Das Referendariat ist nicht so schlimm!

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
Gast

Re: ...

Beitrag von Gast »

Ich neige dazu, Frauke zuzustimmen und muss sagen, dass ich etwas "verwundert" war, dass du, Tanja, noch in den Schuldienst willst, wo du doch da zum "Wrack" gemacht wirst?
Aber dann las ich, dass du Gründe hast: die sichere Pension!
Tanja hat geschrieben:Hi!
Aber was macht man nicht alles für eine „sichere“ Pension oder Rente, die man später genießen kann …
Ich hoffe, ehrlich gesagt, auch, dass das nicht dein einziger Grund ist...

Übrigens war mein Studium auch weitgehend locker und nicht mit der beruflichen Tätigkeit zu vergleichen, die ja auch das Ref darstellt.

Es gibt doch so viele Berufe, Tanja! Wenn du diesen "Horrorberuf" der Lehrerin nur aus Sicherheitsgründen ausübst, gehst du wirklich vor die Hunde.

Gruß,
Melosine

Tanja

Ein paar Gedanken ...

Beitrag von Tanja »

Hallo, Frauke!

Ich sollte kurz vorausschicken, dass sich im Forum auch Lehrer (die auf Lehramt studiert haben) zu Wort melden und ihre Jobsicherheit, die damit verbundenen Einkünfte und nicht zuletzt ihre Alterssicherung an Stellen betonen, wo man es nicht von ihnen erwarten würde.

Wären diese Lehrer, die u. a. für sich in Anspruch nehmen, „nur“ der SuS wegen Lehrer geworden zu sein, wirklich „berufen“, wie viele von ihnen angeben, dann wären wir sicher schon ein großes Stück weiter in der Bildungspolitik. Doch der zweite Blick in eines der vielen Lehrerzimmer offenbart die traurige Wirklichkeit. Die Kritik der Lehrer über ihre berufliche Belastung verstummt nicht und der Mammon des schönen Seins wird für die Öffentlichkeit gerne aufrecht erhalten, um von der Tatsache abzulenken, dass man eben nicht(!) wegen der Kinder und Jugendlichen den Beruf ergriffen hat, sondern eben wegen plumper Motive wie Einkommen, berufliche Sicherheit und der Altersversorgung – besonders dann, wenn der Beamtenstatus winkt!

Das übliche Märchen (auch in diesem Forum sehr oft im Mittelpunkt der Beiträge zu lesen), dass Lehrer einzig(!) und allein(!) der SuS wegen Lehrer werden, glaubt eh niemand mehr, denn dafür ist das Jammertal derer viel zu laut geworden, die sich über die „Umstände in ihrem Beruf an Schulen“ lautstark beschweren! Und die stetig wachsende Kritik verstummt leider nicht, sondern wird Angelegenheit der Gewerkschaft, die von all den „tollen Pädagogen“, die ihren Beruf einst mit Leib und Seele ergriffen haben (vermutlich steht das so oder ähnlich in ihren Bewerbungsunterlagen) um Beistand gebeten wird.

Berufung? Nicht doch! Mach dir doch selbst nichts vor, denn es dreht sich alles nur ums liebe Geld – und selbst an Orten wie der Schule gibt es keine Ausnahmen. Von den insgesamt 77 Kollegen, die an meiner Ausbildungsschule tätig sind, ist zu keinem Zeitpunkt das Wehklagen im Lehrerzimmer verstummt, wenn man über den Beruf spricht. Lehrer/innen sind keine Heiligen und sie sitzen auch nicht an der Schule um Wunder zu vollbringen. Sie machen einen Job, für den sie vergütet werden und jeder(!), der diese Bahn einmal eingeschlagen hat, wird auch nur der Sicherheit wegen an diesem Job festhalten. Belügt dich also nicht selbst und andere erst recht nicht.

