Schei* Referendariat!

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
LaberRhabarber
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Re: Schei* Referendariat!

Beitrag von LaberRhabarber »

Hallo Leute,

an diesem Threat beteilige ich mich gerne.

Ich finde das Referendariat auch richtig katastrophal. Habe echt gar keine Lust mehr. Viel Arbeit, kein Privatleben. Auch in meiner Freizeit hänge ich häufig nur noch depressiv rum und frage mich, was das alles soll.

Schon durch das Studium habe ich mich richtig durchgequält, war mir aber immer sicher, dass ich Lehrer werden wollte durch verschiedene Praxiserfahrungen, die mich sehr bestärkt haben.

Nun bin ich an einer Berufsschule, viele würden sie als Brennpunktschule bezeichnen, und merke, dass das Schulsystem einfach null funktioniert. Die Leute, die da Abschlüsse nachmachen, sogar das ABi, sitzen da nur, weil sie keine Lust auf Ausbildung haben bzw. keine Ausbildungsstelle bekommen. Null motiviert. Und die bekommen ihr Abitur sogar. Liegt ja alles im Korrekturspielraum der Lehrer. Ich bin echt richtig desillusioniert. Keine Lust mehr. Ich überlege ständig, ob ich abbrechen soll.

Aber nach abgeschlossenem 2. Staatsexamen hat man wohl bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt.

tiger
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Re: Schei* Referendariat!

Beitrag von tiger »

LaberRhabarber hat geschrieben:merke, dass das Schulsystem einfach null funktioniert
Stimmt doch gar nicht. Die meisten Schulabgänger in Deutschland können lesen und schreiben, beherrschen die Grundrechenarten und meistens sogar ansatzweise eine Fremdsprache. Das ist mehr, als die Schulsysteme vieler anderer Ländern hinbekommen, und auch im Vergleich mit anderen westlichen Industriestaaten stehen wir nicht allzu schlecht dar.

Stark
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Re: Schei* Referendariat!

Beitrag von Stark »

LaberRhabarber hat geschrieben:Habe echt gar keine Lust mehr. Viel Arbeit, kein Privatleben. Auch in meiner Freizeit hänge ich häufig nur noch depressiv rum und frage mich, was das alles soll.
Ich wage mal die These, dass das zu einem großen Teil einfach der Praxisschock ist, den man als ehemaliger Student beim Eintritt in das Berufsleben erfährt. Das dürfte so ziemlich unabhängig von der Fachrichtung und der konkreten Arbeit sein.

kecks
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Re: Schei* Referendariat!

Beitrag von kecks »

was stark sagt. mit mehr erfahrung wirst du dann auch sicherer in beziehungsarbeit, didaktik und methodik und kannst sicherlich mehr jugendliche motivieren und erreichen. das wird schon.

sabisteb
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Re: Schei* Referendariat!

Beitrag von sabisteb »

Stark hat geschrieben:
LaberRhabarber hat geschrieben:Habe echt gar keine Lust mehr. Viel Arbeit, kein Privatleben. Auch in meiner Freizeit hänge ich häufig nur noch depressiv rum und frage mich, was das alles soll.
Ich wage mal die These, dass das zu einem großen Teil einfach der Praxisschock ist, den man als ehemaliger Student beim Eintritt in das Berufsleben erfährt. Das dürfte so ziemlich unabhängig von der Fachrichtung und der konkreten Arbeit sein.
Nope!
Im Vergleich zum Ref war die Promotion ein Spaziergang und das waren 6-7 Tage pro Woche mit normalen 10 Stunden im Labor, also auch 60-70 Stunden Wochen + Seminare + Konferenzen.
Der erste Job war zwar hart und fing in der ersten Woche mit dem Jahresendbericht des Vorjahres an, in das ich mich komplett einarbeiten musste.
Das Ref ist ein ganz anderes Kaliber.
Am meisten nagt an einem diese Sektenartike Gehirnwäsche nach jeder Unterrichtsstunde, in der man sich dann die 3 Seiten was Sch*** war anhören darf. Das nagt an jedem.
Als Anfänger von der ersten Stunde an nach den Kriterien der Lehrprobe beurteilt zu werden ist, als wenn man einen Erstsemester nach den Kriterien des Masterabschlusses bewertet oder einen Schüler der 11. Klasse nach den Abiturmaßstäben. Wie, das kennste nicht?! Pech gehabt, ist Allgemeinwissen, schau mehr ARTE.

rissig21
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Registriert: 12.04.2017, 10:56:40

Re: Schei* Referendariat!

Beitrag von rissig21 »

sabisteb hat geschrieben: Am meisten nagt an einem diese Sektenartike Gehirnwäsche nach jeder Unterrichtsstunde, in der man sich dann die 3 Seiten was Sch*** war anhören darf. Das nagt an jedem.
Als Anfänger von der ersten Stunde an nach den Kriterien der Lehrprobe beurteilt zu werden ist, als wenn man einen Erstsemester nach den Kriterien des Masterabschlusses bewertet oder einen Schüler der 11. Klasse nach den Abiturmaßstäben. Wie, das kennste nicht?! Pech gehabt, ist Allgemeinwissen, schau mehr ARTE.
Ja, aber das ist es doch gerade! Wenn du als 11. Klässler die Anforderungen fürs ABI schon könntest, müsste man dich ja nicht erst prüfen... bzw. dann würde sich ja das ganze System selbst widerlegen. Also muss man klarstellen und nachweisen, dass du eben nur der 11. Klässler bist und das ABI eigentlich gar nicht verdient hast, sonst könnte ja jeder kommen... logisch oder?

