Sind Seiteneinsteiger Referendare 2. Klasse?

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
Monti

Diplomer vs. Lehrämtler

Beitrag von Monti »

Hallo Lara!

Ich habe Deine Erlebnisse mit aufsteigender Wut gelesen, weil ich es schrecklich finde, wie von Deinen angehenden Kollegen alle über einen Kamm geschoren werden. Gerade Lehrer sollten wissen, wie sehr das Referendariat mit Gruselgeschichten und schlimmsten Befürchtungen eingeläutet wird. Wenn man dann sowas erlebt, ist das ganze Unternehmen direkt so schwer belastet :-(
Ich habe auch gerade mein Ref angefangen und male mir ständig "worst case scenarios" aus, um hoffentlich eher positiv überrascht zu werden...
Jedenfalls ist es eine Sauerei, wenn die Kollegen einem den Start so vermiesen!

Versteh mich bitte nicht falsch, ich bin bedingungslos auf Deiner Seite, aber weißt Du, wie schön es ist, in einem Bio-LA-Studiengang ständig Sprüche von Bio-Diplomern zu hören, daß ein LA-Studiengang sozusagen "Bio für Arme" ist, daß Lehrer doch ein schöner Lehrberuf mit drei Jahren Lehrzeit an der Schule wäre, daß man ja offenbar für "nix" seinen Abschluß nachgeschmissen bekomme etc etc. Als ich dieses "Gesabbel" von einer Bio-Doktorandin, die mein Praktikum leitete und mein Protokoll bewerten sollte, gehört habe, mich noch für mangelnde mathematische Kenntnisse verhöhnen lassen durfte, da hab ich mich nicht sehr viel besser gefühlt als Du jetzt.

Du siehst, stupide Arroganz gibt es auf beiden Seiten, und ich befürchte, mit einem leichten Übergewicht bei den Diplomern.

Nichtsdestotrotz mag ich die Diplomer in meinem HS sehr gerne und hoffe, daß jeder vom anderen lernen kann. Vielleicht ist es gar nicht falsch, Dein Problem beim HS und vielleicht auch bei der Lehrerin noch mal anzusprechen: Ehrlichkeit wird nicht umsonst oft als entwaffnend bezeichnet.

Auf eine Annäherung auf beiden Seiten :-)

Schöne Grüße,
Monti

Tom

Unverschämtheit

Beitrag von Tom »

Ich kann zu den Seiteneinsteigern nur eins sagen: Es kotzt mich an! Wie schon einer der Vorredner gesagt hat, wurde man im Studium nie für voll genommen, weder von den Diplomkommilitonen noch von den Professoren. In Chemie war das besonders ätzend. Und jetzt sitzen im Chemieseminar 21 Leute von denen ganze 3 auf LA studiert haben. Einer dieser Seiteneinsteiger ist bei mir an der Schule und macht einen grottenschlechten Unterricht. Zudem hat er sich innerhalb weniger Tage so unbeliebt gemacht, dass er es ziemlich schwer hat überhaupt noch einen Ausbildungslehrer zu finden. In meinem Unterricht steht er auf und beschwert sich über Äußerungen von Schülern, über Tafelbilder von mir und die Herangehensweise an Schülerexperimente, die natürlich in Anpruch und Niveau nicht mit denen an der Uni zu vergleichen sind. Aber genau das will dieser Mensch, wie fast jeder andere Seiteneinsteiger im Seminar nicht kapieren. Dann beschweren sich fast alle, dass sie mit ihrem "geschenkten" Fach nicht zurecht kommen. Da kann ich nur sagen: Selbst schuld! Wenn man Biologe ist und dann von Chemie und vor allem von Schulchemie und didaktischen Zusammenhängen keinen Plan hat, muss man eben sehen, wie man neben der ganzen Arbeit, die das Ref auch so noch mit sich bringt, die fachlichen Mängel abarbeiten kann. Dazu kommt, dass die Seiteneinsteiger, wenn sie über ein Diplom eine Anerkennung bekommen haben, keine 2. Staatsarbeit schreiben müssen (Sem. Bergisch Gladbach), oder wenn sie nur in der Sek I ( HS/RS/GES) unterrichten, nicht mal mehr ins Referendariat müssen, sondern gleich anfangen können zu arbeiten und das bei nahezu vollem Gehalt. Das ist zum Kotzen und ungerecht ohne Gleichen und wenn ich dann das Geheule hier lese... sorry, aber ich habe kein Mitleid. Ich wusste worauf ich mich eingelassen habe, als ich ein Lehramtsstudium begonnen habe. Und wer sich jetzt eins schenken lässt, der muss eben sehen wie er klar kommt! Shit happens....

