Total unzufrieden mit dem eigenen Unterricht

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
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MeLu
Beiträge: 1
Registriert: 03.06.2016, 17:56:12

Total unzufrieden mit dem eigenen Unterricht

Beitrag von MeLu »

Hallo zusammen,

dieses Thema wurde wahrscheinlich schon einige Male erörtert. Trotzdem möchte ich mich heute an euch wenden, da ich gerade ziemlich verzweifelt bin.
Ausgangslage: Ich bin seit Januar im Ref und unterrichte Deutsch und BWL an einer beruflichen Schule.
Mein Problem ist, dass ich total unzufrieden bin mit meinem eigenen Unterricht. Es fängt schon bei der Unterrichtsvorbereitung an, die mir in den meisten Fällen keinen Spaß macht, da ich einfach ewig brauche, bis ich mich für einen gangbaren Weg entscheide. Und wenn ich mich dann entscheiden kann und sogar glaube, dass der Unterricht gut werden könnte, läuft in den Stunden selbst vieles schief. Der Unterricht wirkt unstrukturiert (nach meinem Empfinden) und ich bin für die Schüler viel zu schnell.
Diese Probleme habe ich übrigens eher in Deutsch als in BWL.
Ich denke, es liegt auch an der Unterrichtsvorbereitung, die meistens einen Tag vorher unter extermen Stress abläuft.
Wie geht ihr vor? Und wie gelingt es euch, euren Plan durchzuziehen und vorher die Zeit für die einzelnen Phasen abzuschätzen?

Vielen Dank für eure Hilfe! Bin über jeden Beitrag froh, da der Frust sich gerade extrem aufstaut.

LG Melanie

JimJupiter
Beiträge: 148
Registriert: 30.09.2015, 19:01:44

Re: Total unzufrieden mit dem eigenen Unterricht

Beitrag von JimJupiter »

Zunächst mal: Du bist nun rund 4 Monate im Geschäft. Die Anfangsfreude ist weg. Die Probleme werden langsam bewusst und offenbar. Die eigenen Fortschritte sind aus der Eigenperspektive zu klein. Der Druck nimmt stetig zu. - Soweit nicht wirklich ungewöhnlich für ein Referendariat.

Erste gute Zeichen sind:

Du kannst Probleme ansatzweise konkret benennen, statt nur diffuses Unwohlsein zu artikulieren.
* Problem D größer als BWL. Normal, dass man in den Fächern anfangs ungleichmäßig gut zurechtkommt.
* Didaktische Reduktion offenbar nicht für Lerngruppe angemessen graduiert. --> Hier kannst Du ansetzen, nachsteuern. Lerngruppenanalyse ausführlicher, Reduktion verstärken.
* Unstrukturiert: "Zwinge" Deine U-Entwürfe in eine tabellarische Form. Halte Dich strikt an die Planung. Schreibe Dir Impulse und Überleitungen auf Karteikarten. An mir wichtigen Scharnierstellen mache ich das heute noch. Und das ist eher ein Zeichen von Qualität als von Unsicherheit. SuS wissen es zu schätzen, wenn ein exakter Auftrag kommt statt Füllwörtern und Nebensatzgeschachtel.
* Zeitmanagement: Die erste hochwertige Reihenplanung hilft der konkreten Stundenplanung. Dass die manchmal nur von Stunde zu Stunde geht, kommt vor. Dennoch kannst Du hier, je nach persönlicher Situation, als Eigenaufgabe z.B. stellen: Spätestens samstags ist die ganze nächste Woche vorbereitet. In der Woche nur noch Nachsteuern und Justieren der Stunden je nach Verlauf der Vorstunde, dazu Konzentration auf Besuche, Seminare und sonstiger Ref-Kram. Das entlastet. (Anregung, kein Patentrezept)

Andere Menschen bringen sicher noch andere Ideen.

