will aussteigen

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
nanu

will aussteigen

Beitrag von nanu »

Hallo!
Ich bin jetzt seit knapp zwei Jahren Vollzeit und verbeamtet dabei, das erste Jahr war noch toll, aber im zweiten Jahr habe ich jetzt endgültig gemerkt, dass das nicht lebenslänglich mein Ding sein wird. Bevor jetzt das Geunke beginnt, ich konnte mir das nicht vorher überlegen, weil ich nicht wusste, dass der Alltag mit knapp 30 Stunden nur noch Überlebenstraining ist und nur noch wenig mit Unterricht zu tun hat. Es hat nichts mehr mit Spaß/Freude zu tun und lieber verdiene ich weniger, aber dafür habe ich wieder das Gefühl zu leben. Ich brauche jetzt keine Kritik, sondern Hinweise, wie man sich einen neuen Weg eröffnet ohne den alten Weg völlig zu versperren.
Kennt ihr jemanden, der das _nach_ dem Ref gemacht hat?
Wie kann man das machen??
Danke, nanu

Tanja

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Beitrag von Tanja »

Hallo nano,

damit man dir im Forum helfen kann, muss ich vorausschicken, dass dich einige hier sicher für einen Troll halten, der mit falschem Namen und Beitrag andere Teilnehmer dazu bewegen möchte, sich zu amüsieren. Auch bei meinen Beiträgen hat man das angenommen. Ich gehe aber davon aus, dass dein Anliegen ernst ist und möchte auf folgende Situation hinweisen, die nach deiner Entlassung eintritt:

Dein Dienstherr ist verpflichtet, dich nach der Entlassung aus dem Beamtenverhältnis nachzuversichern. Problem: Die Höhe der Nachversicherung richtet sich nicht nach deinem tatsächlichen Einkommen als Beamter, sondern kann von dem Dienstherren aufgrund seiner Fürsorgepflicht und im Sinne des Beamtengesetzes „frei“ gewählt werden, d. h. um Kosten zu sparen, wirst du lediglich für die Zeit deiner Tätigkeit mit dem Mindestsatz(!) bei einem Rentenversicherungsträger nachversichert (BfA oder LVA). Fair Play kann man vom Staat nicht erwarten, denn wer aus dem Staatsdienst austritt, der bekommt das auch zu spüren.

Davon kann ich ein Lied singen (und ich war „nur“ Beamtin auf Widerruf).

Es wäre nett, wenn du uns mitteilen könntest, an welcher Schulform du unterrichtest und welche Pläne du nach dem Lehrerberuf hast. Ich bin mir leider nicht sicher, ob dir hier im Forum überhaupt jemand helfen kann, denn die Motivation vieler Teilnehmer ist noch sehr hoch, weil sie bisher nicht deine Erfahrungen machen konnten (und viele noch ganz am Anfang stehen und alles glauben, was Studienseminar und Ausbildungsschule mitteilen).

Aber in jedem Fall Kopf hoch, denn es gibt auch ein Leben außerhalb der Schule.

Tanja

nanu

kein troll;)

Beitrag von nanu »

