Abbruch oder kämpfen?

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
Pisili
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Abbruch oder kämpfen?

Beitrag von Pisili »

Hallo Leute,

ich weiß Threads dieser Art gibt es schon genüge und ich habe sehr viele von ihnen auch schon gelesen. Ich befinde mich gerade an einem absoluten Tiefpunkt und weiß nicht mehr weiter. Ich erhoffe mir hier Rat und auch einfach die Möglichkeit mal alles runterzuschreiben.

Ich bin seit Mai Referendarin in NRW an einer Hauptschule. Zu Beginn lief noch alles gut, aber seit den Sommerferien befinde ich mich in einer regelrechten Abwärtsspirale .
Ich habe das Gefühl es brennt an allen Ecken. Ich habe massive Probleme in der Unterrichtsvorbereitung. Die Vorbereitung einer Stunde dauert ewig und trotzdem sind sie alles andere als gut. Mir fehlen gute Ideen und das Geschick, das Wesentliche zu erkennen. Oft fällt es mir schwer die Dinge schülergerecht zu erklären, obwohl ich jahrelang Nachhilfe gegeben habe.

Das schlimmste sind aber im Moment die Unterrichtsbesuche. Ich habe einen UB in 3 und den nächsten in 5 Wochen und einfach keine Ideen was ich zeigen könnte. Ich setze mich damit so unter Druck, dass ich den ganzen Tag an nichts anderes mehr denken kann. Das macht meine Alltagsstunden dann noch schlechter. Ich habe ständig das Gefühl, das nichts was ich mache gut genug ist und mittlerweile wirkt sich das absolut auf meine Motivation aus. Gerade jetzt sollte ich Unterricht vorbereiten, stattdessen durchforste ich Foren nach Alternativen und Leidensgenossen. Zwei Unterrichtsbesuche hatte ich schon. Die waren gut, aber das hat mir wirklich alles abverlangt. Stundenlanges recherchieren, planen, umschmeißen, neu planen. Und dann massive Prüfungsangst am Tag der Stunde.

Ich überlege mittlerweile das Referendariat abzubrechen, ich denke ich bin nicht stark genug dafür und zudem auch keine gute Lehrerin. Meine Eltern und Freunde hingegen sagen, dass ich doch einfach weitermachen soll bis ich dann wirklich mal schlechte Noten bekomme. Vielleicht sei es alles gar nicht so schlimm? Den Abschluss zu bekommen wäre das Wichtigste, danach könne ich mich immer noch neu orientieren. Aber wie soll ich das machen, ohne Ideen für Besuche?

Ich weiß das klingt hier alles nur nach jammern, aber ich denke es hängt mit einem massiven Selbstwertproblem zusammen. Ich war immer in allem gut und jetzt merke ich mal, das ich etwas nicht gut kann und damit komme ich nicht gut klar. Ich merke nun auch immer stärker das der "Arbeitsplatz zu Hause" ein großes Problem für mich ist. Was es bedeutet nie richtig Feierabend zu haben, hatte ich wohl unterschätzt.

Meine Ausbildungsschule ist an sich übrigens Top. Meine Ausbildungslehrer und Mentoren versuchen mich zu unterstützen wo sie können, aber wenn man keine Ideen hat, kann man auch nichts verbessern. Auch mit den Schülern komme ich gut aus. Das ist auch das was mich am meisten davon abhält einfach nicht mehr hinzugehen.

Leider kann man das Referendariat in NRW nicht wieder aufnehmen, wenn man es abgebrochen hat, aus diesem Grund fällt die Entscheidung auch so schwer. Es ist eine Entscheidung für das ganze Leben...die ganze Situation nagt wirklich sehr an mir. Schlaflosigkeit und Heulkrämpfe sind an der Tagesordnung...

Habt ihr vielleicht einen Rat für mich? Was kann ich tun um eine Entscheidung zu treffen?

Viele Grüße von einer leicht konfusen Pisili

Katta
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Re: Abbruch oder kämpfen?

