18 Stunden eigenverantwortlicher Unterricht

Umfrage und Diskussion über das aktuellste schulpolitische Thema
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Sind 18 Stunden eigenverantwortlicher Unterricht zu viel?

Umfrage endete am 25.02.2005, 16:51:42

Nein, ich habe noch Reserven. Die zwei Stunden schaffe ich auch noch!
2
15%
Naja, ich versuche das beste daraus zu machen. Es wird schon irgendwie klappen.
2
15%
Ja! Ich arbeite bereits am Limit. Wie ich die 18 Stunden schaffen soll, weiß ich nicht!
9
69%
 
Insgesamt abgegebene Stimmen: 13

Markus
Beiträge: 10
Registriert: 16.05.2005, 16:04:58
Wohnort: 69168 Wiesloch
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Re: Was geht denn überhaupt in unserem Land???

Beitrag von Markus »

Tochter von Jesse James hat geschrieben: Wenn deine Höhlenkumpels bei SAP so geile Jobs gerissen haben, suupi, aber leider ist das nicht die Regel. Vollzeit- Berufseinsteiger- Gehalt beim Axel Springer Verlag für BWLer mit oben erwähnten Arbeitszeiten ist 1750 Euro. Und wenn die mal früher als 22 Uhr da raus kommen, ist ein echt guter Tag!
Liebe Tochter;-)
Zunächst mal solltest Du bitte auf die Netiquette achten. Ich
glaube, "Höhlenkunpels" passt da nicht so ganz.
Dann wollen wir uns doch mal über die Realität der Bezahlung
für STUDIERTE Berufseinsteiger mit gutem Abschluß und schnell
durchgeführtem Studium unterhalten (also die Kategorie, in die
ich falle, ohne angeben zu wollen). Und zwar nicht in der
Medienbranche, die bekanntlich viel Arbeit für wenig Bezahlung
verlangt, weil nun mal jeder, der dort einsteigt, gerne irgendwann Chefredakteur der eigenen Nachrichtensendung oder des Spiegels sein will. Im übrigen scheint dein Axel
Springer Bespiel vielleicht damit begründbar zusein, dass un-
gefähr jeder Zweite Studierende BWL studiert;-) Davon mal
abgesehen, ist eine Bekannte von mir Medienassistenin in
NRW und verdient als Assistentin schon mehr als ihre Freund
demnächst mit A13 bekommen wird!
Aber jetzt mal zu den anderen Studenten. Meinst Du, dass z.B.
ein Computerlinguist sich mit unter 3000 Euro Netto abspeisen
lässt? Wohl kaum!
Aber das ist ja noch nicht mal das Schlimmste! Jeder Maler,
Tischler oder Mechaniker AZUBI (!) im zweiten Lehrjahr verdient mehr als ein Referendar, und das mit Hauptschulabschluss. Rechne also mal damit, dass er einem Lehrer gegenüber einen
Gehaltsvorsprung von mindestens 9 Jahren hat, in denen er ein volles Gehalt bekommt. (3 Jahre Ausbildung, der Gymnastiast kommt jetzt in SEK II, 3. Semester; 6 Jahre volles Gehalt = der
Gymnasiast macht Abi und studiert zügig in Regelstudienzeit.
Jetzt stehen dem Studierten 2 Jahre Ref zu AZUBI Tarif bevor,
während derer der Mechaniker/Maler etc. weiterhin ein volles
Gehalt bezieht.) Wenn wir jetzt mal ganz bescheiden sind und
für einen Malergesellen 15000 Euro Netto pro Jahr annehmen
(am Anfang weniger, später mehr) dann sind das in den ins-
gesamt 11 Jahren 165000 Euro, denen der Referendar 24000
Euro entgegenzusetzen hat, davon mal abgesehen, dass er
noch Bafög und demnächst noch Studiengebühren zurückbe-
zahlen muss. Effektiv hat also der Malergeselle einen Vorsprung
von ca. 150000 Euro, nett, oder?
Und da soll ich mich nicht darüber aufregen, dass in dem letzten
7 Jahren die Referendarsbezahlung um 430 Euro zurückgegangen ist und dass ich effektiv wesentlich schlechter
bezahlt werde als ein Kollege in den 70er Jahren?
Das Problem ist aber auch die öffentliche Wahrnehmung der
Lehrer, was man daran sieht, dass selbst Du als Referendar(in?)
Lehrer für faul hältst. Ich denke, ein seichtes Lehrerdasein ist
eine Illusion, es sei denn, man unterrichtet Sport und Erdkunde
in Kombination und lässt im Sportunterricht nur Spiele spielen und im Erdkunde unterricht nur Filme gucken. Das macht aber ein verschwindend geringer Prozentsatz der Lehrerschaft!
Lehrer arbeiten viel und das muss der Öffentlichkeit auch vermittelt werden. In Deutschland ist Lehrer einer der am
wenigsten angesehenen Berufe, in Luxemburg und Finnland
hingegen, wo im Übrigen auch die Bezahlung wesentlich besser
ist, ist der Beruf einer der am meist angesehenen, weil sich
die Bevölkerung der immensen Verantwortung, die wir Lehrer
tragen, bewusst ist. (Übrigens liegt das Einkommen für einen
Gymnasiallehrer in Luxemburg bei 7500 Euro pro Monat, weshalb
alle meine luxemburgischen Kommilitonen auch schleunigst wieder in ihre Heimat zurückkehren, nachdem sie in Deutschland studiert haben. Auch in Finnland liegt das Einkommen einen guten Tausender über dem unsrigen.)
Ihr seht also, so toll ist das nicht, was man hier verdient und
wer das nicht sieht, ist selbst schuld.
MfG Markus
"What a pity that fools may not speak wisely what wise men do foolishly"
William Shakespeare, "As you like it"

