Ref beginnen oder alternative suchen?

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
saurus
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Ref beginnen oder alternative suchen?

Beitrag von saurus »

Nach dem 1. Staatsexamen habe ich zunächst eine Stelle im pädagogischen Bereich ,ine lehrende Tätigkeit, angenommen, um mir einen Eindruck von der Arbeit mit Schülern zu verschaffen. Meine Eindrücke will ich kurz schildern, mit der Fragestellung ob ich das Ref beginnen sollte.

Stichpunkt Unterrichtsvorbereitung. Ich bin verantwortungsbewusst. Egal was ich mache, ich habe den Anspruch eine mindestens mittelmäßige Professionalität an den tag zu legen. Dementsprechend habe ich meine methodischen Reihen immer mit Sorgfalt vorbereitet und bin an einem Lernprozess der Schüler interessiert. Dennoch kommt die sorgfältige Vermittlung von methodischen Reihen immer zu kurz, da ich nur mit dem Überleben im Unterricht beschäftigt bin. D.h. Autorität wahren, Disziplinieren, gegen aufmüpfige Schüler ankämpfen. Kostet mich Kraft, macht mich nervös und unsicher und irgendwie komme ich dadurch ins Schwimmen und kann die sorgfältig vorbereiteten meth. Reihen nicht mehr sorgfältig vermitteln. Aus diesem Grund ist die Lust auch nicht vorhanden, den Schülern etwas beizubringen weil ich mit den Gedanken nicht bei dem Inhalt bin.

Im Großen und Ganzen macht mir die Arbeit mit Kindern jedoch keinen Spaß. Ich fühle mich vor einer Klasse unsicher, habe Angst vor Fehlern, stehe nicht gerne im Mittelpunkt. Das Disziplinieren fällt mir schwer weil ich mich vor dem Risiko scheue, dass die Schüler mich nicht als Autorität wahrnehmen und meine Versuche der Disziplinierung nicht berücksichtigen. Dennoch klappt das Disziplinieren von Zeit zu Zeit (nicht immer, liegt aber auch an meiner fehlenden Erfahrung), sodass ich durchaus zu der Aussage komme, ist für mich erlernbar.

Allgemein mag ich Kinder nicht besonders. Kinder geben mir nichts. Auch nicht die Arbeit mit Kindern. Auch im Alltag versuche ich Kinder zu meiden, umgebe mich lieber mit Erwachsenen. Ich mag es nicht besonders, von der Rolle eines rational argumentierenden Individuum abzuweichen. Dieses didaktische Runterbrechen von Inhalten und Sprache fällt mir schwer und liegt mir nicht. Ich verhaspele mich z.b öfter mal bei Anweisungen.


Fazit:
Nach den Erfahrungen, die ich in den letzten Monaten gesammelt habe, würde es mich unheimlich erleichtern, wenn ich einen Schlussstrich unter das Kapitel Lehramt setzte und mich umorientiere. Das Unterrichten fällt mir schwer, ich fühle mich unwohl und belastet, durch den von empfundenen Stress leidet mein Alltag darunter, selbst in so einem geschützten Rahmen in dem ich mich gerade befinde. Die Arbeit mit Kindern erfüllt mich kaum, manchmal gibt es positive Erlebnisse z.b wenn meine methodischen Reihen fruchten und sich einzelne Kinder innerhalb von einer Stunde weiterentwickeln. Diese Situationen kommen selten vor. Ich sehe mich nicht als Lehrer, bin der Meinung ich bin innerlich zu unsicher, mir fehlt ein sicheres Auftreten. Denke die Schüler bemerken dies und greifen meine Autorität an. Kein Vorwurf an die Kids.
Vielleicht sind diese Unsicherheiten normal, vielleicht auch nicht. Dennoch habe ich schon in anderen Jobs außerhalb des pädagogischen Bereichs gearbeitet und ich muss ganz klar sagen, der Grad der inneren Entspannung und seelischen Gesundheit war dort deutlich besser. Das Szenario Schule erfüllt mich mit Unbehagen. Unterrichten, Unterricht vorbereiten, Beraten, Disziplinieren, Gruppenprozesse steuern, mit Eltern diskutieren, Sommerfeste leiten, Fussballturniere organisieren, Dem Kontra der Schüler entgegenwirken... bei dieser Aussicht fühle ich mich unfassbar überfordert. Natürlich bin ich Berufsanfänger und würde im Ref eine Menge dazulernen. Aber ich frage mich wirklich ob ich meiner psychischen Gesundheit das antun soll. Denn bereits in einem geschützteren Rahmen im vgl. zum Ref komme ich bereits an meine Grenzen. Das Ref wird deutlich schwieriger.