Beitrag von Katta »

Ich kenne dich nicht, aber ich würde sagen: Mach weiter.
Die Erfahrung, auch mal mit etwas Schwierigkeiten zu haben ("Ich war immer in allem gut und jetzt merke ich mal, das ich etwas nicht gut kann und damit komme ich nicht gut klar.") ist extrem lehrreich und wird dir massiv helfen (glaub mir, ich spreche aus Erfahrung, ich bin im Ref auch sehr hart aufgewacht/ das erste Mal wirklich gescheitert - zugegeben, es ist ein sehr harter Weg, aber ich finde, definitiv wichtig).

Du hast das Problem, was viele Lehrer haben: Abschalten und Auszeiten nehmen.
Nimmst du dir bewusste Auszeiten? Also nicht vor der Arbeit wegrennen und statt dessen im Forum surfen, sondern ein Hobby, das dir Spaß macht, regelmäßig treffen mit Freunden (bei denen es nicht (nur) um Schule/ Ref geht)? Das ist massiv wichtig, nicht nur für das Referendariat - eigentlich fast noch mehr für nachher, weil die Aufgaben einfach immer mehr werden.
Und das kann man lernen. Genau so wie man das mit dem "Arbeitsplatz zu Hause" lernen kann.
(Gut, es gibt Leute, die das wirklich nie können werden, aber das fände ich an deinem Punkt jetzt zu früh, das schon zu entscheiden.)

Ich habe übrigens niemals drei bis fünf Wochen vorher gewusst, was ich in einer Lehrprobe zeigen werde. Ich war immer (und bin es noch) ein absoluter last-minute-Mensch. Das ist in dem Job nicht immer hilfreich - mir geht es aber um Längen besser, seit ich mich so akzeptiert habe und mir nicht noch zusätzlichen Stress mit Vergleichen ("andere Refs haben immer schon alles fertig") oder "hätte-könnte-sollte" gemacht habe. Meine Stärke liegt dann nämlich darin, dass ich (z.B. im Gegensatz zu meiner Kollegin, die immer sehr viel im Voraus plant) sehr lange sehr konzentriert am Stück arbeiten kann.

Also zusammenfassend:
Sieh zu, dass du einmal in der Woche eine richtige Auszeit nimmst (nicht Prokrastinieren, Auszeit!).
Finde heraus, wie du arbeitest und akzeptiere dich so. Vergleiche nicht mit anderen oder wie es vermeintlich sein sollte. Play to your strengths!
Und zeige im Zweifel halt eine "Brot-und Butter-Stunde". Jedes Mal Feuerwerk geht weder noch muss es sein. Davon wird die Welt nicht untergehen.

Wenn es irgendwann wirklich nicht mehr gehen sollte, kannst du immer noch umsatteln, aber vorher würde ich eher ein Coaching machen, wie du dein Selbstmanagement und vor allem Selbstwertgefühl verbessern kannst. Für mich klingst du so nämlich nicht nach einem Abbruch-Kandidat.

Feuerkopf
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Re: Abbruch oder kämpfen?

Beitrag von Feuerkopf »

Ich war wegen ähnlicher Problematik (nur schon extremer) nun für über 6 Monate krankgeschrieben.
Ich habe auch ans Abbrechen gedacht, habe Alternativen gesucht, fühlte mich absolut nutzlos, wertlos und überfordert. Ich habe eine Therapie gemacht in einer Tagesklinik. Jetzt geht es mir wesentlich besser. Seit einigen Wochen bin ich nun wieder im Schuldienst und glücklich.

Ich habe gelernt, meine Arbeit auch zu Hause zu strukturieren und auch mal was liegen zu lassen. Ich habe auch gelernt, mich selbst nicht zu wichtig zu nehmen. Wenn mal ne Stunde daneben geht oder auch einige mehr, dann ist das nicht schlimm, sondern es gehört zu unserem Lernprozess. Die Schüler werden darunter nicht leiden. Ich arbeite jetzt zu Hause immer anderthalb Stunden, mache dann eine Stunde Pause und mache etwas, was mir Freude macht.

