Ich darf nicht vor meinen Schülern im Klassenzimmer sein

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
BlackandGold
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Re: Ich darf nicht vor meinen Schülern im Klassenzimmer sein

Beitrag von BlackandGold »

Als Naturwissenschaftsreferendar kann ich das kaum nachvollziehen... Man muss ja häufig genug Unterricht vorbereiten. Was ich mir vorstellen könnte: Der klare Beginn des Unterrichts wird nicht so sauber markiert, wenn du schon da bist. Vielleicht sprich mal mit deiner Mentorin, ob das der Grund ist?

tiger
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Re: Ich darf nicht vor meinen Schülern im Klassenzimmer sein

Beitrag von tiger »

Viele wesentliche Punkte sind schon angesprochen worden:

Lehrer reden gerne und viel (d. h. sie verbreiten gerne ihre persönlichen Ansichten) und glauben dabei gerne, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Das ist eine Berufskrankheit, weil man ständig vor Schülern steht, bei denen man zumindest fachlich immer "Oberwasser" hat.

Das Klassenzimmer ist nicht der private Raum der Schüler. Im Gegenteil, die Aufsichtspflicht der Schule bedeutet gerade das Gegenteil. Deshalb gibt es ja auch Pausenaufsichten. An Schulen mit "Lehrerraum-Modell" sind die Kollegen gar ständig in ihren Unterrichtsräumen.

In manchen Unterrichtsfächern (Physik, Chemie, ...) sind vor Stundenbeginn Vorbereitungen im Unterrichtsraum zu treffen, etwa Versuche aufbauen und Experimentiermaterial herankarren und im Raum verteilen, sodass man schon aus organisatorischen Gründen frühzeitig im Raum sein muss.

Ich selbst bin meist vor dem Klingeln im Klassenzimmer. Wenn ich nach dem Klingeln einträfe, wäre ich ja zu spät (was ich Schülern niemals durchgehen lasse und was sie mir gerne unter die Nase reiben, wenn ich doch mal später komme, weil ich aufgehalten wurde).

Dabei darf man nicht vergessen: Wird eine 45-minütige Stunde durch Verspätung der Lehrkraft oder durch "Früher-Schluss-machen" auch nur um 5 Minuten verkürzt, entspricht das bereits einem Unterrichtsausfall von mehr als 10 Prozent. Wenn man das auf alle Schulen des Landes und alle Unterrichtsstunden des Schuljahres hochrechnet, entsteht dadurch ein enormer Schaden.

Hans Huber
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Re: Ich darf nicht vor meinen Schülern im Klassenzimmer sein

Beitrag von Hans Huber »

tiger hat geschrieben:
Lehrer reden gerne und viel (d. h. sie verbreiten gerne ihre persönlichen Ansichten) und glauben dabei gerne, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Das ist eine Berufskrankheit, weil man ständig vor Schülern steht, bei denen man zumindest fachlich immer "Oberwasser" hat.
Eher OT: Ist das nicht die Grundlage der Didaktik? :D

Max_Cohen
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Re: Ich darf nicht vor meinen Schülern im Klassenzimmer sein

Beitrag von Max_Cohen »

Chuzpe beweisen und deiner Mentorin einen Einlauf verpassen, und zwar genau mit den Punkten, die schon genannt wurden. Evtl. mit tigers Rechnung darauf hinweisen, dass sie bitte monatlich 10% ihrer Bezüge zurücküberweisen solle. So einen dreisten Blödsinn habe selbst ich noch nie gehört.
In meinem Bundesland gibt es neben dem Recht auf Bildung und individuelle Förderung auch ein Recht auf schulische Erziehung. Und genau das wird von solchen Idioten mit Füßen getreten, und dann ist Zeit online voller Artikel, die wundersamerweise einen Verfall elementarster Sozialkonventionen und die daraus resultierende Belastung für Lehrer beklagen.
Das sind auch genau die Leute, bei denen Einzel- und Partnerarbeit nicht funktioniert, weil sie während dieser Phasen selbst herumlaufen und Schüler mit erhobener Stimme ansprechen - Vorbildfunktion.
Illi-Noize hat geschrieben: Solange Du aber Ref bist: Mach das, was man von Dir verlangt. Ohne das groß zu hinterfragen. Macht das Leben leichter (Stichwort "Beratungsresistenz", auch wenn hier die Beratung offensichtlich "Käse" ist).
Ein äußerst kontraproduktiver Hinweis.