Eine Motivation besteht jedoch:
Habe mich mit dem unbedingten Durchziehen des Studiums in eine missliche Situation gebracht. Meine Bewerbungen außerhalb des Lehramts scheitern, liegt daran, dass ich mich aufgrund einer fehlenden Substanz nicht gut verkaufen kann.
Deswegen ist der Erste Grund die finanzielle Sicherheit. Das Ref würde mir 18 - Monate diesbezüglich Ruhe verschaffen.
Zweitens: Lehrerpersönlichkeit vs. Routine. Ist die Lehrerpersönlichkeit unveränderbar? Muss man gewisse Charaktereigenschaften durch seine Sozialisation mitbringen und wenn nicht, sind diese auch nicht mehr erwerbbar? Meine Hoffnung ist, dass durch Routine und Erfahrung ich gefallen finden kann am dem Job. Jedoch ist meine Haltung seit Anfang des Studiums absolut negativ und ich zweifle an letzterem.
Bin auf eure Impulse gespannt. Vielen Dank.
Zuletzt geändert von saurus am 24.10.2020, 2:23:38, insgesamt 1-mal geändert.

Rets
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Re: Ref beginnen oder alternative suchen?

Beitrag von Rets »

Mein Punkt zum Ref: Das Ref frisst dich auf, auch wenn dir all die Dinge, die du negativ assoziiert hast, eigentlich gut gefallen. Dementsprechend bringt dir die finanzielle Sicherheit im Ref nix, weil du das Problem nur 18 Monate nach hinten verschiebst. Du wirst das Ref nicht mit dem Anspruch wenigstens mittelmäßiger Professionalität machen können und gleichzeitig Zeit haben, dich großartig neu zu orientieren.

Zum Lehrersein: Man kann das alles lernen, aber das Lehrer-sein ist als Arbeit mit Menschen in einem besonderen Maße auch eine Berufung. Ich denke, dass jegliche Arbeit mit Menschen immer auch ein besonderes Maß an Lust / Hingabe / .. verlangt, da man einen Mensch nicht einfach auf die Ablage legen kann und als Akte einfach am nächsten Tag weiterbearbeitet.

Mein Eindruck: Deine Erfahrungen sind wertvoll und wichtig. Sie lesen sich für mich so, als wenn du unbedingt einen anderen Weg einschlagen solltest. Meiner persönlichen Meinung nach birgt es dir am meisten, wenn du dies sofort machst. Auch wenn dich das finanziell erst einmal in eine Unsicherheit bringt. Aber ein Aushilfsjob bietet dir mehr Freiraum, um dich neuzuorientieren, als es das Referendariat tun würde - und auch dieser bezahlt die Rechnungen.

Alles Gute !

Löwenherz
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Re: Ref beginnen oder alternative suchen?

Beitrag von Löwenherz »

Ich kann mich Rets nur anschließen: Vor allem der Umstand, dass du deutlich analysierst, dass die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen dich nicht erfüllt und auch nicht motiviert spricht klar gegen eine Absolvierung des Refs. Mal ganz abgesehen davon, dass SuS Lehrer und Lehrerinnen verdient haben, die den Job gerne machen und sie grundlegend mögen, ist das auch für dich keine gesunde Basis, schon gar nicht im Ref, wo du durch viele Durststrecken nur durchkommst mittels der Motivtion dich in genau "deinem" Beruf zu qualifizieren und für deine SuS so gut zu werden, wie du es vermagst und leisten kannst. Ohne diese intrinsische Motivation ist ein Ref sicherlich nicht unmöglich, aber ich nehme an, man muss sich dann ein anderes klares Ziel setzen, um es dennoch überstehen zu können ganz unabhängig davon, was Mentoren und Lehrbeauftragte womöglich an Grenzen setzen.

Man verdient im Ref nur unwesentlich mehr als mit ALG II, was bedeutet, dass du angesichts der aktuellen Wirtschaftslage mit Vollbeschäftigung in einigen Bundesländern bei entsprechender Flexibilität problemlos einen Aushilfsjob finden wirst, der dir mit einer 40h-Woche vss. mehr netto in die Kasse spülen wird. Schon eine Tätigkeit als Kassierer_in bringt netto ähnlich viel ein, wie das Ref. Wirtschaftliche Gründe sollten dich also nicht ins Ref treiben.