Cfik

????? geht´s noch?

Beitrag von Cfik »

HalloTom,

also ich kann deinen Unmut leider überhaupt nicht verstehen. Bewirb dich doch mal in den Unternehmen und Labors der "freien Wirtschaft". Stellenmangel? Tja, so ergehrt es z.Z. tausenden von Ingenieuren, Biologen, Chemikern. Diese Leute machen die Lehramtsausbildung nicht um dir den Job wegzunehmen, sondern bei denen geht es um die berufliche Existenz. Berufsschutz für Absolventen mit Lehramtsstudium gibt es nicht. Und wenn ich die Diskussion richtig verstanden habe, so geht es um das gegenseitige Miteinander bzw. um Toleranz. Das predigen doch Leute wie du unendlich ihren Schülern ein, GA, PA, Schulung von Sozialkompetenzen. Sicher gibt es vereinzelt Fälle, wo Seiteneinsteiger übers Ziel hinaus schießen. Aber dieses affige Konkurrenzgehabe find ich ätzend. Die BZR will Seiteneinsteiger, so isses nun eben.
Gruß
Peter

Salvatore

Seiteneinsteiger finde ich erfrischend

Beitrag von Salvatore »

Buona sera!

Ich finde Seiteneinsteiger (Nichterfüller) erfrischend, denn sie zeigen mir heute, was mich auf der "anderen Seite" in der Wirtschaft erwartet hätte, wenn ich nicht als Lehrer sondern als Mathematiker bei einer Versicherung gearbeitet hätte.

Die Zeiten sind für Akademiker niemals trostloser als heute. Letztendlich ist meine Berufswahl, Lehrer zu werden, also 1993 eine gute Entscheidung gewesen, denn wenn mein neuer Kollege (er ist 48 Jahre und Seiteneinsteiger) mir täglich von seinem beruflichen Vorleben als Mathematiker bei einer namhaften Versicherung berichtet, dann höre ich aufmerksam zu und empfinde mich als Beamter wie im Paradies.

Seiteneinsteiger, wie mein Kollege, sind sicher nicht an unserer Schule, um Lehrern ihren Käse von der Pizza zu nehmen, sondern ich betrachte ihn als neue Beilage, die den Jugendlichen sehr gut schmeckt und mein Umfeld interessanter gestaltet. Ich habe sichtlich mehr Schwierigkeiten mit älteren Kollegen im Lehrerzimmer, die (wie ich) auf Lehramt studiert haben und ihm täglich Steine in den Weg legen, damit er Fehler macht. Das ist ziemlich ätzend und zeigt doch, wie sehr sie von seiner Anwesenheit eingeschüchtert sind.

Aber mein Kollege bleibt cool und ist auch sonst ein netter Typ, der bereits mit ganz anderen Situationen klar kommen musste, bei denen ich mich sicher erhängt hätte. Aber wer noch keine Verantwortung im Business übernommen hat, der kann da eben nicht mitsprechen, was das für ein Risiko bedeutet.

Ich habe vor Seiteneinsteigern großen Respekt, denn ich könnte mir später als Lehrer nicht vorstellen, mit 48 Jahren in die Wirtschaft zu gehen um im Job bei Null anzufangen. Viele meiner Kollegen können gar nicht wissen, wie hart das ist, wenn man auch noch Familie hat und man plötzlich wieder für Prüfungen lernen muss. Aber dieser Klassenkampf geht leider nicht von heute auf morgen vorbei sondern wird Jahre der Anpassung dauern. Bis dahin ist mein Kollege eh einer von uns, denn nach seiner II. Staatsprüfung interessiert sich niemand mehr für seine Vorleben in der Versicherungsbranche und er ist dann genauso "viel" Lehrer wie ich. Und das hat er sich auch verdient.