Lehrer (aber auch andere Staatsdiener wie Politiker, denn mehr als 60 Prozent der Abgeordneten im Bundestag waren einst Lehrer) verstehen es mit Worten prächtig umzugehen und sie lenken gekonnt davon ab, wenn man sie auf die wahren(!) Motive anspricht, weshalb sie gerade diesen(!) Beruf ergriffen haben und keinen anderen. Die Antworten klingen zwar meistens gut, aber sind ebenso oberflächlich wie gegenstandslos. Der Mensch ist ziemlich einfach gestrickt: Belaste ihn physisch und psychisch. Gib ihm etwas und nimm ihm etwas weg. Beobachte ihn und wiederhole den Prozess. Jede Maske wird fallen. Ehrlich ist man nicht, solange der Verstand bei der Sache ist und man genug Zeit hat zu denken. Ehrlich sind nur Menschen, die unter Druck stehen, die nichts zu verlieren haben. Haben Lehrer etwas zu verlieren? Wozu sollten sie ehrlich sein? Erst wenn den Lehrern das gleiche Schicksal drohen würde, wie Arbeitnehmern, die aufgrund von Massenentlassungen ihren Job verlieren, wären wir an einem Punkt, über den Beruf unbefangen zu sprechen und ihn zu reformieren. Doch solange es den Menschen in den Lehrerzimmern und in anderen Räumen auf staatlichem Hoheitsgebiet „gut“ geht, trägt jeder weiter seine Maske, aus Scham sich für die Wahrheit zu offenbaren – zu opfern!

Das zeigt mir unweigerlich, welche Motivation wirklich dahinter steckt, den Lehrerberuf zu ergreifen. Von den Nebenschauplätzen sollte man sich nicht beeindrucken lassen, diese lenken nur ab.

In der Tat werde ich mir die Sache mit der Rückkehr in den VOB noch mal reichlich überlegen müssen, zumal sich weitere Kollegen/innen (stolze 3 an der Zahl innerhalb von den letzten 4 Wochen) aus meinem ehemaligen Seminar verabschiedet haben um in ihren Berufsfeldern zurück zu kehren, für die sie „wirklich“ qualifiziert worden sind. Es ist zwar schön zu wissen, dass Vater Staat keinen Unterschied zwischen einem Seiteneinsteiger mit anerkannter I. Staatsprüfung und einem Absolventen mit Lehramtsstudium macht, aber zu viel sollte man darauf wirklich nicht geben, denn nicht Vater Staat macht später den Job an der Schule sondern jeder (für sich) selbst. Die kurze Zeit der Schmeichelei, als Seiteneinsteiger die I. Staatsprüfung für das Lehramt geschenkt bekommen zu haben, ist just in dem Augenblick vorüber, wo es darum geht, sich den Aufgaben zu widmen, für die man eingestellt worden ist. Und ab diesem Zeitpunkt unterscheidet man dann die Seiteneinsteiger in 3 Gruppen:

Gruppe 1 (zu denen auch ich mich zähle): Die Abenteurer und Entdecker
Sie sind froh darüber, mit ihrem Berufsabschluss eine weitere Qualifikation erworben zu haben und sehen darin die Chance, in ein neues Berufsumfeld hineinzuschnuppern, das gesellschaftlich umstritten ist. Doch weder ist es ihre Absicht einmal Lehrer/in zu werden, um auf ewig im Schuldienst zu bleiben, als vielmehr die Lust, etwas Neues auszuprobieren.

Gruppe 2: Die Hosenmatze
Sie sind froh darüber, nach vielen Jahren der Erwerbslosigkeit ein warmes Plätzchen gefunden zu haben (zumindest für die nächsten 2 Jahre). Diese Seiteneinsteiger haben das Talent, ihren Kopf besonders tief in das Hinterteil der Leute zu stecken, von denen sie ihr Überleben abhängig machen. Im Grunde sind es Seiteneinsteiger, die bereits seit Geburt unter Minderwertigkeitskomplexen leiden und die auch später jede ihrer Schritte nach Sinn und Unsinn hinterfragen. Getreu dem Motto: „Das Leben findet ohne mich statt“ ist der Wunsch nach Fürsorge und Sicherheit so ausgeprägt, das sie im Staatsdienst keine Herausforderung sehen, sondern vielmehr die Rückkehr zu ihren Wurzeln. Sie zeichnen sich dadurch aus, das sie in der Gruppe keine eigene Meinung vertreten, vor dem Betreten eines Raums an die offene Tür klopfen, obwohl der Raum leer ist und auch sonst vor einer Klasse unterrichten, als ginge es nur darum, die Zeit tot zu schlagen. Erschreckend ähnlich sind Seiteneinsteiger der Gruppe 2 mit Lehrern, die tatsächlich für das Lehramt studiert haben – sehr zur Freude der Seminar- und Schulleitung.