Hallo Tanja,
danke für die schnelle Antwort. Nein, ich bin kein Troll, sondern sitze eben über 90 Schulaufgaben und Exen, die bis Montag korrigiert sein müssen.;)
Ich unterrichte sprachliche Fächer an einer beruflichen Schule und es ist noch nicht mal die Arbeitslast, sondern einfach das Gefühl, dass es das einfach nicht sein kann. Es ist auch nicht so, dass ich mich ungeeignet fühlen würde, sondern der Wunsch noch etwas Anderes mit dem Leben anzufangen als bis nachts um 12 am Schreibtisch zu versauern. Das ist kein Witz, sondern Alltag. Dazu fehlt mir dann doch der Idealismus. Ich mag meine Schüler, aber ich mag auch mich und inzwischen ist der anfängliche Spaß einem Tagezählen bis zu den Ferien gewichen. Dafür gibt es viele Gründe, z.B. auch, dass man im staatlichen Schuldienst für Mehrarbeit nicht mal ein Dankeschön zurückbekommt, dass man Kollegen hat, die selbst am Rad drehen, aber alles klaglos ertragen und so fort. Es ist in der heutigen Zeit natürlich fatal, wenn man zugibt, dass man den Lehrerjob kein Leben lang machen möchte, aber ich beneide wirklich keinen mehr, der in diesem Pool mitschwimmt. Ich habe noch nie so viele traurige und erschöpfte Leute gesehen, dank der Reformen, Stundenerhöhungen, Klassenstärken...
Pläne? Eher vage, ich liebäugle mit einem Zweitstudium, das ich schon immer wollte. Aber wichtiger ist jetzt auch erst mal die Frage nach dem Wie. Denn ich möchte mir den Weg zurück nicht endgültig verbauen, vielleicht sehe ich die Sache in ein paar Jahren ja anders.
Liebe Grüße, nanu

Scooter

Beitrag von Scooter »

Hi Nanu,

ich hab dich nicht für einen Troll gehalten, und hoffe, dass du deine Sorgen bald ausbügeln kannst.
Ich kann dir leider keine Tipps geben, da ich selber gerade erst im Vorbereitungsdienst bin, aber ich denke, die Großzahl derer, die hier sind, haben ein offenes Ohr, wenn du dich "auskotzen" willst.

Ich wünsch dir alles Gute, und auch, dass du bald wieder für dich ein angenehmes Leben hast.

Liebe Grüße,

Scooter

nanu

auch

Beitrag von nanu »

dir danke scooter. Ich wünsche dir nach Abschluss deines Vorbereitungsdienstes bessere Erfahrungen und viel Spaß im Job, der manchmal schon auch schön sein kann.;)
Grüße, nanu

Tanja

@nanu

Beitrag von Tanja »

Hallo nanu,

du schilderst in knappen Sätzen den Eindruck, den ich auch schon im Vorbereitungsdienst erworben habe. Die Realschule, an der ich unterrichtet habe, liegt mitten in einem sozialen Brennpunkt, hat mehr als 1300 SuS aus unterschiedlichsten Nationen und die damit verbundenen Rahmenbedingungen wurden durch den optischen Zustand und Zerfall der Bausubstanz verstärkt, für das die Stadt keine Verwendung mehr hätte, wenn es keine Schule wäre.

Kurzum: Es war kein Vergnügen für mich, länger als nötig an diesem Ort zu verweilen und war froh darüber, nach Schulschluss in meine Welt zurück zu kehren. Ich konnte mir beim besten Willen nicht ausmalen, in einer Umgebung tätig zu sein, die seit mehr als 30 Jahren stehen geblieben ist. Meine Kolleginnen hatten sich bereits damit abgefunden, dass die Toiletten Löcher in den Wänden hatten, die Türen der Schränke in den Klassenzimmern ohne Schlösser waren und das man froh sein durfte, wenn man in einem Klassenraum unterrichten durfte, bei dem die Sonne mal zu Gast war. Kein Scherz, wir hatten sogar Klassenräume, die im Zentrum des Gebäudes (Bunker) vorher Abstellräume gewesen sind und aus Platzmangel zu Klassenräumen „umfunktioniert“ worden sind. Ohne Fenster, nur mit Kunstlicht an der Decke und eine Dachluke, die man nicht öffnen konnte. Die einzige Zuleitung von Atemluft kam durch die Tür, die man während des Unterrichts weit offen lassen musste, während draußen auf dem Gang die Kollegen und SuS vorbei marschierten und darüber grinsten, wie man 20 Kinder in einem ehemaligen Abstellraum unterrichten sollte. Besonders für den Kunstunterricht, war dieser Raum ein Vergnügen, wo Tageslicht Luxus war (wenn man die Dachluke von knapp 40 cm x 40 cm erwähnt).

