An alle Opportunisten-Refs!

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
SecretCrush
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An alle Opportunisten-Refs!

Beitrag von SecretCrush »

Ich für meinen Teil versuche eine 100% Kopie meines Prüfers zu werden. Ich weiß, dass das nicht sehr individuell ist und auch ganz und gar nicht mutig. Aber ich will ne gute Note und sonst nichts.


(Das ist ein Zitat von Lena aus einem Beitrag unter dem Punkt "Ungerecht beurteilt".)

Ja, Lena,

genau DAS ist es, was - neben nervigen, ungerechten und weltfremden Fachleitern - das Schlimmste am Referendariat ist: der Opportunismus der Referendare.

Auch ich kritisiere viele Ungereimtheiten und Fehlkonzeptionen im Referendariat - am häufigsten allerdings kann ich mich über meine Ref-Kollegen aufregen, von denen die Mehrzahl sich leider genauso wie du gibt: Sie wollen eine gute Note und sonst nichts. Kritik ja - aber bitte nicht laut! Es könnte ja jemand hören, der mir in einigen Monaten noch einmal ein Gutachten schreibt.
Sich tierisch über die Missstände im Ref aufregen ja - aber bloß keine Veränderungen vorschlagen oder gar anstreben, nicht mal im Kleinen (= dem eigenen Seminar)! Es könnte ja jemand missverstehen, der mir in einigen Monaten noch einmal ein Gutachten schreibt.
Über den ganzen Stress ständig stöhnen - aber nichts in Frage stellen, alle Vorgaben willig schlucken, sich an alle Paragraphen kleinlichst halten, nicht abweichen, nicht gegen den Strom schwimmen (nicht einmal 100 Meter), penibel alles nach Vorschrift erledigen. Es könnte sonst ja jemand verärgert werden, der mir in einigen Monaten noch einmal ein Gutachten schreibt.

Ich stimme übrigens voll dem zu, was du jetzt vielleicht erwidern würdest - dass nämlich das personenbezogene System im Ref den Opportunismus fördert. Natürlich tut es das. Andererseits: Zwischen völliger Anpassung und dem Versuch, zu einer Kopie seiner selbst zu werden und fruchtlosem Rebellentum a la Michael Kohlhaas gibt es noch eine ganze Menge sinnvoller Zwischenstufen...

Ich bin es wirklich leid, von erwachsenen Menschen umgeben zu sein, die nur eines im Kopf haben: gute Noten zu bekommen. Ehrlich, ihr opportunen Mitläufer nervt mich so dermaßen an - ihr seid schlimmer als die schleimigsten Schüler, die ihr tagtäglich unterrichtet (und vor denen ihr vermutlich auch noch über Eigenständigkeit, Individualität und Zivilcourage schwadroniert)! Werdet endlich erwachsen, werdet endlich standhafte Persönlichkeiten, die sich nicht wie die Fähnchen jedem Wind anpassen! Viele von euch würden doch sogar ihre Mutter verkaufen, wenn sie dafür einen Notenpunkt besser abschnitten...

Letztlich ist das System im Referendariat nämlich genauso, weil es die meisten Refs gar nicht anders verdient haben. Weil die Mehrheit der Refs ein angepasster, langweiliger Haufen ist, der nur auf eigenen Vorteil bedacht ist. Weil die meisten Refs zu dem gemacht werden, was sie sind - angepasste Schleimer nämlich. Und vor allem: Weil die meisten es widerspruchslos mit sich machen lassen.

Wollen wir eigentlich, dass solch unmündige Menschen Jugendliche unterrichten??

Im Übrigen, um der Frage vorzubeugen: Ja, auch ich bin ein Ref. Aber ich habe mich tatsächlich noch nicht verbogen - und noch nicht verbiegen lassen. Ich bin gewiss kein "Superref" und mir liegt es fern mit irgendwas zu prahlen - aber ich sage, wenn mir etwas stinkt. Und das Seltsame: Ich stehe notenmäßig dennoch sehr gut da.

Komisch, oder? Vielleicht solltet ihr einfach auch nur mal ein bisschen riskieren anstatt gleich den Schwanz einzuziehen. Es geht nämlich durchs Ref auch ohne Opportunist zu sein - auch mit ordentlichen Ergebnissen.