Es ist nämlich höllisch schwer, mit 48 Jahren zu lernen, wo meine Kollegen aus dem Lehrerzimmer längst nichts mehr tun.
Also, liebe Kollegen mit Lehramtsstudium: Es kommt nicht nur auf die Seiteneinsteiger an, sondern auch auf Euch, wie ihr damit umgeht. Eine Gefahr für "uns" oder ein Unrecht stellen Seiteneinsteiger sicher nicht da, nur für Faulpelze und Besserwisser. Und davon haben wir an den Schulen eh zuviel.
Es sollten mehrere Seiteneinsteiger an die Schulen kommen.

Ciau!

Gast

Beitrag von Gast »

Ich glaube ihr habt meinen "Unmut" defnitiv nicht verstanden. Die meisten Seiteneinsteiger haben an Schulen nichts verloren und basta. Die Studiengänge auf Diplom unterscheiden sich absolut von denen des Lehramts. Seiteneinsteiger haben absolut keinen Plan davon, wie sie ihre Unterrichtsinhalte auf Schülerniveau reduzieren sollen, von Didaktik und Methodik mal ganz zu schweigen. Warum muss man denn im Grundstudium 16 und im Hauptstudium 24 Semesterwochenstunden Pädagogik belegen? Nur aus Spaß? Der Seiteneinsteiger bekommt das alles in einem halben (!!) Jahr mit 2 Stunden die Woche nachgeworfen. Ich habe mir mal die Prüfungsaufgaben angeschaut. Die könnte ich auch lösen, wenn ich nur ne Ausbildung zur Zahnarztgehilfin gemacht hätte. Einfach nur lächerlich!! . Ich finde es eine absolute Unverschämtheit, dass man es ihnen so dermaßen leicht macht an die Schule zu gehen um dort ihr Unwesen zu treiben. Wenn ich mir überlege, was allein die Anmeldung zum 1. Staatsexamen für ein Aufwandt war, für Deutsch musste ich an der Uni ein Latinum nachmachen, was mich mindestens 3 Semester gekostet hat. Man war als Lehrämtler immer der Idiot unter den lieben Diplomkollegen im Fachbereich Chemie und genau diese Leute, die das Maul am weitesten über die angehende Lehrer und vor allem über die Schule an sich aufgerissen haben, sind jetzt in der Schule. Da stimmt doch was nicht. Ich frage mich, wie man jemandem der Chemie studiert hat, gleich ein Physikstudium schenkt. Warum einer der ein Diplom in Geographie hat, auch Sozialkunde und Physik (!!) anerkannt bekommt. Sowas ist ungerecht und wertet das Lehramtsstudium ab. Mir gehen die meisten Leute mit ihrer Inkompetenz auf die Nerven, wobei es sicher auch Ausnahmen gibt, die jedoch m.E. absolut in der Minderheit sind. Die meisten machen es nur, weil sie keine Alternative haben, wobei ich mich frage, ob man das nicht schon vor der Immatrikulation für das Fach Geographie hätte wissen müssen, dass man nachher wohl eher arbeitslos ist.

Salvatore

Neues Spiel, neues Glück!

Beitrag von Salvatore »

Buon giorno!

Wenn die Bezirksregierungen Seiteneinsteiger mit Diplom aus verschiedenen Fachrichtungen für das Lehramt zulassen, dann haben sie dafür Gründe. Und was noch viel wichtiger ist: Sie haben auch das Recht dazu. Basta! Das Lehrerbild, das du in deinem Kopf hast, gibt es nicht mehr. Was soll der Quatsch, sich als "echter" Lehrer selber auf die Schulter zu klopfen? Komm mal runter von deiner Wolke und schaue dich mal in der Realität um. Wie fit bist du denn im kooperativen Lernen? Wie viele Fortbildungskurse hast du in den letzten 2 Jahren absolviert um deine Lehrerpersönlichkeit den aktuellen Anforderungen gleich zu stellen? Ich schätze, du hast dazu ein paar Bücher im Regal stehen, aber selbst nie darin gelesen.

Belüge dich nicht selbst, in dem du behauptest, du hättest kurz nach dem Studium mehr Kenntnisse von dem Lehrerberuf gehabt als heutige Seiteneinsteiger. Auch wir haben zu Beginn, im Referendariat, blöd ausgesehen. Fühlst du dich ungerecht behandelt? Na und? Auch ich gehöre noch zu der Generation, die verpflichtet war, 12 Monate Wehrdienst oder Ersatzdienst zu absolvieren. Niemand fragt heute, ob das fair war. Neues Spiel, neues Glück.