Aber weil der Beruf ja so speziell und so kompliziert ist, lässt man Gnade vor Recht ergehen - letztlich mussten wir ja alle mal durch - und gibt dir (obwohl alles im Grunde miserabelst war) nochmal eben so den Laufschein - obwohl eigentlich unverdient...

Stark
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Registriert: 30.05.2013, 1:23:20

Re: Schei* Referendariat!

Beitrag von Stark »

sabisteb hat geschrieben: Im Vergleich zum Ref war die Promotion ein Spaziergang und das waren 6-7 Tage pro Woche mit normalen 10 Stunden im Labor, also auch 60-70 Stunden Wochen + Seminare + Konferenzen.
Der erste Job war zwar hart und fing in der ersten Woche mit dem Jahresendbericht des Vorjahres an, in das ich mich komplett einarbeiten musste.
Das Ref ist ein ganz anderes Kaliber.
Keine Ahnung, wie eine Promotion abläuft, schon gar nicht in den Naturwissenschaften. Ich kenne das nur durch Beobachtungen in meinem geisteswissenschaftlich geprägten Freundeskreis. Kann also sein, dass ich das falsch einschätze, dann freue ich mich über Rückmeldung. Gerade den Vergleich Ref-Promotion finde ich nämlich interessant. Als Refs haben wir natürlich auch viel über die Arbeitsbelastung gestöhnt. Ich war zwei Jahre lange an meinen Grenzen, sowohl körperlich als auch mental - nicht durchgehend, aber häufig und eine gewisse Grundanspannung habe ich in der Zeit nie so ganz abgelegt. Ich habe aber schon während der Zeit festgestellt, dass das eben daran liegt, dass ich das Studium als sehr entspannt erlebt habe. Fachlich ist es mir leicht gefallen, die Freiheiten waren einfach großartig (sowohl an der Uni als auch im Studentenleben) und ich habe es sehr genossen, mich jahrelang mit Inhalten zu beschäftigen, für die ich mich echt begeistern konnte. So ähnlich lese ich aber deine Beschreibung der Promotion auch, evtl. ohne das Studentenleben, wenn du so viel zu tun hattest. Von Freunden, die promoviert haben, habe ich eher andere Dinge gehört: die Arbeitsbelastung, die Selbstzweifel bei der eigenen wissenschaftlichen Arbeit, die Zukunftsängste. Das erscheint mir nicht so typisch für einen "Praxisschock bei Berufseinstieg" wie die Probleme im Ref.
Im Ref war ich aber dann fremdbestimmt und ich musste mich auch mit Inhalten beschäftigen, die mich nicht so interessiert haben. Dazu die Arbeitsbelastung und die Verantwortung anderen gegenüber, nicht nur mir selbst und meinem Studium gegenüber. Das ist schon eher typisch für einen Berufseinstieg.

Aber, zugegeben, im Ref kommen zwei Punkte dazu, die vielleicht über den typischen Berufseinstieg hinausgehen:

1.) Im Studium konnte ich auf Basis einer gewissen Begabung für meine Fächer durch Fleiß gezielt und gesichert gute Noten bekommen. Im Prinzip war es klar, dass ich auf jeden Fall brauchbare Leistungen ablege, auch wenn ich nicht viel tue, aber wenn ich mich reingehängt habe, waren gute/sehr gute Leistungen kein Problem. Das ist im Ref anders. Talent fürs Unterrichten und eine gründliche Vorbereitung reichen nicht aus, um eine gute oder sehr gute Unterrichtsstunde zu garantieren, da es eben immer Unwägbarkeiten gibt. Wie ist die Klasse drauf, was ist an der Schule los, funktioniert die Technik etc. Das war/ist frustrierend, bildet aber die Realtitä im Lehrerberuf ab. Ich hatte eine Lehrprobe, bei der mein gründlich und gut durchdachtes Konzept nicht aufgegangen ist, weil die Klasse irgendwie träger war als sonst. Das hat der Seminarlehrer mir auch so gesagt. Erst habe ich mich geärgert, dass das ja wohl nicht meine Schuld war, aber er hat mir dann aufgezeigt, wie ich an welcher Stelle hätte reagieren können. Und er hatte recht. Das sage ich nicht jetzt nach 20 Jahren, sondern das habe ich am nächsten Tag schon eingesehen. Ärgerlich, aber doch nicht Problem des "Systems".
Aber es ist natürlich unschön, dass Fleiß alleine keine guten Noten garantiert.

2.) Vieles hängt an der Lehrerpersönlichkeit. Das bedeutet, dass viele Kritikpunkte automatisch auch persönlich aufgefasst werden können. Was es nicht besser macht ist, dass dieser Begriff natürlich sehr schwammig und individuell ist. Ich habe ein paar Kollegen, die ich "persönlich" schrecklich unsympathisch finde. Ihr Persönlichkeit sagt mir hat gar nicht zu. Im Unterricht scheint das aber super zu funktionieren. Und dann habe ich Kollegen, mit denen ich befreundet bin, die ich also auch "persönlich" mag, von denen ich weiß, dass sie im Unterricht und bei den Schülern ganz schreckliches Auftreten haben. Die "Lehrerpersönlichkeit" ist also nicht nur von der Persönlichkeit abhängig, sondern auch vom Auftreten, das man vielleicht bewusst wählt, von den Umständen etc. Kann man halt schwer den Finger drauflegen. Aber man sieht bei Hospitationen wo und warum es nicht klappt. Deshalb dürfte die entsprechende Kritik im Regelfall unangenehm sein, gerechtfertigt ist sie aber vielleicht doch.

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