Krank und so ein schlechtes Gewissen....

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
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Jméno
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Re: Krank und so ein schlechtes Gewissen....

Beitrag von Jméno »

lavinia21 hat geschrieben:Ich bin einfach so erzogen worden. Man geht arbeiten und nur im Ausnahmefall macht man krank. Außerdem habe ich eben immer so ein schlechtes Gewissen und habe auch keine Lust, dass Kollegen, Eltern, Schüler denken, ich habe keine Bock auf Arbeit. […] Ich fühle mich einfach mies, mir tut alles weh und ich bin völlig ausgelaugt, weil auch die Nächte nur von Krämpfen bestimmt werden. Gleichzeitig habe ich immer öfters den Gedanken "Was denken die nur von mir"? Heute geht es mir nicht gut. Habe die Stunden in meiner Oberstufe gehalten und mich dann verabschiedet - die Stunden, die ich heute nicht halte, habe ich bereits vertreten.
Ich kann den psychologischen Hintergrund durchaus verstehen; auch in meiner Familie gibt es eine Trennung zwischen „krank sein“ (d.h. nicht gesund sein; ein Zustand) und „krank machen“ (als Handlung/Entscheidung, wegen des „krank Seins“ zuhause zu bleiben). Das hat was mit Pflichtbewusstsein und Pflichterfüllung zu tun. - Wobei es an dieser Stelle, in der geschilderten Ausprägung mit allen einhergehenden Konsequenzen einfach nicht gesund ist.

Niemand erwartet von Dir, Lavinia, künftig wegen ein wenig Kratzen im Hals oder ein bisschen Druck an den Schläfen zuhause zu bleiben. Du musst aber bei allem Pflichtbewusstsein auch sehen, dass Du bei einer schwereren Erkrankung - und just um die geht's hier ja wohl - die Wahl hast: Jetzt konsequent auskurieren. Oder verschleppen, verlängern, immer wieder dran rumlaborieren. Insofern handelst Du gerade kurzsichtig und eben gerade nicht pflichtbewusst; klüger wäre es, jetzt wieder alles daran zu setzen, gesund zu werden. Dann nämlich bist Du imstande, wieder ganz normal durchzustarten.

Und dazu gehört auch, dass Du komplett eine Auszeit nimmst. Gerade, wenn Dir Dein Ruf im Kollegium so wichtig zu sein scheint: Wer krank ist, ist krank. Sowas versteht jeder. Du aber scheinst für Einzelstunden gesund genug, bei anderen fehlst Du selektiv, holst vor oder nach. Das zu erklären, scheint mir deutlich schwieriger.
Freidenker hat geschrieben:Ich persönlich mag diesen (pseudopädagigischen) Menschenschlag nicht besonders. Das sind immer diejenigen, die den Arbeitsplatz Schule zum Leidwesen der Mitkollegen zur pädagogischen Vorhölle umwandeln.

Apropos Liebe zum Job : Ich liebe weder den Staat, noch Bezirksregierung, Bildungskommunismus, Schule (Unterricht, Konferenzen, Zeugnisschreiben, Mehrarbeit, Schüler, Kollegen, Eltern) etc. sondern meine Geliebte !
Bezüglich dieser Metadiskussion glaube ich durchaus, dass „lieben“ hier irgendwie einen Amerikanismus darstellt; die lieben und hassen auch immer gleich alles, weswegen ja auch wir auf Facebook so viele „Freunde“ haben... *hust*

Tatsächlich finde ich es aber erstrebenswert, zu sagen: Ich mag meinen Job. Das, was ich da tu - Schüler zu gebildeteren, klügeren, bewussteren Menschen auszubilden -, tu ich gerne. Es freut mich, zu sehen, dass junge Menschen aufgrund meines Unterrichts mehr wissen, mehr können, tiefere Einsichten gewonnen haben. Als Akademiker hatte ich die Chance, etwas, das ich mag und kann, zu meinem Beruf zu machen; da bin ich Profi, dafür werde ich bezahlt. Und für diesen Aspekt ist jeder gleich gut ausgebildete Fachkollege gleich gut geeignet; ich als Lehrer bin ersetzbar.