Aber dafür müsstet ihr ja eure Bequemlichkeit aufgeben.

Nick


P.S.: Übrigens, auch auf dieser Seite wird opportunes, angepasstes Verhalten ganz groß geschrieben. So ist unter dem Punkt "Verhalten (im Ref)" zu lesen:
Passt euch im Zweifelsfall immer an den Stil und die Wünsche eueres Ausbilders an (vgl. auch Beurteilungskriterium: XY ist bereit auf Anregungen einzugehen)!
Wenn ich solch Empfehlungen für Duckmäusertum lese, packt mich echt die Wut. Solche "selbstständigen" Lehrer, ja, die wollen wir!

Lysander

Re: An alle Opportunisten-Refs!

Beitrag von Lysander »

Hallo!

Ich würde die ganze Sache differenzierter sehen. Wenn ich in den Lehrproben versuche eine 100%ige Kopie meines FLs zu sein, dann könnte das auch geschicktes Schauspielern sein. Ich habe aus eigener Erfahrung gelernt, dass es nichts bringt, authentisch und man selbst zu sein, wenn die Note nach der Lehrprobe dann eben nicht 1 oder 2 ist. Hier geht es um gesunden Pragmatismus nach dem Motto: Mein FL will XYZ - er kriegt XYZ. Was ich in den ganzen anderen Stunden vorher und nachher (und vor allem in den nächsten 35 Jahren) an Unterricht mache, ist etwas völlig anderes.

Insofern hat die Schreiberin, die eine Kopie ihres FL sein will, durchaus Recht, wenn es darum geht, gute Noten und dann auch eine Stelle zu kriegen.

Wenn ich das nur nach Außen hin mime aber innen drin noch ich selber bin, gibt es daran nichts auszusetzen - alles andere wäre sicherlich "ehrbarer" aber im wahrsten Sinn des Wortes brotlos.

Gruß
Jules

Melosine

Beitrag von Melosine »

Hallo,

ich kann nicht umhin, Nick teilweise zuzustimmen.
Das Geschleime finde ich auch ganz schlimm und ich hab es schon des öfteren erlebt, dass im trauten Kreis der Refis gemotzt wird, dass sich die Balken biegen, aber niemand den Mund aufmacht, wenn der FL anwesend ist.

Mir geht es auch so, dass sich alles in mir sträubt, eine 1:1 Kopie meiner Ausbilder zu werden. Sie können mir etwas vermitteln, das ich bestenfalls umsetzen und in meinen Stil integrieren kann.

Ich muss mir auch noch selber im Spiegel in die Augen schauen können und nicht das Gefühl haben, meinen Ausbildern in den Allerwertesten gekrochen zu sein.

Irgendwie kann ich mir auch nicht vorstellen, dass alle Ausbilder das ganz toll finden. Ich hab zumindest einen, der die individuellen Vorraussetzungen des jeweiligen Refis berücksichtigt.

Mir wärs jedenfalls zuwider, wenn sich Schüler derart anbiedern würden.

Man muss dann möglicherweise einkalkulieren, dass man nicht mit einer 1 abschneidet.
Das ist allerdings schwer, das geb ich zu...

LG,
Melosine

Lysander

Beitrag von Lysander »

Hallo Melo!

Vielleicht muss man noch weiter differenzieren. Das eine ist der Pragmatismus in den Lehrproben, dass man das macht, was der FL sehen will. Das gibt dem FL das Gefühl, er/sie konnte etwas vermitteln. Das ist pure Kalkulation meinerseits. Ich stimme Dir zu, dass es ziemlich daneben wäre, einerseits über die FL zu lästern und sich in seiner Anwesenheit einzuschleimen. Letzteres ist aber etwas anderes. Wenn ich ganz bewusst in der LP das mache, was der FL sehen will, dann kann ich hinterher immer noch in den Spiegel sehen, weil es Schauspielerei war - und mit diesem Bewusstsein bin ich ja vorher in die Planung und in die Stunde gegangen.

Ganz pragmatisch gedacht bringt es einem nichts, wenn man sich radikal auch nach außen hin immer selbst treu ist, wenn die Note hinterher nicht stimmt. Wichtig ist vielmehr, dass man sich nach innen treu ist. Und das bin ich beispielsweise immer geblieben.

