Ich kann nicht mehr

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
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Josi

Ich kann nicht mehr

Beitrag von Josi »

Hallo alle miteinander!

Ganz so dramatisch, wie der Titel vielleicht klingt ist es nicht, aber zur Zeit habe ich wirklich manchmal das Gefühl, dass meine Energie nicht mehr bis zu den Sommerferien reicht, geht/ging das euch auch so?
Ich bin jetzt im dritten Halbjahr und eigentlich läuft es bislang nicht schlecht, aber im Moment, die Examensarbeit ist abgegeben und der letzte UB steht an, schleppe ich mich nur noch in die Schule, quäle mich durch die Vorbereitungen und habe noch keine Idee für den Besuch...... :(
Kurz: die Luft ist komplett raus, ich mache zur zeit vermutlich grottenschlechten Unterricht und bis zu den Sommerferien dauert es noch viel zu lange.
Kennt jemand ein gutes (Energie)Mittel gegen solche Zwischentiefs? Sport und Schlafen praktiziere ich schon ausgiebig, und ich habe auch nicht wirklich ganz schlimmen Stress, aber selbst der ganz normale Alltagskram ist zur Zeit zu viel. :?

viele Grüße,

josi

refex
Beiträge: 172
Registriert: 31.05.2005, 11:56:33

Man muss wissen, was man tut

Beitrag von refex »

Es steht weder in der Bibel, noch im Koran, Grundgesetz oder bei Platon und Laotse, dass der Mensch dazu berufen sei, sich einer unlösbaren Aufgabe zu stellen, von einer kafkaesken Bürokratie belästigen zu lassen und schließlich unglücklich und krank zu werden wie ein alter Hund, den man zu oft getreten hat.
Immer unter Strom ist zu stehen hält die stärkste Birne nicht aus.[url]http://www.proll-is-out.de[/url]

KTS

Jeden Tag aufs Neue

Beitrag von KTS »

Also mir gehts ganz ähnlich, bin auch im 3. Semester. Aber wir haben in 3 Wochen in SL-H zum Glück Ferien. Mein Unterricht ist denke ich mal zur Zeit auch nur öde und ohne Ideenreichtum. Hab auch kein Geheimrezept, Tag für Tag anpacken und aufs WE freuen! Halt durch, haben schon das meiste hinter uns! ; :)

lolle

Beitrag von lolle »

Durchbeißen, es geht rum.

Einfach mal nen Tag auf dem Sofa liegen und jeden Müll im Fernsehen ansehen, oder ins Schwimmbad gehen.

Auch bei den Schülern ist die Luft raus, megaanspruchsvollen Unterricht wollen die 4 Wochen vor den Ferien auch nicht mehr. Es ist nicht verwerflich, auch mal weniger durchdachten Unterricht zu machen, wenn man selbst andere Prioritäten setzen muss. Schüler entschuldigen sich so ja auch.
Älteren Schülern kann man das ruhig auch sagen.

Wenn du keine Ideen hast, dann tausch dich doch mal mit anderen Referendaren aus, geht mal zusammen ins Schwimmbad oder so. Dann kann man sich ausweinen, lästern, fachsimpeln - und wenn man nach Hause geht, hat man neue Ideen und stellt fest, dass es allen so geht.
Wir haben auch viel Material ausgetauscht. Das hat unheimlich entlastet, wenn man die ausgearbeitete Einheit von der Kollegin einfach nur unterrichten musste und das Rad nicht neu erfinden musste.

Also: Zähne zusammen beißen und durch - Du schaffst das schon. Wir hatten alle unsere Tiefs. Und es ist so schön, wenn der Stress nachlässt... Sommerferien - ich komme!

Grüße
Lolle

Beatrice
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Registriert: 31.05.2005, 12:49:15

@Josi ... auf andere Gedanken kommen.

Beitrag von Beatrice »

Hallo Josi!

Der öde Unterricht gehört zum Job, wie die Pausen. Das wird sich in den Jahren wohl nicht ändern. Die Schule ist eben kein Ort der Unterhaltung. Der Show-Unterricht, den man in Sendungen wie Quarks & Co. (WDR) miterleben darf, setzt bei den Erwartungen der Zuschauer zwar sehr hoch an, aber hat mit dem Unterrichten an Schulen nichts gemeinsam. Keine Lehrkraft kann sich 4-6 Wochen auf eine Unterrichtsstunde von 45 Minuten so intensiv vorbereiten, wie man es in solchen Sendungen sieht. Ganz zu schweigen von den Mitteln, die Lehrer im Alltag nicht zur Verfügung stehen. Eine Bewertung, ob Unterricht öde oder interessant ist, sollte man erst gar nicht zulassen. Sind die Ziele der Stunde erreicht, dann kann niemand den Lehrern ein Vorwurf machen.

