Existenzielle Ängste: Bin ich (noch) auf dem richtigen Weg??

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
Antworten
Stark
Beiträge: 925
Registriert: 30.05.2013, 1:23:20

Re: Existenzielle Ängste: Bin ich (noch) auf dem richtigen W

Beitrag von Stark »

Okay, ich hatte zwar die TV-L 9 wahrgenommen, aber die 38% Prozent überlesen. Dann kommt dabei tatsächlich nicht viel rum.
Allerdings sehe ich es wie kecks:

* Wenn man außerhalb des Schuldienstes im kulturellen/medialen Bereich unterkommen will, dann wird man sehr flexibel sein müssen: In Bezug auf Wohnort und in Bezug auf Vertragslänge. Das ist mühsam, aber dafür arbeitet man oft an spannenden Projekten. (Das ist auch ein Grund, warum ich die Threads mit dem Problem, das man fürs Ref 100km umziehen muss, nicht so schrecklich ernst nehmen kann)

* Ich hatte es auch schon geschrieben: Solche Jobs sind ein Sprungbrett in unbefristete Stellen. Die anderen Sachbearbeiterstellen in der KMK sind beispielsweise immerhin schon mit TV-L 11 ausgeschrieben. (Beim Auswärtigen Amt ist gerade eine Stelle für Französischdozenten mit TVöD 13 ausgeschrieben: https://service.diplo.de/stella/adverti ... ion?id=126)

* Es ging mit vor allem darum zu zeigen, dass es durchaus auch außerhalb der üblichen Verdächtigen immer wieder Stellenangebote gibt, eben zum Beispiel bei der KMK oder beim Auswärtigen Amt. Da muss man eben dran bleiben und immer wieder suchen.

@doBBy
Ganz kurz: D/E ist vom Korrekturaufwand her eine Mörderkombination. Das wird zwar mit den Jahren besser, bleibt aber insgesamt eher unerträglich. Ich kenne persönlich nur einen Deutschlehrer, der trotzdem wieder Germanistik studieren würde. ALLE anderen, die ich kenne, würden ein anderes Zweitfach wählen - NUR wegen der Korrekturen. Hier im Forum liest man manchmal andere Meinung, die gibt es also wohl auch. Nur offenbar nicht in meinem Bekanntenkreis.

Das mit der Literatur ist so eine Sache. Natürlich nehmen Deutschlehrer auch Lektürehilfen etc. zur Hand. Allerdings solltest du schon genügend Fachwissen, methodisches Wissen und Gespür für Literatur haben, um mit den Werken auch alleine klarkommen zu können. Alleine schon, um bei der Unterrichtsvorbereitung schneller voran zu kommen und im Unterricht flexibel zu bleiben. Ich möchte es einmal ganz offen sagen: Germanisten und Deutschlehrer, die kein gesteigertes Interesse an Literatur und/oder an sprachlichen Phänomenen aufbringen, sind mir sehr suspekt.
Andererseits wird deine Hauptbeschäftigung als Deutschlehrer in der Aufsatzlehre bestehen. Literatur spielt da zwar auch oft rein (Textanalyse; Charakterisierung etc.), aber oft nebengeordnet. Richtig literaturgeschichtlich wird dann ohnehin nur in den höheren Klassen gearbeitet.

Zu den Praktika:
Wenn du noch studierst, dann würde ich in jedem Fall viele außerschulische Praktika machen. In allen Semesterferien. Sobald du eine klare Vorstellung davon hast, was neben dem Schuldienst für dich in Frage kommt, würde ich vor allem in diesem Bereich Praktika machen. Denn dann gilt es, Qualifikationen zu sammeln und Networking zu betreiben. Bluebell hat mit seinen Bedenken zumindest insofern recht, als in allen geisteswissenschaftlichen Sparten entsprechende Erfahrungen erwartet werden.

