Abbruch, Abbruch, Abbruch...

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
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miranfu
Beiträge: 4
Registriert: 02.12.2016, 10:05:47

Abbruch, Abbruch, Abbruch...

Beitrag von miranfu »

Hallo liebe Kollegen. :)

Nachdem ich mich durch einige Einträge hier gelesen habe, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es hier ziemlich viele hilfreiche Beiträge gibt und daher will ich auch mal mein Glück versuchen...

Ich habe im Laufe der Lektüre der Einträge festgestellt, dass ich eine Kombination aus einigen der bereits geschilderten Probleme habe. Fakten: Ich bin seit Mai im Referendariat (Gymnasium). Meine Schule ist super, Schüler sind voll in Ordnung, mit dem Seminar kann man leben. Das Problem liegt wohl eher bei mir.
1. Ich kriege meine Planung nicht auf die Reihe. Am Anfang ging es noch einigermaßen, aber mittlerweile ist alles so durcheinander, so unstrukturiert, so von-Stunde-zu-Stunde, dass ich einfach nicht mehr weiß, wo ich anfangen/weitermachen soll und wie ich das alles wieder auf die Schienen bekomme. Das führt zum nächsten Punkt.
2. Ich bin extrem unmotiviert. Mein eigener Unterricht gefällt mir nicht. Die Schüler finden das alles okay und sie lernen ja auch trotzdem was, aber mir ist das alles zu hingeklöppelt und zu improvisiert. Es nimmt auch alles einfach kein Ende, es ist alles zu viel (Klausuren, Organisation, Planung, Veranstaltungen etc.), alles zu viel. Und dieses Gefühl, dass kein Land in Sicht ist, tötet einfach auch das letzte Bisschen Motivation in mir.
3. Ich schaffe es nicht mehr, mich selbst anständig zu organisieren. Das war eigentlich nie ein großes Problem, aber jetzt im Ref kriege ich es nicht mehr hin. Zu viel Zeug, zu viele Zettel, zu viele Aufgaben, ich fühle mich gerade völlig überfordert, mein Arbeitszimmer sieht aus wie nach dem Krieg und ich komme einfach nicht klar.
4. Seit Tag 1 des Refs überlege ich, ob das überhaupt der richtige Beruf ist. Ich mag die Kinder und das Unterrichten ist auch in Ordnung, aber trotzdem fällt es mir schwer, mich aufzuraffen, um in die Schule zu fahren (was übrigens 1 Stunde dauert) oder mich an den Schreibtisch zu setzen. Und die Aussicht darauf, den Rest meines Berufslebens auf diese Weise mit mir zu kämpfen ist nicht so schön. Ich wusste natürlich theoretisch, dass man als Lehrer nie fertig ist mit der Arbeit, aber irgendwie dachte ich, dass ich mich da selbst besser organisieren könnte. Irrtum.
5. Dieser Gedanke an "Ich will das nicht mehr, ich kann das nicht mehr" ist einfach so extrem dominant geworden in den letzten Wochen, dass ich fast nur noch darüber nachdenke, was ich stattdessen machen könnte - ein Gedanke, der immer ins Nichts führt, weil es einfach keine realistischen Alternativen gibt. Die Erkenntnis, dass ich eigentlich nicht aufhören kann, deprimiert mich dann noch zusätzlich...

Jaja, langes Jammern, kurzer Sinn: ich brauche dringend Tipps und stelle daher die folgende pauschale und umfassende Frage in den Raum: Was zur Hölle kann/soll/muss ich tun?

Grüße. Und danke, dass es so ein Forum gibt.

Nedyar
Beiträge: 86
Registriert: 11.09.2015, 13:17:53

Re: Abbruch, Abbruch, Abbruch...

Beitrag von Nedyar »

Hi-
den letzten Punkt verstehe ich nicht. Warum gibt es denn keine realistische Alternative? Weil du nicht weißt, was du sonst willst? Oder weil du meinst, niemand will dich? Die Frage ist ja, was eine Alternative WÄRE! (So du denn überhaupt aufhören willst).

Ich habe damals auch abgebrochen und bin inzwischen gut im Berufsleben angekommen und habe eine vernünftige Stelle.

Wann man aufhören muss/Will, muss man ja schlussendlich selber entscheiden. Bei mir gab es einen ganz bestimmten Punkt- Ich stand in meinem Zimmer, habe gesehen, was ich noch machen muss, hatte da absolut keine Lust drauf, habe den Ordner zugemacht, mich pennen gelegt und mich am nächsten Tag krankgeschrieben. Und dann direkt Antrag auf Entlassung. Also ziemliche Kurzschlussreaktion- bin ich inzwischen froh drum.