Einen „Mehrwert“ erhält mein Beruf bisweilen, wenn ich in meiner Dienstausübung mit Menschen (Schülern) Umgang habe, die ich professionell (oder, selten, auch menschlich) zu schätzen gelernt habe. Das kommt vor und ist umso erfreulicher. Auf dieser zwischenmenschlichen Schiene mag ich deutlich schwerer ersetzbar sein; sie ist durch einen motivatorischen Aspekt von meinem Berufsalltag des Unterrichtens auch nicht vollständig zu trennen. Sie ist aber in keinem Fall Hauptaspekt oder gar Ziel meines Berufes!
…он је метафора, начин живота, угао гледања на ствари!

Fränzy
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Re: Krank und so ein schlechtes Gewissen....

Beitrag von Fränzy »

Ich bin der festen Überzeugung, dass ein gewisser Grad an Liebe für den Beruf professionell ist - nicht zu viel, aber auch nicht so wenig, dass einem alles egal ist und man Dienst nach Vorschrift macht.

Lavinia, behalte Dir Dein Engagement, nur eben ohne sich dafür völlig zu verausgaben. 80% reichen auch, und du machst doch sowieso 150%.

Nach dem Motto: Wenn es schnell gehen soll, dann tue langsam
שָׁלוֹם

User65
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Re: Krank und so ein schlechtes Gewissen....

Beitrag von User65 »

Jméno hat geschrieben:gibt es eine Trennung zwischen „krank sein“ (d.h. nicht gesund sein; ein Zustand) und „krank machen“ (als Handlung/Entscheidung, wegen des „krank Seins“ zuhause zu bleiben)
Interessant. Ich hätte "krank machen" mit Vortäuschung der Arbeitsunfähigkeit übersetzt. Bei uns sagt man dazu z. B.: "Er nimmt seine Jahresgrippe." Womit man sagen will, dass sich jemand einen gelben Schein besorgt, weil er sich einfach mal einen lauen Lenz machen will, ohne überhaupt nur ein bisschen krank zu sein. Ich hatte bisher auch gedacht, dass lavinia21 befürchtet, dass ihre Kollegen genau dies annehmen könnten.

Insgesamt eine seltsame Sichtweise. Über die Dienst- oder Arbeitsunfähigkeit entscheidet doch ohnehin ein Arzt. Warum soll man dem Krankgeschriebenen deshalb einen Vorwurf machen?
krabappel hat geschrieben:Perfektionismus hingegen ist ungesund
Das sehe ich grundsätzlich nicht so - jedenfalls nicht für jeden Beruf. Wenn man als fertiger Lehrer allerdings Referendariatsmaßstäbe an seinen Unterricht anlegt, kann das so sein. Es muss eben vorher definiert werden, was perfekt ist und was nicht. Aus juristischer Sicht schuldet man dem Arbeitgeber übrigens nur eine durchschnittliche Leistung mittlerer Art und Güte. (Vgl. z. B. hier: http://www.fachanwalt-arbeitsrecht.de/c ... stung.html)
krabappel hat geschrieben:ich schätze deine Beiträge sonst sehr
Danke. Ich lese deine Beiträge auch gern.
krabappel hat geschrieben:aber was du hier schreibst ist Schwachsinn.
Es ist meine Meinung. Ich glaube eben nicht, dass die Ursachen sogenannter psychischer Erkrankungen in der Arbeitswelt in erster Linie in einer devianten psychischen Disposition des Betroffenen zu suchen sind.
krabappel hat geschrieben:Und das Schlimme ist, dadurch, dass du so etwas schreibst, verfestigst du die Meinung derer, die sich keine Unterstützung für ihren Alltag suchen, aus Sorge, irgendjemand könnte es so beurteilen, wie du das aus Unkenntnis offensichtlich tust.
Eindeutig nicht. Die Unterstützung sollte man sich aber nicht bei einem Psychologen oder Pädagogen holen, sondern bei Leuten, die einem helfen, die materiellen Arbeitsumstände zu ändern. Im vorliegenden Fall bei lavinia21 wäre möglicherweise eine Versetzung an eine "ruhigere" Schule geboten. Aber das kann natürlich nur sie beurteilen.
krabappel hat geschrieben:Was glaubst du denn, warum es Kliniken nur für Lehrer gibt?
Also das ist mir wirklich neu. Gibt es wirklich solche Lehrerkliniken?
krabappel hat geschrieben:weil halt alle einen an der Waffel haben?
Das glaube ich nicht. Ich denke aber, dass viele überfordert sind. Das bedeutet, dass von ihnen mehr gefordert wird, als sie objektiv leisten können. - Kann übrigens sein, dass ich einen an der Waffel habe, weil ich mehr als fünf Jahre mit Sozialpädagogen und Psychologen zusammengearbeitet habe. Von deren Gerede vibrieren mir noch heute die Ohrmuscheln. Aber deswegen mache ich nicht krank...
Fränzy hat geschrieben:Ich bin der festen Überzeugung, dass ein gewisser Grad an Liebe für den Beruf professionell ist
Ich finde, es reicht schon, wenn man in seinem täglichen Handeln neben dem bloßen Broterwerb einen Sinn erkennen kann, und die Tätigkeit auch damit einem nicht entfremdet ist.
Man kann auch ohne Alkohol Spaß beim Feiern haben. Aber ich gehe auf Nummer sicher.