Bluebell
Beiträge: 180
Registriert: 13.02.2008, 14:21:11

Re: Existenzielle Ängste: Bin ich (noch) auf dem richtigen W

Beitrag von Bluebell »

Dem stimme ich grundsätzlich auch zu und finde es deshalb nach wie vor so blöd, dass das Studium im Prinzip nur aus Theorie und ganz wenig Praxis besteht (das eine Semester Praxissemester ist ja nun auch nicht gerade das Gelbe vom Ei, denke ich, obwohl ich es noch nicht gemacht habe)
Klar, das Praxissemester ist noch nicht das gleiche wie später im Ref dann eigenständig zu unterrichten. Aber man findet doch relativ schnell heraus, ob man vor der Klasse primär Panikzustände bekommt oder ob es schon wenigstens ein Stück weißt Spaß macht, und der beobachtende Lehrer kann Dir auch ziemlich schnell sagen, wie Du vor der Klasse so stehst (also so ganz grob zwischen "kann überhaupt nichts erklären und ist die reinste Schlaftablette" und "Naturtalent" ;) ). Das Praxissemester geht auch lang genug, um doch einige Stunden in einer Klasse zu unterrichten und so herauszufinden, wie es läuft, wenn die Klasse sich mal an einen gewöhnt hat (im positiven wie im negativen Sinn)... also, um sich da grundsätzlich zu orientieren, ist es schon ganz gut, denke ich.

Was Du außerdem machen kannst, wenn Du das Praxissemester nicht in absehbarer Zeit machen kannst:
- mal als Nachhilfelehrer jobben, da merkst Du auch wenigstens ob Dir das "beibringen" Spaß macht und ob Du erklären kannst
- als assistant teacher bewerben - das ist prinzipiell eine ganz tolle Sache, allein wegen der Auslandserfahrung, und man bekommt auch noch Geld dafür

Ob ein eigenständiges Praktikum an einer Schule geht, weiß ich jetzt nicht. Vielleicht auch mal an Privatschulen versuchen, die sind vielleicht nicht an gar so viele bürokratische Hürden gebunden...?

Ansonsten: vor dem Praxissemester muss Du wirklich keine Angst haben, denke ich. Ich denke, Du musst Dich damit abfinden, dass Du ein ängstlicher Mensch bist, der sich gerne Sorgen macht ;). Deshalb bei solchen Ängsten vielleicht mehr darauf konzentrieren, die eigenen Sorgen nicht immer so ernst zu nehmen...
Wenn ich das Ganze nach dem Praxissemester schmeißen würde wäre ich mindestens 25 oder älter. DAS macht mir eben Sorgen.
Alles in den 20ern ist noch in Ordnung, denke ich. Hey, angeblich haben wir doch Fachkräftemangel und es werden händeringend Auszubildende gesucht ;).

Ich kenne jemand, der mit Mitte 30 noch eine Ausbildung in einem Bereich gemacht hat, in dem die Arbeitsberater die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben, weil es da sowieso nicht so gut aussah (kreativer Bereich)... und sie hat eine Ausbildungsstelle bekommen und danach auch einen Job!
Ich spiele auch mit dem Gedanken in den Semesterferien ein Praktikum z.B. beim hier örtlichen Südwest-Rundfunk als Mediengestalter in Bild und Ton zu machen, falls die das für so kurze Zeit der Semesterferien anbieten. Es wäre allerdings auch nur ein Praktikum. Inwiefern das meine Chancen erhöht, am Ende eines Lehramtsstudiums oder sogar nach oder während des Referendariats in so eine Sparte untertauchen zu können, weiß ich leider auch nicht.
Ich meine, jedes, und wirklich jedes, Praktikum bring Dich weiter.
Erstens lernst Du dabei Leute kennen, die Dir nachher vielleiht mal die Tür irgendwohin öffenen können.
Zweitens schnupperst Du damit in einen ganzen Betrieb hinein und lernst dabei vermutlich auch noch andere Tätigkeiten in dem Betrieb kennen, kommst also vielleicht am Ende auf eine Alternative, die Dir ohne das Praktikum vielleicht nicht mal bekannt gewesen wäre.