Aber jeder ist anders- und du solltest dich von mir nicht zum abbrechen inspirieren lassen. Darum nochmal die Frage: Was willst du? Wenn man im Ref schon weiß, dass man nicht als Lehrer arbeiten will, kann man es auch gleich ganz lassen (So wie ich). Es gibt auch die Befürworter des Durchziehens- kann ich zwar auch verstehen. Mir würde das 2. Stex aber nichts bringen.

mfg

bayrische_Füchsin
Beiträge: 20
Registriert: 21.10.2016, 21:38:56

Re: Abbruch, Abbruch, Abbruch...

Beitrag von bayrische_Füchsin »

Ich würde mir überlegen: Was denkst du in einem Jahr? Bist du froh, dass du ggf. abgebrochen hast? Oder denkst du "Hätte ich man durchgezogen?"
BL Bayern, Ma/Ph, verbeamtet und glücklich :)

miranfu
Beiträge: 4
Registriert: 02.12.2016, 10:05:47

Re: Abbruch, Abbruch, Abbruch...

Beitrag von miranfu »

Also erst mal danke für die Antworten! :)

Ich fürchte, die Frage danach, was ich denn stattdessen wollen würde, ist ein großer Teil des Problems. Denn ich habe absolut keine Ahnung. Irgendwie war die Lehrer-Sache immer so klar und selbstverständlich - vor allem auch für alle um mich herum. Ich habe nie so richtig über andere Dinge nachgedacht. Und jetzt habe ich das Gefühl, dass es eigentlich schon zu spät ist. Und finanziell könnte ich mir z.B. eine Ausbildung auch überhaupt nicht erlauben. Und der Gedanke daran, dass mein Studium und alles Bisherige dann "umsonst" gewesen sein soll... Ich weiß es nicht.

Und was ich in einem Jahr denken würde, hängt ja auch unter anderem davon ab, was ich stattdessen machen würde. Ohne einen guten Plan B kann ich das Ref nicht abbrechen...

Hinzukommt auch: ich habe ziemliche Minderheitsfächer (ich sag jetzt mal nicht, welche, die Kombi ist so selten, da könnte ich direkt meinen Namen hier reinschreiben ;)), und die Stellenlage ist ziemlich schlecht in den Fächern. Eine Einstellung nach dem Ref ist also als Motivationsfaktor auch nur bedingt geeignet...

Sorry, wenn ich es so oft sage, aber "ich weiß es nicht" ist tatsächlich auch in meinem Kopf eine ziemlich häufige Antwort.

Phaon
Beiträge: 51
Registriert: 25.02.2015, 21:21:42

Re: Abbruch, Abbruch, Abbruch...

Beitrag von Phaon »

"Wann man aufhören muss/Will, muss man ja schlussendlich selber entscheiden. Bei mir gab es einen ganz bestimmten Punkt- Ich stand in meinem Zimmer, habe gesehen, was ich noch machen muss, hatte da absolut keine Lust drauf, habe den Ordner zugemacht, mich pennen gelegt und mich am nächsten Tag krankgeschrieben. Und dann direkt Antrag auf Entlassung. Also ziemliche Kurzschlussreaktion- bin ich inzwischen froh drum."

Mein eigener Abbruch war sehr ähnlich. Ich stand nachmittags in meinem Zimmer, musste für den nächsten Tag einen Unterrichtsbesuch vorbereiten, habe am gleichen Tag aber auch den Bescheid für die zweite Lehrprobe bekommen, noch nicht korrigierte Klassenarbeiten stapelten sich, die Herbstferien waren nicht erholsam, Unterricht wurde seit Wochen nur noch improvisiert, eine Grippe bahnte sich an... also schrieb ich kurz der Schulleitung und dem Fachleiter, dass ich am nächsten Tag nicht kommen können würde. Ich setzte mich in mein Auto und fuhr ca. 1,5 Stunden durch die Landschaft in eine unbekannte Stadt, bestellte mir in einem Fast-Food-Restaurant spontan ein Menü und fühlte mich plötzlich, als ich da so saß und meinen Burger verspachtelte, im Bewusstsein, heute nichts mehr tun zu müssen, frei. Dieses Gefühl kannte ich seit dem Beginn des Referendariats nicht mehr, was mir in diesem Moment schmerzlich bewusst wurde. Zuhause legte ich mich ins Bett und schlief erst einmal bis zum nächsten Morgen durch. Ich ignorierte die Anrufe der Schule und ging erst einmal in den verschneiten Wäldern spazieren. Dort fasste ich den Entschluss, jetzt sofort zum Seminar zu fahren und meine Entlassung einzureichen. Es ging dann alles ganz schnell. Das war vor drei Wochen.