Gruppe 3: Die Tapferen (Selbstmörder auf Raten)
Sie sind froh darüber, einen Platz in der Gesellschaft gefunden zu haben. Obwohl sie vielseitiger qualifiziert sind als ihre Kollegen mit Lehramtsstudium, haben sie bereits Misserfolge in der freien Wirtschaft erfahren müssen und das hat sie gleichgültig werden lassen. Die Freude an den Dingen steht nicht mehr im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit sondern nur die Bewältigung von Aufgaben. Obwohl viele darunter sind, die vor dem VOB keine Sekunde an eine eventuelle Tätigkeit mit Kindern und Jugendlichen gedacht haben, richten sie ihr Leben kurzfristig nach eben diesen Aufgaben aus. Das macht sie zwar nicht glücklich, aber an Glück und Freude haben diese Seiteneinsteiger längst Glauben und Hoffnung verloren. Man erkennt sie im Seminar an ihrem fortgeschrittenen Alter, ihren „überirdischen“ Qualifikationen, die für eine Tätigkeit im Lehramt viel zu schade sind sowie an den Titeln, die sie vor ihren Namen mit sich führen. Ein Doktortitel ist für sie das Minimum, langjährige Auslandserfahrungen und diverse Lehrtätigkeiten an namhaften Universitäten eine Selbstverständlichkeit. Kompetenz und Erfahrungspotential auf höchstem Niveau. Doch an Schulen werden diese Perlen in den Dreck getreten – vor lauter Missgunst dürfen manche von ihnen nicht mal die Titel an der Schule führen, damit sich die Kollegen und die Schulleitung angesichts akademischer Höchstleistungen nicht minderwertig fühlen. Akademiker, denen das Leben übel mitgespielt hat und die im Lehramt den letzten Hafen sehen, bevor das Schiff ganz unter geht. Sie sind intelligent und reif genug um zu wissen, dass man den Verstand über Jahrzehnte kontrollieren kann, aber nicht die Seele und den Körper. Einige von ihnen werden sogar geniale Lehrer, die Herz und Fachwissen kombinieren. Sie tragen tapfer eine Maske, aber sie leiden und verfallen früher oder später in Depressionen.

Fazit

Zwar sollte man nicht jene Seiteneinsteiger vergessen, die in Gesprächen immer vorgeben, dass sie schon immer Lehrer werden wollten und mit der Anerkennung der I. Staatsprüfung die Chance dazu erhalten haben. Doch das ist Unsinn und diese Leute gehören entweder zu einer der o. a. Gruppen oder sie sind eine Kombination aus mehreren Gruppen, was durchaus in Frage kommt.

Insbesondere Seiteneinsteiger aus Gruppe 1 können sich für viele Berufe erwärmen, wenn sie mehr als nur ein Abenteuer suchen. Viele von ihnen finden Freude an ihrer Tätigkeit, aber das muss nicht bedeuten, dass sie bei der nächst besseren Gelegenheit Lehrer bleiben, denn sie nehmen das Leben so wie es ist: Ein großer Haufen voller Möglichkeiten, um das Glück zu finden, das jeder von uns sucht.

In diesem Sinne,
Tanja

malinka
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Registriert: 19.10.2005, 21:03:10

Beitrag von malinka »

Ich find das Referendariat (bin jetzt seit Februar dabei) bisher auch ganz o.k.! Zwischendurch kann man sogar noch Spaß haben und in der Schule ist es auch meistens gar nicht mal so schlimm.

KTS

!

Beitrag von KTS »

Ich finds auch ok, aber ich hatte auch Glück mit allem und bin gut klar gekommen, ich möchte nicht wissen, wie sich jemand fühlen muss, der es etwas härter hat, wirklich nicht...

Wo ist eigentlich Beatrice?

