Wozu gibt es Mentoren?

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
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Löwenherz
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Re: Wozu gibt es Mentoren?

Beitrag von Löwenherz »

tiger hat geschrieben: Und täglich grüßt das Murmeltier. Ein weiteres Beispiel dafür, wo Noteninflation hinführt: Die Referendare kommen mit der Note 1,x von der Uni (schlechtere Noten werden praktisch nicht mehr vergeben) und halten sich für die geborenen Lehrer. Werden Sie (zu Recht) kritisiert, laufen sie sofort weinend aus dem Raum und betteln hier im Forum um emotionale Zuwendung ...
Ach Katerlein, das war doch schon bei dir nicht mehr so, warum sollte dass dann jetzt plötzlich so sein?! Ich hab ein Studium an der Uni abgeschlossen- da gab es die 1,x nicht geschenkt, hab mehrere Jahre Berufserfahrung gesammelt und ein Studium an der PH abgeschlossen- da gab es die 1,x auch nur für außerordentliche Leistungen. Meine Literaturliste im einen Prüfungsteil eines Fach hatte da ganz entspannt fast 60 Titel, so ne 1,0 muss man sich in ner Prüfung schließlich erstmal verdienen. (Und die hatte ich auch nicht überall.)

Also back on topic oder ich pack die Katzenminze aus, pardon: Eximam nepeta cataria.

tiger
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Re: Wozu gibt es Mentoren?

Beitrag von tiger »

Löwenherz hat geschrieben:das war doch schon bei dir nicht mehr so, warum sollte dass dann jetzt plötzlich so sein?
Studienanfängerquote 1950: 5 %, 1990: 30,4 %, 2015: 58,2 %. Was ist nun wahrscheinlicher: Dass der Anteil der für ein Studium geeigneten Schulabgänger sich mehr als verzehnfacht hat oder dass die Anforderungen gesenkt worden sind?

Löwenherz
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Re: Wozu gibt es Mentoren?

Beitrag von Löwenherz »

Da gehts aber um Zugangsnoten, sprich Abitur/FH-Reife, nicht um die Studienendnoten, auf die du dich davor bezogen hattest.

5% eines Jahrgangs, die ein Studium begonnen haben 1950- was für eine elitäre Schande wir uns da doch geleistet haben! Da hat sich ja zum Glück einiges verändert, auch wenn unser Bildungssystem leider ja noch immer viel zu stark damit beschäftigt ist primäre und vor allem sekundäre Herkunftseffekte bei der Steuerung von Bildungsbiographien zu Wort kommen zu lassen, wie alle Jahre wieder die Freunde von PISA,IGLU und Co. feststellen. (Armuts-und Reichtumsbericht der BRD 2008: 46/100 Kindern aus Nicht-Akademikerfamilien erreichen die Sek.II, in Akademikerfamilien sind es 88/100. Die Hochschulzugangsberechtigung erhalten dann noch von den Nicht-Akademikerkindern 23/100, während es bei Kindern aus Akademikerfamilien 83/100 sind. PISA 2012: schichtenspezifische Unterschiede im Bereich Mathematik machen rund 1 Schuljahr aus, Bildungsverlierer sind die unteren Einkommensschichten, Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund und Kinder mit Behinderung.)