Viel Erfolg!
Hamburg, Abteilungsleiter an weiterführender Schule Sek I und II

Katta
Beiträge: 577
Registriert: 09.06.2005, 15:57:09
Wohnort: NRW

Re: Total unzufrieden mit dem eigenen Unterricht

Beitrag von Katta »

Ich würde auch als erstes sagen: alles normal und gut. Natürlich läuft es noch nicht rund, Unterrichten ist komplex und braucht Zeit.

Woran genau liegt es denn, dass die Planungen so lange dauern? Suchst du ewig nach passendem Material? Kannst du dich einfach nicht für die einzelnen Phasen entscheiden?

Wenn es das Material ist:
Reduziere die Quellen, auf die du zurück greifst. Oft sucht man sich gerade als Ref/ Anfänger dumm und dusselig, denn irgendwo gibt es doch bestimmt den einen perfekten Text, der viiiiiiel besser passt.Nope.
Nutze zwei, maximal drei Quellen, gehe nicht ins Internet, denn die Masse wird dich erschlagen. Du brauchst erst Mal Übung im erkennen von passendem Material und da ist eine zu große Auswahlmöglichkeit hinderlich.
Ich kenne mich an beruflichen Schulen nicht aus, arbeite am Gymnasium, von daher passen die folgenden Tipps evtl. nicht: Nutze zwei oder maximal drei verschiedene Lehrwerke von einschlägigen Verlagen als Quelle für Material und/oder Inspiration. Gucke dir an, wie die Kapitel aufgebaut sind, was da wie aufeinander aufbaut, wie das strukturiert ist.
Wenn du Literaturunterricht machst, nutze meinethalben die Einfach Deutsch Reihen (wobei die sehr komplex sind und oft sehr in die Tiefe gehen und einem die Auswahl dann ggf. auch wieder erschweren) oder die Hefte des Cornelsen Verlags (passend zum Texte Themen und Strukturen Oberstufen Lehrwerk), die sind etwas oberflächlicher, aber kleinschrittiger und für leistungsschwächere (oder weniger motivierte) Kurse evtl. eher geeignet. Schöningh hat auch ähnliche Hefte.

Wenn du dich für den Stundenaufbau nicht festlegen kannst:
Plane zuerst die Reihe.
Ich mache gerne eine Mindmap mit Bereichen Inhalt, Methodik und Kompetenzen. Also was muss inhaltlich vermittelt werden (Kriterien einer Charakterisierung/ Inhaltsangabe/ Bericht/ ... etc. pp. - bei einem Roman dann z.B. Unterkategorien für Themen, historischer Kontext, plot, Figuren, ...). Gibt es evtl. methodische Schwerpunkte, die sich anbieten (z.B. eher produktionsorientiert oder eine Reihe zu einer Lektüre wird an den Vorlesewettbewerb angeknüpft, dann muss das dementsprechend geübt werden, oder erste analytische Vorgehensweisen sollen eingeübt werden, oder oder). Mit Kompetenzen meine ich, was müssen Schüler "produzieren" können (ist nicht der richtige Kompetenzbegriff in dem Sinne, ich weiß ;- ) ), also z.B. in der Oberstufe müssen die in Klausuren bestimmte Textsorten produzieren können und anhand des Operators erkennen können, was verlangt ist. Anfangs übe ich beispielsweise zunächst die Inhaltsangabe und Analyse rhetorischer Mittel, dann nehme ich Analyse der Struktur hinzu, in Englisch müssen die auch immer einen Kommentar und etwas produktionsorientiertes verfassen, also verzeichne ich auch in meiner mindmap, wo ich dieses Mal den Schwerpunkt legen möchte, was ich schon gemacht habe, was nicht (ich brauche da also auch den Überblick über das gesamte Schuljahr).