krabappel
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Re: Krank und so ein schlechtes Gewissen....

Beitrag von krabappel »

LatinaTeacharin hat geschrieben:Geprägt haben mich die, die eine gesunde (sic!) Einstellung an den Tag gelegt haben und nach außen getragen haben, dass es sich beim Lehrerberuf um einen Beruf und eben gerade nicht um Berufung handelt.
Es hat dich jemand geprägt. Und deswegen ist es (für jeden einzelnen Schüler) nicht egal, wer ihn unterrichtet.

Es ist also nicht egal- um zum Ausgang zurück zu kommen- ob Lavinia in ihrem/seinem Beruf weiterarbeiten kann oder nicht und nicht zuletzt deswegen ist eine Auszeit mit Regenerationsphase so wichtig. Argumentiert auf der Ebene, dass jemand meint, sich nicht krankschreiben lassen "zu dürfen", weil die Schüler ohne ihn nicht klarkämen.

krabappel
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Re: Krank und so ein schlechtes Gewissen....

Beitrag von krabappel »

User65 hat geschrieben: Ich finde, es reicht schon, wenn man in seinem täglichen Handeln neben dem bloßen Broterwerb einen Sinn erkennen kann, und die Tätigkeit auch damit einem nicht entfremdet ist.
:-) das ist ja auch eine gesunde Einstellung, mit der du nicht drohst, in ein Burnout zu ziehen. Dabei sind deine Arbeitsbedingungen vermutlich nicht viel anders, als die von anderen Kollegen. Aber eben deine Einstellung. Und die kann man nicht mal so eben ändern, weil jemand im Forum sagt: "mach dich nicht verrückt". Das versteht aber m.E. nur jemand, der dieses Gefühl von enormem Druck (den man sich letztlich selbst macht) kennt.

User65
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Re: Krank und so ein schlechtes Gewissen....

Beitrag von User65 »

krabappel hat geschrieben:
User65 hat geschrieben: Ich finde, es reicht schon, wenn man in seinem täglichen Handeln neben dem bloßen Broterwerb einen Sinn erkennen kann, und die Tätigkeit auch damit einem nicht entfremdet ist.
:-) das ist ja auch eine gesunde Einstellung, mit der du nicht drohst, in ein Burnout zu ziehen. Dabei sind deine Arbeitsbedingungen vermutlich nicht viel anders, als die von anderen Kollegen.
Das ist ein Missverständnis. Ich bin kein Lehrer mehr. Ich konnte die äußeren Arbeitsumstände in der Schule nicht ändern, und deshalb arbeite ich dort nicht mehr. Meine Einstellung trifft übrigens auf meine derzeitige Arbeit nicht zu; sie ist in meinen Augen sinnlos und meiner Person nun wirklich sehr entfremdet - aber ein bisschen Geld gibt's dafür.
Man kann auch ohne Alkohol Spaß beim Feiern haben. Aber ich gehe auf Nummer sicher.

metaplanerin
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Re: Krank und so ein schlechtes Gewissen....

Beitrag von metaplanerin »

Krank und schlechtes Gewissen gleich in der Überschrift klingt aber enorm ungesund. Auch dass du anscheinend nicht weißt, was deine PKV dazu sagt, klingt für mich irgendwie seltsam. Solange du nichts verschwiegen hast - was soll denn sein?

Ob eine Lehrekraft ersetzbar ist oder nicht hängt hauptsächlich von ihrer Fächerkombination ab. Ansonsten sind wir nicht so wichtig, außer für die Lückenfüllergespräche in den Freistunden :mrgreen:

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