Gruß
Jules

SecretCrush
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differenzieren... oder weichspülen?

Beitrag von SecretCrush »

@Jules,

du schriebst:
Insofern hat die Schreiberin, die eine Kopie ihres FL sein will, durchaus Recht, wenn es darum geht, gute Noten und dann auch eine Stelle zu kriegen.
Deine "differenziertere" Sichtweise in Ehren - ich halte sie allerdings eher für eine weichgespülte Sichtweise. Möglicherweise aber habe ich in meinem Eröffnungs-Posting auch nicht deutlich genug gemacht, welche Art von Opportunismus mich tierisch annervt. Es geht mir nämlich weniger um das Verhalten während der Unterrichtsbesuche - diese Situationen sind ohnehin in keinster Weise ein Abbild "normaler" Realität und insofern hab ich auch nichts gegen Schauspielerei, das gehört zum Spiel dazu -, als vielmehr um jene unter Refs sehr weit verbreitete Sichtweise:
Ich will eine gute Note und sonst nichts.
Genau diese Notenfixiertheit führt nämlich zum Duckmäusertum! Und paradoxerweise bemängeln ausgerechnet viele jener Opportunisten-Refs bei ihren Schülern ähnliche Verhaltensweisen - a la "die Jugendlichen heute stehen für nichts mehr ein", "die heutigen Schüler haben keine eigene Meinung mehr", "die würden für gar nichts auf die Straße gehen". Da frage ich mich doch: Ja, wie denn auch, bei solchen Junglehreren? Die Opportunisten-Refs wären doch die letzten, die gegen die Missstände im Ref auf die Straße gingen (vor allem dann, wenn es um die Straße vor dem eigenen Seminar geht, denn da könnte man ja von jemandem gesehen werden, der einem später noch ein Gutachten schreibt...)!

Mir geht es also ganz bestimmt nicht um legitime Schauspielerei während Unterrichtsbesuchen, aber um alles andere.

Mir geht es um Kommentare wie "Halt dich aber lieber mit deiner Kritik zurück, denn da würden wir nicht so hinterstehen, schließlich benötigen wir noch das Wohlwollen unseres Seminarleiters", wenn es um (berechtigte) Kritik an Abläufen im Hauptseminar geht, über die sich ALLE aufregen - aber natürlich nur, wenn kein Seminarleiter in Sicht ist.

Mir geht es um Kommentare wie "Du stehst nur auf 2? Da würd ich mir ja doch überlegen, noch einen zusätzlichen Unterrichtsbesuch zu machen, um in den 1er-Bereich zu kommen!" Solch eine Notengeilheit macht mich krank! Schülern erzählen wir vormittags, eine 3 sei doch keine schlechte Zensur - was sie definitiv ja auch nicht ist -, und selber reden wir uns schon Zweien mies! Da frage ich mich wirklich, ob jene Refs noch alle Tassen im Schrank haben. Und bitte, jetzt komme mir keiner mit dem Argument, dass man schließlich 1er-Noten benötige, um eine Stelle zu bekommen. Erstens kenne ich mehrere Gegenbeispiele (nämlich 3er-Examina, die alsbald in Lohn, Brot und Verbeamtung standen, und das auch mit gängigen Fächern) und zweitens rechtfertigt das meiner Ansicht nach immer noch keinen unbedingten Gehorsam.

Manchmal frage ich mich wirklich: Was würden all jene Opportunisten-Refs machen, wenn ein Seminarleiter wirklich etwas absolut Unmenschliches verlangen würde - ihnen bei williger Folgsamkeit aber eine 1 verspräche? Ich möchte es mir gar nicht ausmalen... aber ich prophezeie: Es würden nicht alle, aber sehr viele (zu viele!) Refs zwar vielleicht mit Gewissensbissen, aber letztlich willig folgen. Mit der schönen Begründung: Ich brauch doch eine gute Note, um eine Stelle zu erhalten...