Auf diese Art komme ich also zu meinen Reihenzielen.
Andere machen gerne eine Strukturlegemethode (bietet sich aus meiner Sicht eher für Fächer der Gesellschaftswissenschaften an, wenn es z.B. konkrete Modelle o.ä. gibt und man für sich klar kriegen muss, was wie aufeinander aufbaut, was die Schüler zuerst kennenlernen müssen, bevor sie ein bestimmtes Modell verstehen können o.ä.).

Diese Ziele bringe ich dann in eine logische Reihenfolge/ Verknüpfung: Was müssen sie zuerst können/ wissen, bevor sie zum nächsten Schritt kommen können. Was können sie schon aus anderen Reihen/ Schuljahren (bzw. sollten eigentlich können ;- ) )?
Bestimmte Dinge ergeben sich natürlich auch einfach sachlogisch aus dem Gegenstand: Wenn ich z.B. einen Roman/ Drama o.ä. lese, beginne ich natürlich mit der Exposition (also unabhängig davon, ob ich irgendwelche pre-reading Aktivitäten mache), damit die Ausgangslage geklärt ist.

Und so versuche ich, eine logische Reihe aufzubauen, in der von vorne herein jede Stunde einen Schwerpunkt hat - bzw. ich plane Einheiten, ob die jetzt 45 Minuten, 90 Minuten oder auch mal noch länger brauchen... da bin ich recht flexibel, denn ich weiß ja grundsätzlich, wo ich hin will und was ich und die Schüler dafür machen müssen.

Als Material nutze ich auch heute noch maximal drei verschiedene Quellen, meistens Oberstufenlehrwerke oder eben eine (!) der zusätzlichen Materialien/ Reihen, die ich oben erwähnt habe, daraus entnehme ich dann ggf. Texte, Ideen für Aufgabenstellungen usw..

Klar, das kostet anfangs richtig viel Zeit - je nach Thema.
Und nein, das mache ich nicht mehr für jede Reihe ausführlich, denn in den meisten Fällen mache ich das im Kopf, denn inzwischen mache ich das lang genug.

Wenn es bei euch Lehrwerke gibt, plane erst mal einfach damit. Mache "Brot und Butter" Stunden. Nein, ihr müsst das Rad nicht neu erfinden, das, was an Schule gemacht wird, ist nicht per se schlecht, nur weil Didaktikprofs und Fachleiter das gerne mal suggerieren. Die Leute, die die Bücher schreiben, sind nicht alle unfähig, sondern haben auch durchaus Ahnung von dem, was sie tun und da kann man das dann auch mal nutzen. Zumindest idealerweise, perfekt ist nichts. ;- )
Suche dir eine der nächsten Reihen/ Themen heraus, die du sorgfältig als in sich geschlossene Reihe vorbereitest, thematische Schwerpunkte für die einzelnen Einheiten/ Stunden setzt, passendes Material (aus einem reduzierten Quellenkatalog!) raussuchst, das wird ein Wochenende kosten, dich aber langfristig entspannen.

Ich hoffe, das ist auch für deine Schulform übertragbar.

dreistein
Beiträge: 216
Registriert: 02.06.2016, 23:38:49

Re: Total unzufrieden mit dem eigenen Unterricht

Beitrag von dreistein »