kecks
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Re: Ich darf nicht vor meinen Schülern im Klassenzimmer sein

Beitrag von kecks »

ach, max. genau, der praktikant erläutert seiner mentorin, wie es richtig geht, weil sich seine mentorin deiner geschätzten ansicht nach in einem nebensatz falsch geäußert hat. echt jetzt? schlechtester tipp ever meiner meinung nach. oder hättest du gern einen praktikanten, der dir deutlich macht, dass du keine ahnung hast seiner ansicht nach, weil einer aus einem internetforum gesagt hat, dass das so sei? ernsthaft?

sozialkompetenz gilt gemeinhin (und zurecht) als schlüsselqualifikation für lehrkräfte.

rossi87
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Re: Ich darf nicht vor meinen Schülern im Klassenzimmer sein

Beitrag von rossi87 »

Kontraproduktiv sind natürlich sowohl die Methode "buckeln", als auch die offene Konfrontation.

Da es sich, wie bereits mehrfach erwähnt, um eine vollkommen unbegründete Argumentation seitens der Kollegin handelt, solltest Du einfach kurz und freundlich erklären, dass Du auch nach wie vor pünktlich beginnen möchtest. Dabei gehst Du aber gar nicht auf die Unsinnigkeit der Argumentation ein, sondern sagst einfach, DASS du es so machen möchtest. Danach solltest Du das Thema nicht mehr diskutieren.

Bei mir kommt es auch hin und wieder vor, dass ich nicht pünktlich beginnen kann. Das hat meist gute Gründe: wichtige Gespräche mit Kollegen, nicht funktionierende Technik und demzufolge Verzögerungen usw. Ich versuche natürlich, das zu reduzieren, schon allein aus Vorbildfunktion, aber der Lehreralltag ist nun einmal voll von "Überraschungen", die sich nicht einplanen lassen und wegen der ich mir aber auch nicht die Toiletten- oder Kaffeepause vermiesen lassen will. Ich schau halt, dass es nicht häufiger als 2-3x pro Woche vorkommt.

Max_Cohen
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Re: Ich darf nicht vor meinen Schülern im Klassenzimmer sein

Beitrag von Max_Cohen »

kecks hat geschrieben:ach, max. genau, der praktikant erläutert seiner mentorin, wie es richtig geht, weil sich seine mentorin deiner geschätzten ansicht nach in einem nebensatz falsch geäußert hat. echt jetzt? schlechtester tipp ever meiner meinung nach. oder hättest du gern einen praktikanten, der dir deutlich macht, dass du keine ahnung hast seiner ansicht nach, weil einer aus einem internetforum gesagt hat, dass das so sei? ernsthaft?

sozialkompetenz gilt gemeinhin (und zurecht) als schlüsselqualifikation für lehrkräfte.
Nebensatz? Die Themenerstellerin wurde kritisiert, weil sie sich im Rahmen ihrer Vorbildfunktion an eine übliche Regel hält, die aus gutem Grund in jeder Hausordnung steht, und zwar mit einem "Argument", das unter Kindergartenniveau ist. Es geht hier um objektives Fehlverhalten, das nonverbal ganz schnell Standards setzt, die in Schulen der Sekundarstufe auch in anderen Unterricht hineinwirkt und diesen beeinträchtigt. Man muss die Kollegin sogar deutlich darauf hinweisen, dass das nicht geht, weil sie offensichtlich zu dieser Selbstreflexion nicht in der Lage ist. Das ist doch keine Ansichtssache. So etwas kann man sich höchstens an einer Grundschule erlauben, und zwar auch nur in dem eng umschriebenen Sinne, dass man es auch vier Jahre lang selbst ausbaden darf.
Und ja, wenn ein Referendar, Praktikant, ein Fünftklässler, der König von England oder sonst wer mir begründet erklärt, warum ich falsch liege, dann ändere ich das. Ganz normales professionelles Verhalten. Ich entschuldige mich i.Ü. auch begründet bei den Schülern, wenn ich ausnahmsweise zu spät zum Unterricht erscheine.
Zuletzt geändert von Max_Cohen am 19.05.2018, 12:30:53, insgesamt 3-mal geändert.

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