Für all jene hoffe ich, dass irgendwann wieder ihr kritisicher Geist erwacht (und zwar nicht nur, wenns um eigene Interessen geht!) und sie begreifen, dass der Zweck eben nicht die Mittel heiligt. Ohne mir auf die Schulter zu klopfen, kann ich sagen, dass ich - und mit mir auch noch zwei andere, aber mehr leider nicht - meine Klappe im Ref nicht gehalten habe und auch nicht halte (wohlgemerkt, ich spreche von diplomatisch vorgetragener, konstruktiver Kritik und nicht von Pöbeleien!) und notenmäßig dennoch sehr gut bis gut dastehe. Und ich bin ganz bestimmt kein Naturtalent.

Nick

Lysander

Re: differenzieren... oder weichspülen?

Beitrag von Lysander »

Hallo Nick!

Gehen wir doch mal phänomenologisch an die Sache heran.

1. Es gibt anscheinend Referendare, die entweder schleimen oder nur in Abwesenheit des FL lästern.
In der Schule läuft das zwischen Schülern und Lehrern nicht anders.

Spiegelt nun das Referendariat ein ähnliches Verhältnis zwischen Referendaren und FL wieder? Ganz offensichtlich ja.
Und wessen bedient sich der Referendar dann? Ganz offensichtlich dessen, was er in der Schule möglicherweise auch schon erfolgreich angewendet hat.

Wenn die Referendare also in eine Schülerposition wieder herabgedrückt werden, wenden sie folglich auch ähnliche Pattern an.

2. Es gibt anscheinend Fachleiter, die zum einen grottenschlecht sind und zum anderen auch keine Kritik vertragen können.

In der Schule läuft auch das nicht wesentlich anders.
Es gibt Lehrer, die selbstkritisch sind und konstruktive Kritik von Schülern aufgreifen. Es gibt auch solche, die schlecht sind (und das möglicherweise wissen) und keine Kritik vertragen können.
In beiden Lagern gibt es Lehrer, die professionell damit umgehen oder eben auch nicht.

Und wieder spiegelt das Referendariat die Schule wieder mit den bereits genannten Phänomenen.

3. Wenn viele Referendare Verhaltensmuster anwenden, die in der Schule zwischen Schülern und Lehrern Gang und Gebe sind, dann wohl vermutlich deswegen, weil sie sich genau in dieser Rolle sehen.

Wenn also die Referendare diese Pattern nicht mehr an den Tag legen sollen, dann muss ihnen das Gefühl genommen werden, wieder zum Schüler degradiert zu werden.
Gleichzeitig muss aber der Zwiespalt gelöst werden, DASS man als Referendar eben ein "Lehrerschüler" ist - also ein Mensch, der das Lehrersein erst erlernt. Man steht also gewissermaßen AUF der Theke, weil man weder richtig davor (Schüler) oder dahinter (Lehrer) steht.

Dieser Zwiespalt wird sich nicht auflösen lassen. Auch die Fachleiter sind gewissermaßen "Lehrerlehrer", d.h. sie bringen uns bei Lehrer zu werden. (Oder zumindest ist es ihre Aufgabe).

Aus diesem Zwiespalt gibt es meines Erachtens nur wenige Auswege. Beide Seiten müssten sich dessen bewusst sein, in welcher Situation sie sind und entsprechend reagieren.
Es ist so gesehen ein Mangel an Professionalität, wenn ein FL keine Kritik zulässt oder vertragen kann und ebenso wenn ein Referendar keine Kritik direkt an die Zielperson richten kann.

Die Trennung zwischen Rolle, Leistung und Person kriegen viel Referendare aber auch viele FL nicht hin.

Als Lehrer und auch als Referendar oder FL ist es aber an sich überlebenswichtig zu wissen, dass sich vieles an der Rolle, die die entsprechende Person einnimmt, festmacht und weniger an der Person. Wenn ich das weiß, dann können mich viele Verhaltensweisen von Schülern mir gegenüber nicht mehr persönlich treffen, weil vieles sich in der Tat nur an meiner Rolle festmacht.
Eines darf man aber bei diesem Weg nicht vergessen: Selbstreflektiertheit und Selbstkritik - und das in einem gesunden Maße.

Gruß
Jules

Fictor
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Wohnort: Aachen

Beitrag von Fictor »

Bin ganz deiner Meinung!!!!!!
Habe auch öfters Gewissenskonflikte.


zu einem anderen Beitrag:Habe auch öfters Depressionen!!
Ich weiss nicht wie Ich damit fertig
werden soll, hast du da eine idee?


regards,Fic[/quote]

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