Wenn es da eine Noteninflation gibt, so betrifft sie wohl nur bestimmte Gruppen von Schülerinnen und Schülern, anders lässt sich die Befundlage kaum erklären gerade auch vor dem Hintergrund von Aspekten der direkten und indirekten Diskriminierung im deutschen Schulsystem.
Fakt ist aber natürlich, dass es deutlich mehr Absolventen mit Abitur gibt heutzutage: Ob das jetzt daran liegt, dass für viele Ausbildungsstellen ein Haupt- oder Realschulabschluss längst nicht mehr ausreichend sind oder die Anforderungen der Arbeitgeber dem Angebot gefolgt sind- klassisches Henne-Ei-Problem. Aber beide Seiten folgen da natürlich den Marktprinzipien von Angebot und Nachfrage.
Mehr Absolventen mit Hochschulzugangsberechtigung bedeutet aber nicht, dass denen die 1,x nachgeworfen wird, es bedeutet erstmal vor allem, dass unser Bildungssystem ein gutes Stück durchlässiger geworden ist, als noch 1950 (bei allen eklatanten Schwächen, die die Politik anzugehen vermeidet), vor allem dank des Einsatzes vieler engagierter Lehrer, die vorrangig versuchen ihren SuS Türen öffen zu helfen, nicht diese zu verschließen suchen. Ich habe viele SuS zum Abitur begleitet bei meiner früheren Tätigkeit, die 1950 durchs Sieb gerutscht wären angesichts des sozioökonomischen Familienhintergrunds. Ein paar der Kinder hatten herausragende Schulnoten- hart erkämpft mit eiserner Selbstdisziplin, Willenskraft und etwas Unterstützung bei Dingen, die die Eltern nicht unterstützen konnten. Viele habe ein Abitur mit 2,x gemacht- nicht minder hart erkämpft, ebenso wertvoll und haben ihre berufliche Nische in Studium oder Ausbilung gefunden, wo sie seitdem tatsächlich oft zu den Besten gehören. Nicht, weil ihnen im Studium plötzlich die guten Noten geschenkt würden, sondern weil sie sehr früh lernen mussten sehr selbstverantwortlich für ihren Bildungserfolg zu kämpfen und sich anders als viele andere Erstis keine entspannte Auszeit mit Feiern genommen haben statt konsequent weiterzulernen.

Was die "inflationäre" Vergabe von 1,x (in Schule oder Studium) anbelangt: Sicherlich gibt es die in Einzelfällen. Der Vorbereitungsdienst für gymnasiales Lehramt in BaWü ist ein Stück weit so ein Fall aktuell: Da es kaum Stellen gibt bei hohem Bewerberüberhang (darf ja jeder machen mit Studienabschluss LA Gym) werden nur die Besten eingestellt. Um guten Kandidaten eine Chance im Verfahren zu verschaffen, wird da durchaus mal ne halbe Note besser benotet (Argumente lassen sich bei Grenzfällen ja schnell finden), da jeder weiß, dass jenseits der 1,x kaum eine Fachkombination benötigt wird. Die Schulen haben also die freie Wahl unter Fluten an Bewerbern, die den Noten nach alle herausragend sind (kein anderer Vorbereitungsdienst in BaWü generiert derart viele exzellente Abschlüsse; kein anderer Schulbereich in BaWü hat aber auch einen derartigen Bewerberüberhang, bei allen anderen herrscht eher Mangel in unterschiedlichem Ausmaß, auch eine realistische 2,x (GS/ SBBZ: 4,0) im Examen führt also in den Beruf).

tiger
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Re: Wozu gibt es Mentoren?

Beitrag von tiger »

Löwenherz hat geschrieben:auch wenn unser Bildungssystem leider ja noch immer viel zu stark damit beschäftigt ist primäre und vor allem sekundäre Herkunftseffekte bei der Steuerung von Bildungsbiographien zu Wort kommen zu lassen
Das liegt nur zum Teil am Bildungssystem. Der höchste erreichte Bildungsabschluss korreliert mit der Intelligenz, und die Intelligenz (als Populationsmerkmal, wohlgemerkt) hat eine starke genetische Komponente. Die Forschungslage weist auf eine Heritabilität von etwa 60 Prozent hin. Das bedeutet, dass alle anderen Einflüsse (soziale Situation, Erziehung, Ernährung ...) zusammengenommen lediglich 40 Prozent der Varianz erklären können.