Katja

Beatrice

Beitrag von Katja »

Das frag ich mich auch schon länger! Beatrice, bzw. Tanja erkannte man immer an ihrem unverwechselbaren, unterhaltsamen Schreibstil. Leider ist sie schon länger nicht mehr in Erscheinung getreten, ich glaube, seit den Sommerferien.
Beatrice, hast du im Ausland einen Job gefunden? oder die Erleuchtung, oder beides? Lass doch mal wieder von dir hören, auch gerne off topic ..... :) :wink:

Gruß Katja

Queerie
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Registriert: 10.10.2005, 22:40:50

Das Referendariat ist nicht so schlimm!

Beitrag von Queerie »

Die Schule ist ein in sich geschlossenes Beamtensystem. Seitdem sie ihren Personalbedarf nicht mehr mit "Internen" abdecken kann, ist sie gezwungen, Menschen, die nicht in dieses System hineingewachsen sind, mit hineinzunehmen und "auszubilden". Das sind häufig Menschen, die bereits Lebens- und Unterrichtserfahrungen mitbringen und "Titel", die möglicherweise für die Schüler/innen und Schule, richtig eingebunden, eine große Chance, da Zusatz Kompetenzen, Bereicherungen, darstellen. Was aber macht das "geschlossene System" mit diesen "Außerirdischen" (den Seiten-und Quereinsteigern)? Sie machen dem System Angst! Ein System ist nur so gut, wie es in der Lage ist, sich flexibel zu erneuern und Bereicherungen von außen kreativ zu integrieren. Das Schulsystem scheint dazu nicht in der Lage zu sein, es ist starr und in seinen verknöcherten, nicht wirklich auf die Kinder und Jugendlichen ausgerichteten Strukturen veraltet. Genauso wie die Ausbildung, das Referendariat. Dinge, die eigentlich nicht mehr funktionieren sind nur mit Sanktionen und großem Druck anzubringen. Verkehrte Welt!

Schaf
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Re: Korrektur wegen falscher Interpretation!

Beitrag von Schaf »

Tanja hat geschrieben: Meine Gegenüberstellung betrifft das Studium vs. VOB! Beides sind Ausbildungen, von einem Job also weit entfernt! Schließlich vergleiche ich auch nicht den Job als Architektin mit dem Job als Lehrerin. Es geht nur(!) um die Ausbildung und deren Inhalte und Organisation.
Entschuldigung, aber wenn Du dann was vergleichen willst, mußt Du schon das Lehramtsstudium und das Architekturstudium miteinander vergleichen. Mir wäre nicht bewußt, daß der Vorbereitungsdienst einem Archuitekturstudium gleichzusetzen ist. Klar, das ist Klugscheißerei, aber für das Studium hast Du kein Geld bekommen.

Ich will auch gar nicht sagen, daß das Ref nicht anstrengend sein kann, aber es hat auch seine schönen Seiten. Und ich habe nicht das Gefühl an Seminar und Schule nur unnützen Kram erzählt zu bekommen. Auch unsere Meinung ist gefragt. Und das Schönste bei allem ist doch, wenn die Schüler einem sagen, daß man ein guter Lehrer ist, weil ma so nett und lustig ist. Ich mag meine Schüler und mach das gerne für sie. Natürlich hoffe ich auch, daß meine Fachleiter auch toll finden, was ich mache, aber wenn ich von den Noten mal absehen kann, ist mir doch die Meinung meiner Schüler wichtiger!
Tanja hat geschrieben: Sie machen einen Job, für den sie vergütet werden und jeder(!), der diese Bahn einmal eingeschlagen hat, wird auch nur der Sicherheit wegen an diesem Job festhalten. Belügt dich also nicht selbst und andere erst recht nicht.
Diese Aussage finde ich ehrlich gesagt ziemlich unverschämt. Nur wegen Deiner Erfahrungen kannst Du doch nicht die Keule für einen Rundumschlag rausholen und sagen, daß ist immer so und da kann mir keiner was anders erzählen!

Ich gebe ja gwerne zu, daß ich gegen Ende des Studiums auch mal Zweifel an meiner Berufswahl hatte, weil ich in einem meiner beiden Fächer sehr aufgegangen bin und mir auch hätte vorstellen können, in der Richtung was zu machen. Trotzdem wollte ich schon lange diesen Beruf ergreifen und bin froh, da zu sein, wo ich jetzt bin, weil mir die Schüler einfach auch viel zurückgeben!

Liebe Grüße,

Schaf

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