Es grenzt ohnehin an ein Wunder, wenn die Schüler in einer gesättigten Werbewelt, die alle 30 Sek. neue Botschaften transportiert, länger als 15 Minuten auf den Stühlen sitzen können um einer Person ihre Aufmerksamkeit zu widmen. Lehrer sollten zwar die Rolle eines Moderators übernehmen, aber nicht aus der Sicht der Spaßgesellschaft. Die Schule ist eine Vorstufe zur Arbeitswelt und kein Kinderspielplatz. Der Umstand, jede Art der individuellen Förderung und Forderung von Leistung mit einem Rahmenprogramm zu schmücken, vernebelt die Tatsache, dass eine Klassenarbeit kein Wissen abfragt, sondern als Nachweis dient, ob Wissen verstanden wurde. Wenn man in der Schule nicht in der Lage ist, den Kindern und Jugendlichen die Bedeutung der Arbeit zu vermitteln, die leider nur in seltenen Fällen ein Spaziergang ist, dann ist es kein Wunder, wenn viele Schüler versagen oder die Anforderungen auf die leichte Schulter nehmen und Lehrer an ihren Fähigkeiten zu zweifeln beginnen. Die Umstände sollten aber nicht zu Lasten der Pädagogen gehen, die sich selbst noch in der Ausbildung befinden.

Ich rate deshalb zu mehr Abstand, sich selbst überbieten zu wollen. Die Messlatte, die man sich zu Beginn des Referendariats selbst gesetzt hat (und die bei vielen zu hoch liegt), erhält innerhalb von 24 Monaten eine Positionskorrektur, die man als realistisch einstufen kann.

Ich empfehle dir, auf andere Gedanken zu kommen und die Zeit im Referendariat auf das zu beschränken, was den Beruf ausmacht. Es ist ein Job mit Hoch- und Tiefpunkten und solange das so ist, bleibt man lebendig. Selbst das Fernsehen bringt oftmals Wiederholungen und trotzdem finden sich Zuschauer, die Vergnügen daran haben. Öde kann auch schön sein.

Und damit du jetzt mal an etwas völlig anderes denkst, wenn du meine Zeilen liest, teile ich dir nun mit, dass ich mich an meinen Augen operieren lassen werde um nie wieder eine Brille zu tragen (Lasik-Verfahren). Was glaubst du, wie schön das Thema Schule für jemanden werden kann, der erstmals in seinem Leben ohne Sehhilfe das Tafelbild erblicken wird? Viele Dinge, die im Leben unbehaglich sind, liegen oftmals an einem selbst. Bei mir ist es die Myopie (Kurzsichtigkeit), zwar nicht sonderlich ausgeprägt (Sph - 2,75 Dioptrien auf beiden Augen, kein Astigmatismus), aber doch eine Störung, die mich stets belastet hat. Besonders im Sommer. Mit Brille wird man den allgemeinen Klischees zum Thema Lehrerbild zwar mehr als gerecht, aber auch Sehhilfen (ob Brille oder Kontaktlinsen) sind nichts weiteres als Krücken, die eine Wahrnehmung der Realität trüben. „Wenn dich dein Auge ärgert, reiße es heraus?“ Nun, soweit sollte man als Christin nicht gehen, aber es ist gut zu wissen, dass man an sich selbst arbeiten kann um eine Situation zu verbessern.

Nimm dir mehr Zeit für dich!

Alles Gute
Beatrice
Die Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse. (Antoine de Saint-Exupéry)

refex
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Registriert: 31.05.2005, 11:56:33

Kleine Anmerkung

Beitrag von refex »

"Die Schule ist eine Vorstufe zur Arbeitswelt".

Das klingt so kalt, so dienstwillig, so selbstgewiss.
Als Ausgleich stifte ich dieses:

"Die schönste Welt ist ein aufgeschütteter Kehrichthaufen."

Mit freundlichen Grüßen,
Diogenes
Immer unter Strom ist zu stehen hält die stärkste Birne nicht aus.[url]http://www.proll-is-out.de[/url]

Beatrice
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Registriert: 31.05.2005, 12:49:15

@Refex

Beitrag von Beatrice »

Hallo, Refex!

Kalt, dienstwillig und selbstgewiss ist leider(!) die Umgebung, nach der sich das Schulprogramm ausrichtet, denn weder Lehrpläne noch Klassenräume vermitteln das Gegenteil davon (zumindest nicht an staatlich finanzierten Schulen).

Hauptsache, man behält ein Feuer im Herzen ;-)

Ich fliege nächsten Dienstag nach Istanbul und werde dort Menschen mit einer anderen Mentalität begegnen, die es längst verstanden haben, sich nicht über Kleinigkeiten im Leben aufzuregen, denn dafür ist das Leben zu kurz. Trotz aller Ängste und Übervorsichtigkeit, die man hier zu Lande nur noch trifft, habe ich einen Kurzaufenthalt von 4 Tagen gebucht, inkl. einer Wavefront-Lasik-Behandlung für beide Augen. Die üblichen Märchen (und Vorurteile) die man dazu hört, dass man ausländischen Ärzten und Behandlungen nicht trauen sollte, überlasse ich denen, die von der Welt noch nichts gesehen haben und lieber vor dem Fernseher sitzen.

Beatrice
Die Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse. (Antoine de Saint-Exupéry)

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