Ich habe auch aus jedem meiner Schüler-/Studentenjobs wirklich viel mitgenommen. Darüber, was ich kann, was ich will, was ich nicht will, und was es überhaupt alles gibt...
BaWü, E / GGk an Beruflicher Schule, 2. Jahr

Bluebell
Beiträge: 180
Registriert: 13.02.2008, 14:21:11

Re: Existenzielle Ängste: Bin ich (noch) auf dem richtigen W

Beitrag von Bluebell »

Wenn man außerhalb des Schuldienstes im kulturellen/medialen Bereich unterkommen will, dann wird man sehr flexibel sein müssen: In Bezug auf Wohnort und in Bezug auf Vertragslänge. Das ist mühsam, aber dafür arbeitet man oft an spannenden Projekten. (Das ist auch ein Grund, warum ich die Threads mit dem Problem, das man fürs Ref 100km umziehen muss, nicht so schrecklich ernst nehmen kann)
Ich stimme Dir da vollkommen zu. Man kann da reinkommen. Aber man muss auch ziemliche Opfer dafür bringen.
Für die einen ist das spannend und die Opfer nur sehr gering, und natürlich ist man dafür an interessanten Projekten beteiligt und lernt die Welt kennen. In diesem Sinne stimme ich Dir auch zu, dass es da durchaus Leute mit einer überzogenen Anspruchshaltung gibt, die ernsthaft erwarten, dass sie alles im Umkreis ihres Heimatorts machen können.

Andererseits oute ich mich hier mit der Ansicht, dass es auch durchaus eine legitime Lebensplanung ist, wenn man gern mal Familie gründen möchte - und zwar ohne Wochenendbeziehung oder Umzug alle drei Jahre - und wenn man die Vorstellung hat, irgendwann mal ein "normales" Leben leben zu können, in dem man auch mal in Urlaub fahren und sich ein stabiles soziales Umfeld aufbauen kann. Und vielleicht sogar nicht in einem anderen Bundesland als die größere Familie leben muss. (Das sind nämlich auch die Leute, die Vereine am Leben halten, die später die Verantwortung für ihre alten Eltern übernehmen können, deren Kinder in Netze eingebunden sind etc...)
Wenn man das (als Frau insbesondere) so um die 30 hinkriegen will, sollte man sich der Schwierigkeiten bewusst sein, die man in geisteswissenschaftlichen Berufsfeldern haben wird!

Es gibt nun mal schon einige Leute, die so ein Leben im Sinn haben, und das ist halt schon schwierig, wenn Du Dich für Jahre nach dem Studium von einem Projekt zum anderen hangeln musst ohne Dich auch nur darauf verlassen zu können, dass man wirklich irgendwann einen "sicheren Posten" bekommen wird.

Man kann halt eben nicht alles auf einmal haben. In diesem Sinne werbe ich für bewusste Entscheidungen, mit offenem Blick für die Vor- und Nachteile der jeweiligen Entscheidung.
BaWü, E / GGk an Beruflicher Schule, 2. Jahr

Bluebell
Beiträge: 180
Registriert: 13.02.2008, 14:21:11

Re: Existenzielle Ängste: Bin ich (noch) auf dem richtigen W

Beitrag von Bluebell »

Noch eines (meine Güte, danach ist aber auch erst mal Schluss, versprochen):

@ DoBBy: Bisher waren ja nur ganz klassische Studienfächer im Gespräch. Hast Du Dich denn schon mal gründlich informiert, was man sonst noch alles so studieren kann? Seit der Umstellung auf die Bachelor/Master-Studiengänge gibt es ja alles mögliche, und da ist auch vieles dabei, was Dich eindeutig breiter aufstellt als ein gezieltes Lehramtsstudium.
BaWü, E / GGk an Beruflicher Schule, 2. Jahr

Ritus
Beiträge: 37
Registriert: 29.09.2013, 17:16:05

Re: Existenzielle Ängste: Bin ich (noch) auf dem richtigen W

Beitrag von Ritus »

Ich musste mich auch umorientieren und war erfolgreich.