Zu den Gründen für meinen Abbruch lässt sich nur folgendes sagen: ich wusste von Anfang an, dass ich niemals Lehrer werden will und war daher mit allem unzufrieden und eigentlich immer unmotiviert. Ich habe allerdings noch versucht, irgendwie mein 2. Staatsexamen zu erlangen, auch wenn ich nicht wusste, was mir dieses Dokument für meinen weiteren beruflichen Werdegang bringen würde. Ich wollte dann auch einfach nicht weiter Beamter und privat versichert sein, wollte nicht mehr, dass sich alle Unterrichtsmaterialien und Arbeitshefte in meiner winzigen Wohnung stapeln, wollte mich nicht mehr um den größtenteils ungezogenen Nachwuchs anderer Leute, die teilweise sogar meinen Beruf verachten, kümmern. Und vor allem hatte ich plötzlich das Bedürfnis nach einer festen Struktur in meinem Arbeitsleben, nach einem Feierabend, nach einem Wochenende und einem Ende der ganzen Nachtschichten und 60-Stunden-Wochen.

Ich denke mir mittlerweile: ein Ende mit Schrecken ist besser als ein Schrecken ohne Ende.

Nedyar
Beiträge: 86
Registriert: 11.09.2015, 13:17:53

Re: Abbruch, Abbruch, Abbruch...

Beitrag von Nedyar »

Was Phaon dort beschreibt, kenne ich vom Gefühl her auch- mir war die "Gesamtheit" nachher einfach zu viel und ich wurde total lustlos. Wenn ich mir überlege, wie engagiert ich meiner jetzigen Tätigkeit nachgehe und mit wie viel Freude ich dort hingehe- da liegen Welten zwischen.


@miranfu:
Wenn es Dir wirlich nicht gut geht, muss ein Abbruch IMMER gehen. Ich weiß von mir selber, dass man anfangs vor einem riesigen BErg steht und denkt, dass das nicht geht. Aber es gibt immer Wege.
Du hast doch ein 1. Stex, oder? Du musst ja ggf. gar keine ganz neue Ausbildung machen, das habe ich auch nicht gemacht und habe trotzdem eine gute (finde ich) Stelle bekommen.

Dann ist tatsälich das größte Problem, dass du gerade nicht weißt, WAS es sein soll. Aber das lässt sich doch herausfinden. Wenn du wirklich aufhören möchtest (wie gesagt, ich will dich hiermit nicht dazu ermuntern, denn die Gründe sind einfach so vielschichtig, über das Internet kann man da keinem zu ratne finde ich), dann finden sich auch Wege, woanders einzusteigen. Anfangs musste bestimmt Abstricht beim Gehalt machen, aber wäre das so schlimm?

Es gibt heutzutage so viele Quereinsteiger und "Umschuler"- da muss gar nicht zwingend ein neues STudium/Ausbildung her. Außerdem kann man viele Qualifikationen ja auch nebenberuflich nachholen. Erstmal würde ich versuchen, irgendwo reinzufinden. Gibt es denn Bereiche, die dich grundsätzlich interessieren außerhalb von Schule?

krabappel
Beiträge: 2329
Registriert: 21.08.2011, 20:08:49

Re: Abbruch, Abbruch, Abbruch..

Beitrag von krabappel »

Andere Berufe sind auch anstrengend. Wenn dich nicht gerade der elektrisierende Gedanke überfällt "ich MUSS Konditor/ Archäologin werden" würde ich sagen: Du hast gerade eine Krise, vielleicht eine leichte Depression, was nicht bedeutet, dass man sofort alles über den Haufen werfen muss.
miranfu hat geschrieben: Jaja, langes Jammern, kurzer Sinn: ich brauche dringend Tipps und stelle daher die folgende pauschale und umfassende Frage in den Raum: Was zur Hölle kann/soll/muss ich tun?
Du könntest dir beispielsweise mal eine Stunde Zeit nehmen und deinem jetzigen Empfinden auf den Grund gehen. Du siehst den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr, kommst gedanklich nie weiter, als bis zu BlockadeBlockadeBlockade. Was hindert dich daran, den Stapel auf deinem Schreibtisch jetzt auf den Schoß zu nehmen und zu sortieren? Welches Gefühl genau hindert dich?
Nicht reden, nur fühlen und wahrnehmen und hinnehmen:-)

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