Ich habe auch zu Hause nun zwei Schreibtische stehen. Auf dem einen liegt das Chaos pur und mein PC steht da. Der andere ist ausschließlich für die Arbeit für die Schule gedacht. Da steht mein Netbook und er ist sonst aufgeräumt. Meine Bücher stehen im Schrank, so dass ich sie auch nicht immer ansehen muss.

Und ganz wichtig ist: Such dir ein Hobby. Eines, das nicht furchtbar zeitaufwändig, aber was dich dennoch glücklich macht. Und nimm dir einen bis zwei Tage Auszeit pro Woche, an denen du nur begrenzt bis gar nicht arbeitest. Ich arbeite am Wochenende jeweils höchstens anderthalb Stunden. (Wenn natürlich ein UB ansteht könnte das mal mehr werden, ich werde sehen ;-) )

Ich würde dir raten, wenn es dir wirklich schlecht geht, lass dich krankschreiben, lass dir helfen und mach dann frisch gestärkt weiter. Oder entscheide dich in der Phase der Krankschreibung dazu, abzubrechen und ordne dein Leben.
Zumindest aber solltest du dir ambulante Hilfe suchen. Therapie oder auch die Lebensberatung der Kirche.

Ich wünsche dir alles Gute!

reffi25
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Re: Abbruch oder kämpfen?

Beitrag von reffi25 »

Hallo,

ich kann deine Ängste absolut nachvollziehen, denn genauso ging es mir im Referendariat und auch noch in dem Jahr danach, in dem ich als Angestellte gearbeitet habe (bei Interesse, unter "Allgemein" findest du dazu meinen Thread "Dumme Fehler und Panik", der das ziemlich umfassend dokumentiert ; - ))

Ich habe damals meine Entscheidung von folgender Frage abhängig gemacht: Wovor habe ich mehr Angst? Vor dem Bleiben oder vor dem Gehen?

Es gibt so etwas wie eine innere Stimme, die dir sagt, was zu tun ist.
Wenn du Selbstwertprobleme hast, aber eigentlich gute Ideen und gutes Fachwissen mitbringst, das du auch einsetzen kannst, sobald du angstfrei bist, dann ist das kein Grund zu wechseln, denn am Selbstwert kann man arbeiten, und auch die Beziehung zu den Schülern verbessert sich mit einem besseren Selbstwertgefühl.

Mir fehlt in dem Ganzen die Stimme deiner Ausbilder. Was sagen die denn dazu?
Bei mir war es so, dass einer von den beiden zumindest vorsichtig an mich geglaubt und mir das vermittelt hat. Der andere war fest davon überzeugt, dass ich es nicht schaffe und kein guter Lehrer bin - das lag aber im Nachhinein auch an ihm und seiner recht dogmatischen Haltung. Auch wenn Ausbilder sich irren können, würde mich interessieren, was deine über dich sagen. Ich vermute irgendwie, dass die von deinen Selbstzweifeln noch nicht allzu viel mitbekommen haben, kann das sein?

Liebe Grüße, reffi25 (inzwischen eigentlich keiner mehr)

reffi25
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Re: Abbruch oder kämpfen?

Beitrag von reffi25 »

PS. Eine Stunde wird nicht besser davon, dass du stundenlang über sie nachdenkst! Ich verwende inzwischen recht häufig Angebote der Fachverlage oder Material von Kollegen und denke mir nur noch einen Einstieg, eine Vertiefung etc. dazu aus. Ich tausche auch gerne mit Kollegen, das lohnt sich! Leute, die wie Drachen ihren Materialschatz hüten, sind mir inzwischen ein Dorn im Auge. Natürlich gilt das auch für mich - alles, was ich erarbeite, gebe ich auch an Kollegen weiter.
Mir hat im Referendariat geholfen, den Unterricht direkt vor dem Schultag vorzubereiten, meist bin ich dafür nachts aufgestanden und hatte dann ca eine bis eine halbe Stunde pro Unterrichtseinheit. Die Stunden waren nicht schlechter als solche, für die man sich extra den ganzen Nachmittag freiräumt. Das war meine Notlösung in der schlimmsten und stressigsten Zeit des Referendariats, weil ich so zumindest nach der Schule so etwas wie einen ungestörten Abend/Spätnachmittag hatte.
Inzwischen kann ich mich besser begrenzen und mache Reihenplanungen in den Ferien oder am Wochenende - gleich fünf bis zehn Stunden hintereinander. Dadurch, dass man "im Thema drin" bleibt, spart man viel Zeit, auch wenn man während der Reihe noch manchmal etwas modifiziert. Ich kopiere dann auch gleich die ganze Reihe auf einmal.