In jedem Fall bevorzuge ich lieber Seiteneinsteiger als neue Kollegen, denn sie haben mehr Interesse für neue Dinge -- zum Wohl der Schüler und nicht zum Wohl der eigenen Freizeit! Gemeinsam pflegen wir Kooperationen mit der Wirtschaft um die Schüler auf die Berufsausbildung vorzubereiten. Das erzeugt einen Synergie-Effekt und das ist mehr als stupide Wissensvermittlung oder Pädagogik, deren Ansätze längst verstaubt sind.

Ich sehe die Ausbildung der Seiteneinsteiger deshalb wie folgt:
Von dem ganzen Unsinn im Lehramtsstudium, den ich früher selbst an der Uni Köln lernen musste, um die I. Staatsprüfung zu schaffen, erhalten die Seiteneinsteiger (heute) nur die Informationen, die eventuell noch praxistauglich sind. Das zeigt doch, wie schnell man sich von Müll trennen kann, wenn es darauf ankommt, Unterricht an Schulen zu sichern. Ich sage es jetzt mal mit Worten, die ich unlängst von meinem neuen Kollegen gelernt habe, der für das Gequatsche der Lehrer nichts übrig hat: "Wer sich auf sein Kerngeschäft konzentriert, muss sich vom Ballast trennen um Erfolg zu haben." Dem stimme ich zu. Solange es Lehrer gibt, die ihre Weisheiten nur aus Büchern haben und der Praxis fern bleiben, in die wir unsere Schüler einmal schicken, der hat an der Schule nichts verloren und sollte lieber Bücher schreiben. Wer nichts mehr lernt, kann auch nicht lehren. Aber davon wollen – insbesondere die älteren Kollegen an unserer Schule -- nichts mehr wissen.

Wofür sollte man heute noch mehr als 5 Jahre studieren, was in der Praxis auch schon in 2 Jahren funktioniert? Der Seiteneinstieg ist ein sehr erfolgreicher Schritt in der Reform der Schulpolitik und gegen solche Fakten sehen deine Beschwörungen aus wie die üblichen Minderwertigkeitskomplexe aus Futterneid. Anstatt sich als Lehrer zu freuen, das endlich mal was Neues passiert, dreschen viele Beamte auf die Seiteneinsteiger ein. Das sollen Pädagogen sein? Nein! Es sind Lehrer. Das ist ein großer Unterschied und das ist nur denen klar, die auch sonst im Kopf fit sind und wissen, was benötigt wird, damit es im Bildungsnotstandsland Deutschland endlich vorwärts geht.

Mein Tip: Freunde dich mit einem Seiteneinsteiger an (der eh bald Lehrer sein wird, wie du) und erlebe, wie dein eigener Job täglich besser und interessanter wird. Und bleibe mir weg mit dem Uni-Gequatsche, denn das juckt niemanden in der Praxis! Schau nach vorne, sonst bleibst du auf der Strecke. Es werden immer mehr Seiteneinsteiger an Schulen kommen und ich freue mich darauf.

Ciau!

Salvatore

Gerechtigkeit?

Beitrag von Salvatore »

Ergänzung:
Gerechtigkeit gibt es nur in den Köpfen der Ideologen. Wenn Lehrer Ideolen wären, dann wären sie keine Lehrer geworden sondern Künstler. Es spielt keine Rolle mehr, ob jemand auf Lehramt studiert hat oder eine Anerkennung der I. Staatsprüfung erhält. Ob man für den Beruf geeignet ist, zeigen nur lange Jahre der Praxis. Und das gilt für beide Seiten und hat nichts mit der jeweiligen Vorbildung zu tun (obsolet), denn was man für den Job als Lehrer/in wirklich benötigt, lernt man weder an der Universität noch aus Büchern. Und deshalb gilt: Gleiches Recht für alle! Wer heute noch auf Lehramt studiert ist doch selber schuld. Ich würde es nicht mehr machen, sondern auch als Seiteneinsteiger die Gunst der Stunde nutzen. Doch wer weiß denn schon, was morgen kommt? Also reg dich ab, denn ändern kann man daran nichts mehr.

Ciau!

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