiert erarbeiten lässt. Kritisches "Bewusstsein" ist nicht ausreichend, sondern erst kritische "Bewusstheit": SuS müssen sich nicht nur aufgrund einer diffusen Einstellung im gesellschaftlichen Diskurs positionieren können, sondern auch den Weg zum Urteil lernen. Nicht umsonst wird geisteswissenschaftliche Herrschaftskritik nicht selten als utopisches Geschwafel von Realitätsflüchtlingen abgetan. Eine solche zu durchdringen und zu gestalten erfordert nämlich durchaus die Kompetenzen, welche Wirtschaft und (etablierte) Politik gerne für ihre Zwecke zur Verfügung hätten.
Ja, Opportunismus ist eine bequeme Sache. Man sitzt ja schön im gemütlichen Wohlstandsnest des Marionetten-Staates Deutschland und meint, damit gut durchs Leben zu gehen.
Das haben die Eliten geschickt gemacht. Erst die Leute Jahrzehntelang mit Wohlstand träge und dekadent gemacht. Doch die Falle schnappt langsam zu.
Entschuldige, aber das klingt mir doch allzu sehr nach links-intellektueller Rhetorik mit ihrer dramatischen Zuspitzung und ihren Antagonismen von Elite und Nicht-Elite. Über die (sicherlich vielerlei berechtigte) Kritik könnte man - sagen wir - ein ganzes Manifest füllen, deshalb möchte ich hier keine politisch-ideologische Diskussion führen. Seine Lebensziele überlasse ich für meinen Teil jedem selbst...
Ein Totalitarismus kommt nie im alten Gewand daher. Da du GE unterrichtest, müsstest du das eigentlich wissen.
Und gerade deshalb ist die Nazi-Keule - wie üblich - eine ziemlich wohlfeile Analogie. Gerade in Deutschland hat es Wirtschaft nach wie vor schwer, wirklich tiefgreifend in der Schule zu wirken. Das gesteht ja auch Krautz in seinem Schlusssatz zu. In anderen Ländern (z.B. Großbritannien) haben sich ökonomischen Logiken schon weitaus mehr etabliert. Aus Sicht des Historikers könnte man vorsichtig (!) die These formulieren, dass GB als durch und durch kapitalistisches Land eine höhere Akzeptanz und damit größeres Potential für eine Ökonomisierung der Bildung bietet. Mein Problem an links-intellektuellen Theorien liegt hier wieder in den überaus abstrakten, aber zugleich im Kern recht simplen Erklärungsmustern. Und das kann ein seriöser Geschichtslehrer - unabhängig von seiner politischen Überzeugung - nun wirklich nicht vertreten.
Visionäre Ideen oder Herrschaftskritik scheinen nicht mehr modern zu sein.
Nun, manche möchten sich beruflich oder familiär verwirklichen und sind durchaus bereit, die gegebene Form von Herrschaft zu akzeptieren, solange diese ihre Lebensziele (mehr oder weniger) unterstützt. Visionäre Ideen und Herrschaftskritik - so wie sie häufig von Linksintellektuellen entwickelt werden - ergehen sich meistens in einer für die Menschen offenkundig nicht besonders erfüllenden Utopie. Auch hier könnte man wieder ideologisch diskutieren: Mag sein, dass das gegebene Herrschaftssysteme das Verlangen nach gewissen Lebenszielen fördert und aufrechterhält, um selbst erhalten zu bleiben - mag aber auch sein, dass visionäre Ideen und Herrschaftskritik aus reiner Lust an Dissidenz resultieren können und ein Akt von Selbstgefälligkeit darstellen.

Deswegen meine ich (durchaus freundlich), dass du uns immer noch deine erweiterte Analyse schuldig bleibst, denn bisher hast du in deinen "herrschaftsfreien Dialog" schon mehr "Herrschaft" eingebracht als die gewünschten Sachargumente, die du aus einer politisch einschlägigen Publikation bloß zitierst.

ERGÄNZUNG nach Vorschaufunktion und neuem Beitrag:
Genau diese Haltung hat den Aufstieg der Nazis ja begünstigt. Immer schön brav das tun was die Autorität verlangt. In diesem Sinne ist der Vergleich nicht übertrieben, sondern sehr zutreffend. Wir erleben gerade das Aufkommen einer Art Konzern-Faschismus, der sich langsam und schleichend über die gesamte Gesellschaft ausbreitet.
Das ist nun wirklich eine sehr beliebige Analyse: Ein solches Verhalten findet sich in der gesamten Geschichte aus unterschiedlichen Gründen. Der Vergleich ist kein Teil einer scharfen Analyse, sondern du bedienst dich des Nimbus' des Dritten Reiches, um menschliches Verhalten, dass es auch anderswo zu anderer Zeit gab, zu charakterisieren.
echte Bildung
Definiere, und zwar konkret!


Durchaus noch an Diskussion interessiert und mit besten Grüßen

Marius

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