Ein studierter Lehrer ist nun mal weder Journalist, noch Verlagsmensch, natürlich wird es in dem Sektor nichts! Wie man überhaupt auf die Idee kommt, ist mir vollkommen schleierhaft. Ich werde doch von heute auf morgen auch nicht Formel 1 Pilot, ohne jegliche Vorerfahrung!

ABER: Der Lehrämtler ist ein Experte fürs Lernen, für Aus- und Weiterbildung und in dem Bereich suchen viele Konzerne Mitarbeiter für interne Schulungen! Da sind so einige Ex-Lehrämtler untergekommen. Eine Bekannte ist aktuell in Paris und organisiert dort Erasmus-Studiengänge. Eine Ex-Seminarkollegin arbeitet als verbeamtete Studienberaterin und verdient was das gleiche wie ein Lehrer. Alle mir bekannten Aussteiger verdienen sehr gut, mich eingeschlossen.

Stark
Beiträge: 925
Registriert: 30.05.2013, 1:23:20

Re: Existenzielle Ängste: Bin ich (noch) auf dem richtigen W

Beitrag von Stark »

Bluebell hat geschrieben: Man kann halt eben nicht alles auf einmal haben. In diesem Sinne werbe ich für bewusste Entscheidungen, mit offenem Blick für die Vor- und Nachteile der jeweiligen Entscheidung.
Wir sind schon wieder an dem Punkt, an dem wir diskutieren, ohne uns wirklich zu widersprechen ;)
Denn das stimmt im Prinzip schon, es geht nur darum, dass den Studenten im Vorfeld bewusst ist, worauf sie sich einlassen (- und das gilt auch für die vielen, vielen Abiturienten, die gerne "was mit Medien" machen wollen). Allerdings gebe ich zu bedenken, dass gewisse Ziele (Sicherheit; Familiengründung; das familiäre und soziale Umfeld) für einen 19-Jährigen einfach noch keine Priorität haben. Daran denkt man gar nicht, und wenn man darauf gestoßen wird, dann hält man sich für die große Ausnahme. The World is your Oyster.
Ich glaube, daran ändert auch Aufklärung und Information nichts.
Ritus hat geschrieben: ABER: Der Lehrämtler ist ein Experte fürs Lernen, für Aus- und Weiterbildung und in dem Bereich suchen viele Konzerne Mitarbeiter für interne Schulungen! Da sind so einige Ex-Lehrämtler untergekommen. Eine Bekannte ist aktuell in Paris und organisiert dort Erasmus-Studiengänge. Eine Ex-Seminarkollegin arbeitet als verbeamtete Studienberaterin und verdient was das gleiche wie ein Lehrer. Alle mir bekannten Aussteiger verdienen sehr gut, mich eingeschlossen.
Danke! Das ist genau der Punkt, auf den ich hinaus wollte, mit meinen Beispielen! Wobei ich trotzdem denke, dass es möglich ist, sich auch im Lehramtsstudium ein medien- oder verlagsorientiertes Profil zu schaffen, wenn man frühzeitig mit Praktika etc. beginnt.

Ritus
Beiträge: 37
Registriert: 29.09.2013, 17:16:05

Re: Existenzielle Ängste: Bin ich (noch) auf dem richtigen W

Beitrag von Ritus »

User65 hätte mit seiner kaufmännischen Ausbildung+ Lehramtsstudium wunderbar als Training Manager arbeiten können. Gehalt 40-60t 8 (weiß ich, da ich es selbst mache).


Sie verfügen über einen Hochschulabschluss in Sprachwissenschaften oder einen vergleichbaren Abschluss
Zudem können Sie mehrjährige Berufserfahrung als Trainer für Sprache, Motivation und Kommunikation sowie eine Trainerlizenz nachweisen
Ihre Deutsch- und Englischkenntnisse sind überdurchschnittlich gut (TOEFL, TOEIC oder ähnliches) und im Umgang mit MS Office sind Sie sicher
Kommunikationsstärke, Empathie und Durchsetzungsvermögen runden Ihr Profil ab


http://www.stepstone.de/stellenangebote ... 1&ssaPOR=1


Passt perfekt auf einen studierten Sprachenlehrer...

Antworten