Eine Umgebung, die auf Dauer nicht nur Lehrer sondern auch Schüler deprimiert. An allen Ecken im Gebäude wurde ständig etwas „repariert“, was längst nicht mehr zu reparieren war und mir kam es mir so vor, als wäre in Deutschland der Notstand ausgerufen worden, wo jeder versucht, die Dingen für sich zu sichern, bevor sie jemand anders schnappt. Besonders der tägliche „Kampf“ um die wenigen funktionierenden OVP nahm Zustände an, die einen an den Abschnitt aller Vorratswege erinnern, wenn die Bevölkerung eines Land davon erfährt, das es keinen Nachschub mehr für die Grundversorgung gibt. Die Sicherung der Unterrichtsmaterialen und Medien glich einer Plünderung und Hortung! Kollegen, die ganz oben in der Pyramide standen, hatten für sich bereits die Gerätschaft mit dem besten Zustand gesichert. Für Lehrer, die nicht unmittelbar zur Schulleitung gehören (also keine Funktionen als Konrektoren, Medienbeauftragte oder AKO ausübten) stand der kümmerliche Rest zur Verfügung um den sich jeder Kollege mit anderen Kollegen auseinander setzen musste. Wie der Kampf um ein Stück Brot.

Doch es gab auch Hoffnung, denn weiße Kreide gab es kostenlos vom Hausmeister. Farbige Kreide selbstverständlich nicht, denn das ist Luxus, wie die Kopien, bei denen man die Vorlagen extra von DIN A4 auf DIN A5 verkleinern sollte, damit man 2 Kopien auf ein Blatt bekommt. Darüber haben sich die Schüler (und Augenärzte) besonders gefreut, wenn eine Schrift mit 12 Punkt plötzlich mit 6 Punkt zu lesen ist. Schule ist ja so ergonomisch.

Nein, es waren 1001 Gründe, die es für mich unmöglich machten, an dieser Schule meine Ausbildung weiter fortzuführen. Als die Missgunst einiger „Kollginnen“ (darüber habe ich bereits berichtet) Ausmaße angenommen hat, die sich nicht nur auf mein Äußeres konzentriert hatte, war es an der Zeit, einer Welt Lebewohl zu sagen, um es später an anderer Stelle erneut zu versuchen. Schlimmer kann es nicht mehr werden. Ich werde mich bemühen, beim nächsten Mal an einer Gesamtschule unterzukommen, denn diese Schulform ist immer noch das Lieblingskind der Bildungspolitik von NRW, wo investiert wurde, damit sich Lehrer und Schüler so fühlen, wie man es für eine Einrichtung im Jahr 2005 auch erwartet. Nicht nur die Bausubstanz ist jünger, auch die Kollegen.

Ansonsten gibt es sicher schlimmere Berufe als eine Tätigkeit im Lehramt und das ist auch der Grund, weshalb ich einen 2. Anlauf riskieren werde. Ob ich tatsächlich dabei bleiben werde, kann ich heute noch nicht sagen, denn so manche Karriere einer Frau wurde durch Heirat und Kinderwunsch frühzeitig beendet.

Alle Optionen offen halten.

Gruß
Tanja

Anastasia

aussteigen....

Beitrag von Anastasia »

Na, das hört sich ja in der Tat nach deprimierenden Zuständen an. Dies sind sicher auch Gründe, die einen bewegen können, aus dem Lehramt auszusteigen. Am schlimmsten ist aber immer noch die nervliche Belastung!
Ich werde nach dem Ref aussteigen. Ich frage mich, ob es auch Leute gibt, so wie du, Manu, die schon ein Weilchen dabei sind im festen Job und dann aussteigen. Ich frage mich auch, ob das Arbeitsamt einen zwingen kann einen Lehrerjob anzunehmen. Falls man sich arbeitslos melden muss, wenn man aufgehört hat. Weiß das jemand? Denn ich werde mich vielleicht arbeitslos melden müssen, möchte aber auf keinen Fall ins Lehramt zurück. Kann ich denn dazu gezwungen werden? Ich hoffe nicht, ich möchte nie wieder zurück (und keine Frührentnerin werden :roll: )

Anastasia

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