Natürlich kann man vieles lernen, was dir jetzt vielleicht noch fehlt (wie beispielsweise die Didaktische Reduktion, die du ansprichst), gerade auch unterstützt durch die kritische Rückmeldung und Tipps der Mentoren und LBs. Aber wenn Dinge wie Classroom Management dir bei deiner jetztigen Tätigkeit nach einigen Wochen der Übung und Erfahrung nicht deutlich leichter fallen, ist es gut, das dir das zu denken gibt.
Das du Kinder deiner Aussage nach nicht besonders magst ist ehrlich gesagt für mich ein vollständiger Ausschlussgrund für den Beruf und andere pädagogische/soziale Tätigkeiten mit dieser Altersgruppe. Das ist eine Grundhaltung, die sich kaum ändern wird. Du hast was besseres verdient als Job und wirst dank des Studiums auch etwas finden (die Arbeitslosenquote unter Akademikern betrug auch noch zu Zeiten hoher Arbeitslosigkeit um die 2%); deine SuS werden unschuldige Kinder sein, die nicht die Wahl haben, mit wem sie zusammenarbeiten müssen, zumindest aber die Chance haben sollten mit Lehrern zu tun zu haben, die ihnen gegenüber eine positive und aufgeschlossene Grundhaltung zu haben und den Job nicht nur für Geld und Ferien machen bis der Burnout oder die Frühpensionierung sie erlösen.
Gute Schulen und ein gutes, lernförderliches Schulklima leben letztlich auch davon, dass Lehrkräfte mehr machen, als nur das Pflichtprogramm, angefangen mit scheinbaren Kleinigkeiten wie Schullandheimen und Abschlussfahrten (für die man Begleitpersonen finden muss), Chor- oder SMV-Wochenenden, Projektwochen, etc. Kinder und Jugendliche zu mögen ist da eine wichtige Grundvoraussetzung meines Erachtens, auch wenn man auf individueller Ebene dann durchaus mal ein Exemplar der Version "extra- arbeitsintensiv" schwerer zu mögen finden kann. Persönlich versuche ich bei jedem meiner SuS wenigstens eine Sache zu finden, die ich mag, da ich weiß, dass ich dann besser mit meinen SuS zusammenarbeiten kann, leichter auf der Beziehungseben Konflikte lösen kann, statt rein disziplinarisch vorzugehen, besser in Kontakt komme mit ihnen, um sie für meinen Unterricht zu motivieren und "mitzunehmen" auch bei für sie weniger spannenden Themen. Meine SuS zu mögen ist insofern so etwas wie eine grundständige Arbeitshaltung für mich, ohne die ich meinen Beruf nicht machen könnte.

Was deine Probleme mit dem "dich verkaufen" anbelangt, so könnte sich ein offenes Gespräch mit einem Berater in deinem örtlichen Arbeitsamt lohnen. Vielleicht gibt es da ja die Möglichkeit an einem kompakten Bewerbungstraining teilnehmen zu können, um ein wenig über diese Form der Selbstvermarktung zu lernen. Auch die Gewerkschaften bieten teilweise spezielle Beratungen an für Kollegen, die sich außerhab des Bildungsbereichs umorientieren wollen.

tiger
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Re: Ref beginnen oder alternative suchen?

Beitrag von tiger »

saurus hat geschrieben:Im Großen und Ganzen macht mir die Arbeit mit Kindern jedoch keinen Spaß. (...) Allgemein mag ich Kinder nicht besonders. Kinder geben mir nichts. Auch nicht die Arbeit mit Kindern. Auch im Alltag versuche ich Kinder zu meiden, umgebe mich lieber mit Erwachsenen. (...) Dieses didaktische Runterbrechen von Inhalten und Sprache fällt mir schwer und liegt mir nicht. (...) Das Unterrichten fällt mir schwer, ich fühle mich unwohl und belastet (...) Die Arbeit mit Kindern erfüllt mich kaum (...) Ich sehe mich nicht als Lehrer
Damit ist die Sache doch klar. Man fragt sich natürlich, wie du dazu gekommen bist, ein Lehramtsstudium auch nur anzufangen, weil vieles von dem, was du beschreibst, relativ überdauernde Persönlichkeitsmerkmale sind, die schon in deiner Jugend bestanden haben müssen.

Servent
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Beitrag von Servent »

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Zuletzt geändert von Servent am 22.09.2019, 10:34:13, insgesamt 1-mal geändert.

tiger
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Re: Ref beginnen oder alternative suchen?

Beitrag von tiger »

Duden: man

1. Bedeutung: jemand (sofern er in einer bestimmten Situation stellvertretend für jedermann genommen werden kann)

Maximer
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Re: Ref beginnen oder alternative suchen?

Beitrag von Maximer »

tiger hat geschrieben: Damit ist die Sache doch klar. Man fragt sich natürlich, wie du dazu gekommen bist, ein Lehramtsstudium auch nur anzufangen, weil vieles von dem, was du beschreibst, relativ überdauernde Persönlichkeitsmerkmale sind, die schon in deiner Jugend bestanden haben müssen.
Persönlichkeitsmerkmale sind nicht schon zur Jugendzeit "überdauernd"; gerade in dieser Phase geht doch die Reifung der Persönlichkeit erst so richtig ab. Der Lehrerberuf wäre mir in meiner Jugendzeit nicht im Traum in den Sinn gekommen und mit Kindern konnte ich auch nicht viel anfangen.

Wer mit gerade mal 17-19 Jahren ein Lehramtsstudium anfängt, dem muss man schon nachsehen, dass viele Erfahrungswerte erst im Laufe der Jahre hinzukommen und da versäumen es manche leider, rechtzeitig die Notbremse zu ziehen und reden sich die Welt schön.

Der Threadstarterin kann man allerdings nur den Tipp geben, sich beruflich grundlegend neu zu orientieren. Das Referendariat würde sie mit diesen Voraussetzungen sowieso keine 6 Monate durchstehen können.

Maximer

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