Pisili
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Re: Abbruch oder kämpfen?

Beitrag von Pisili »

Erstmal vielen Dank für die Antworten, allein das Gefühl, dass es anderen auch so geht/ging macht es ein wenig leichter.
Heute war wieder ein furchtbarer Tag. Ich wirke auf der Arbeit zunehmend abwesend und abgespannt, mittlerweile sprechen mich auch schon Kollegen darauf an. Durch den Schlafmangel bin ich unkonzentriert und leicht reizbar. Heute habe ich sogar eine rote Ampel überfahren weil ich so daneben hing.

Reffi25, sich zu fragen, was im Moment schlimmer ist, bleiben oder gehen ist ein guter Ansatz. Im Moment glaube ich, dass mir das Gehen leichter fallen würde, als das Bleiben, aber ich habe unglaubliche Angst das zu bereuen.

Mit meinen Ausbildungslehrern habe ich noch nicht darüber gesprochen, aber ich denke die merken auch, dass ich im Moment in keinem so guten Zustand bin. In NRW ist es ja so, dass Ausbildungslehrer ein Gutachten schreiben müssen, deswegen bin ich manchmal gehemmt, sie mit meinen Problemen "vollzuheulen".

Ich habe für morgen einen Termin bei meinem Hausarzt gemacht, vielleicht kann der mir weiterhelfen. Wie ist das denn mit Therapieplätzen? Bekommt man schneller einen Platz, wenn man die Kosten selbst übernimmt?

Ich hätte nicht gedacht, dass mich das REferendariat so hart treffen würde. Ich hatte in der Uni nie Probleme, ich musste zwar für meine guten Noten auch immer viel lernen, aber das ist mir nicht so schwer gefallen.
Im Moment denke ich oft an die Zeit zurück in der ich in einer Ganztagsbetreuung einer Grundschule gearbeitet habe, dort bin ich immer gerne hingegangen. Und jetzt denk ich mir jeden Morgen einfach nur, dass ich am liebsten liegen bleiben und nicht mehr aufstehen möchte...

Da ich durch den Schlafmangel meine Konzentration einbüße, bin ich mir noch nicht mal sicher, ob ich es hinbekomme, die Stunden für Freitag zu planen...morgen ist "zum Glück" Seminar...

Nedyar
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Registriert: 11.09.2015, 13:17:53

Re: Abbruch oder kämpfen?

Beitrag von Nedyar »

Mir ging es genauso wie dir- und auch ich habe mich immer gefreut, wenn das Seminar war. Ich wurde zwar nie grundätzlich kritisiert (nur die Stunden, rein fachlich), aber ich habe mich irgendwann fehl am Platz gefühlt.

Und obwohl mir alle abgeraten haben abzubrechen, habe ich es gemacht (auch NRW). Mir geht es seitdem besser. Und auch meine Entscheidung habe ich nur auf meine "innere" Stimme zurückgeführt.

Ich muss allerdings hinzufügen, dass mir Aspekte wie Verbeamtung etc. nie sonderlich wichtig waren. Ich wollte damals Lehrer werden, weil es mich fasziniert hat und ich dachte, es sei das richtige für mich. War es dann wohl doch nicht.

Wollte dir damit nur wiederspiegeln, dass es vielen Menschen so geht, nicht, dass du aufhören sollst! Die Entscheidung musst du nachher so oder so mit dir vereinbaren.

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