Folglich ist auch bei einem "perfekt gerechten" Bildungssystem davon auszugehen, dass der Anteil der Akademikerkinder unter den Studenten größer ist als der der Nichtakademikerkinder, sofern man davon ausgeht, dass die kognitive Begabung einer Person als Vorhersagekriterium dafür dienen kann, ob diese Person ein Studium aufnehmen wird. (Kann man, da der IQ mit der Abiturnote korreliert und das Abitur in der Regel eine Voraussetzung für die Zulassung ist.)

Fränzy
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Re: Wozu gibt es Mentoren?

Beitrag von Fränzy »

Ist zwar off Topic, aber mein Vater war Maurer und alle seine 4 Kinder haben studiert. Meine jüngste Schwester ist sogar an einer höheren an einem BM. Mein Vater ist definitiv sehr intelligent. Von daher stimmt es zumindest für Migranten nicht unbedingt.
שָׁלוֹם

Löwenherz
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Re: Wozu gibt es Mentoren?

Beitrag von Löwenherz »

Also das "lediglich" würde ich da vor den 40% streichen wollen. Ist schließlich ein immer noch verdammt großer Anteil, was ja auch die Befunde aller Bildungsstudien stützen, die speziell Deutschland wieder und wieder und wieder in den Stützkurs "Bildungsgerechtigkeit" schicken. Meines Erachtens wäre es ganz grundlegend erforderlich, nicht immer erst an der Stellschraube Schulsystem zu wirken, sondern die frühkindliche Bildung in den Fokus zu nehmen. Was da verpasst wird, kann nunmal auch das fairste Schulsystem mit den engagiertesten Lehrern kaum noch auffangen.Da würde es uns gut zu Gesicht stehen, den Kindergarten zu einer verpflichtenden und damit kostenfreien Veranstaltung zu machen und auch die Kita komplett kostenfrei zu gestalten. Ist schon absurd, dass wir uns am Ende "Studium" kostenfreies Lernen leisten wollen, nicht aber in diesen so zentralen und unersetzlichen ersten Lebens- und Lernjahren, die so viele Weichen stellen. Und kann mir mal nochmal einer erklären, warum wir hier in BaWü ungeachtet des Wissens um erfolgreiche Lernarrangaments bezogen auf das Leistungsvermögen von Lernern, gerade die leistungsschwächsten SuS mit einer Schulform beschenken, die dank vieler offenerer Lernarrangements eine ideale Lernumgebung für besonders leistungsstarke Lerner darstellt und diese optimal fördert? (Die Päds bei uns am Seminar können es jedenfalls nicht, schütteln da selbst den Kopf drüber.)

Löwenherz
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Re: Wozu gibt es Mentoren?

Beitrag von Löwenherz »

Fränzy hat geschrieben:Ist zwar off Topic, aber mein Vater war Maurer und alle seine 4 Kinder haben studiert. Meine jüngste Schwester ist sogar an einer höheren an einem BM. Mein Vater ist definitiv sehr intelligent. Von daher stimmt es zumindest für Migranten nicht unbedingt.
...und das kommt noch dazu.

Man darf auch nicht vergessen, was Migration in ein anderes Bildungssystem für viele Menschen bedeutet: Auch wenn Deutschland da inzwischen der UNO als vorbildlich gilt, werden oft Bildungsabschlüsse nicht anerkannt (oder können nicht ausreichend nachgewiesen werden, weil man dummerweise auf der Flucht keinen Aktenschrank mit Zeugnissen aller Art mitgerollert hat) oder Menschen gehen lieber in Ausbildung und Erwerbsleben, um Geld zu verdienen, da der Luxus eines Studiums nicht leistbar ist. Ich kenne beide Fälle aus dem Freundes- und Familienkreis. Ob eine Person ein Studium aufnehmen kann hängt also durchaus auch heutzutage noch eben gerade nicht nur von Intelligenz und Co.ab, sondern von vielen anderen Faktoren, die als primäre und sekundäre Herkunftseffekte u.a. an der Stellschraube "Übergang Sek II- Studium" greifen.

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