MeLu hat geschrieben:total unzufrieden bin mit meinem eigenen Unterricht
Das ist nicht ungewöhnlich. Du bist Berufsanfängerin, und als solche machst du fast zwangsläufig viele Fehler. Wichtig für deine Ausbildung ist, diese Fehler zu reflektieren. Ich habe mir am Ende des Tages in meinen Entwürfen kurz notiert, was schiefgelaufen ist. In vielen Fällen ist mir im Rückblick eine Alternative eingefallen, die ich bei nächster Gelegenheit ausprobiert habe.
MeLu hat geschrieben:ewig brauche, bis ich mich für einen gangbaren Weg entscheide
Pareto-Prinzip beachten: 80 % der Ergebnisse werden mit 20 % des Gesamtaufwandes erreicht. Versuche bei der Planung, Details erst anzugehen, wenn der Rahmen der Stunde steht.
MeLu hat geschrieben:ich bin für die Schüler viel zu schnell
Vermutlich, weil du dir inhaltlich zuviel vornimmst. Plane deine Stunde, als wenn du nur 20 Minuten zur Verfügung hättest, und geh in der Stunde auf die Schüler ein (Verbreitern, Wiederholen etc.). Die Schüler und ihre Bedürfnisse geben das Tempo vor, alles andere funktioniert nicht.
MeLu hat geschrieben:Unterrichtsvorbereitung, die meistens einen Tag vorher unter extermen Stress abläuft.
Das muss nicht zu den o. g. Schwierigkeiten führen, aber es ist didaktisch nicht sinnvoll und belastet dich unangemessen. Von Stunde zu Stunde zu planen ist in den ersten Wochen des Referendariats okay, weil man anfangs die benötigte Zeit und die Lernschwierigkeiten der Schüler schlecht einschätzen kann. Versuche, die Stunden für die gesamte kommende Woche spätestens am Wochenende geplant zu haben. Setze dir für jede zu planende Stunde einen Zeitrahmen, z. B. "nach 90 Minuten muss die Planung stehen". Sonst dehnt sich die Arbeit beliebig aus und geht auf Kosten deiner Freizeit.

Zeltan
Beiträge: 56
Registriert: 30.04.2016, 10:52:23

Re: Total unzufrieden mit dem eigenen Unterricht

Beitrag von Zeltan »

Ich bin grad selber auch im Ref und habe ähnliche Schwierigkeiten. Der Mittelweg den ich zur Zeit gehe ist, dass ich versuche nicht alles einen Tag vorher zu machen sondern einen Tag vorher schon fertig zu sein.
Dazu solltest du dir jede noch so kleine Idee die dir in den Sinn kommt einfach aufschreiben.

Was auch sehr oft hilft ist, wenn man 1000 vrschiedene Ideen hat sich auf die erste zurückzubesinnen. Die erste ist meistens auch die Beste!

Zeitplanung: Plane 30 Min. Unterricht. Die restlichen 15 Min. sind dein Puffer, den du mit Zwischenphasen, Spielen und einem netten Abschluss ausfüllen kannst.

Wünsche dir alles Gute, bist nicht aleine ;)

Daniel773
Beiträge: 4
Registriert: 23.09.2014, 9:13:35

Re: Total unzufrieden mit dem eigenen Unterricht

Beitrag von Daniel773 »

Etwas flexibler an die Sache ran gehen. Für den Unterricht etwas weniger einplanen und langsam die Stoffmenge für nächste Stunden aufbauen.

Krambambuli
Beiträge: 47
Registriert: 11.08.2013, 18:33:58

Re: Total unzufrieden mit dem eigenen Unterricht

Beitrag von Krambambuli »

"Unstrukturiert: "Zwinge" Deine U-Entwürfe in eine tabellarische Form. Halte Dich strikt an die Planung. Schreibe Dir Impulse und Überleitungen auf Karteikarten. An mir wichtigen Scharnierstellen mache ich das heute noch. Und das ist eher ein Zeichen von Qualität als von Unsicherheit. SuS wissen es zu schätzen, wenn ein exakter Auftrag kommt statt Füllwörtern und Nebensatzgeschachtel."

Sehr hilfreicher Tipp, genau so einen habe ich damals auch von einer Mentorin bekommen und es hat mir grundlegend weitergeholfen!!
Dadurch fängst du an dir ein "Gerüst" im Kopf aufzubauen, an das du dich in jeder Stunde halten kannst. Mach dir eine Tabelle mit Einstieg, Erarbeitung, Sicherung plus Zeit.

Mein Tipp obendrauf: Für eine solche Tabelle pro Unterrichtsstunde nicht mehr als eine halbe Seite verwenden. So verhinderst du, dass du Romane schreibst und "zu lange" an deiner Stundenplanung sitzt.

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