Christoph
Beiträge: 17
Registriert: 22.05.2005, 12:24:16

Machbar - ja, aber Qualität im Keller

Beitrag von Christoph »

Ich denke die Antwort ist relativ einfach. Machbar ist das in jedem Fall immer, irgendwie. Ein fertiger Lehrer arbeitet ja auch 25,5 Std. (Gym. Nds.). Die Frage ist nur, was ist wichtiger? Mit einer guten Ausbildung hat das dann endgültig gar nichts mehr zu tun. Liegt vermutlich daran, dass die Entscheidungsträger naive Vorstellungen von der Lehrerausbildung haben. Ja, es ist nicht mehr politisch korrekt in der öffentlichkeit von faulen Lehrern zu reden. Aber die Entscheidungen werden genau so getroffen, dass man sieht, was die Entscheidungsträger denken. Wer gute, erfolgreiche Schulen u. Schüler haben will, braucht gute Lehrer. Gute Lehrer bekommt man durch qualitativ hochwertige Ausbildung. Wenn die Ausbildungszeit in der Uni drittklassig ist (u. das ist sie bis jetzt - in der ganzen BRD - Lehrämtler = 5 Rad am Wagen der "echten" - Wissenschaft etc.) und das Ref. vorrangig eine Lückenbüßerfunktion übernimmt, bei der die Referendare missbraucht werden, um die Unterrichtsversorgung (u. Wahlversprechen) so billig wie möglich aufrecht zu erhalten, der muss sich nicht wundern, wenn am Ende alles beim Alten bleibt. Da werden dann auch Schulinspektoren (hier in Nds. gerade eingeführt) nichts daran ändern. Die können dann nur feststellen, was jeder schon weiß - dass es nicht so läuft wie es könnte - u. sollte.

Mein Gegenvorschlag. 6 Monate Praxis während des Studiums. 2 Jahre (!) Referendariat. Anschließend eine Professionalisierungsphase im Beruf. - Nein keine Fortsetzung des Refs. mit anderen Mitteln, sondern eine Stundenentlastung auf 18 Std. für die ersten 3-5 Jahre mit einer hohen Fortbildungs- und Weiterbildungspflicht. Wir (!!!) jungen Nachwuchslehrer haben großes Potential - welches bisher durch sofortige Vollzeit (z.B. 25,5 Std. + Klassenlehrer + LK = Stress total) zerstört wird u. dazu führt, dass dieses Innovationspotential verottet, bevor es Früchte tragen konnte.

Wer kennt sie nicht die Sprüche von Kollgen, Direktoren - ja sogar Dezernenten. "Das war die letzte Problemorientierte Stunde ihres Lebens - ab Montag beginnt dann auch für Sie die echte Schulrealität." (habe ich bei mehreren Staatsexamensfeiern von Freunden u. Kollegen so zu hören bekommen) So lange es aber diese zwei Wirklichkeiten gibt. A: Referendariat - B:Schule nach dem Ref. ist das Ref. (beinahe) für die Katz. Wir lernen gute Gesprächsführung, Unterrichtsmanagement usw. - aber in der Praxis landet davon (fast) gar nichts.

Es wird aber wohl noch einige (Pisa-)studien brauchen, bis die verantwortlichen Entscheidungstäger einsehen, dass sie große strukturelle Probleme haben, die hausgemacht sind - und dafür verantwortlich, dass sich an der Schulqualität nichts wirklich ändert - Ganztagsschulen, zentrale Prüfungen u. Schulinspektoren hin oder her. In diesem Sinne sei auch noch mal in Nds. davor gewarnt hier die Fachleiter (mehr oder weniger) abschaffen zu wollen. Es reicht, wenn andere Bundesländer (Hessen, NRW etc.) eine noch schlechtere Ausbildung haben als Nds.. Fachleiter die intensiv besuchen und als qualifizierte (!!!) Ausbilder u. "Moderatoren" wirken, sind 100 mal besser als die vielen Hinz u. Kunz die man in den Kollegien mancher Bundesländern einfach zum "Defakto-Hauptausbilder" macht - bloß weil sie selber halbwegs guten Unterricht auf die Beine bringen. (Das macht noch keinen qualifizierten Lehrerausbilder aus!!!) Es wäre auch hier dringend notwendig die Fachleiter besser u. weiter auszubilden, z.B. durch eine intensive Vernetzung mit der universitären Forschung. Ach ja, wo ich es schon erwähne. Für die "Unileute" im Bildungswesen (die nur gar zu häufig im akademischen Elfenbeinturm u. für den eigenen Selbsterhalt leben) sollten (so wie das bei Mediznprofessoren an Universitätskliniken Pflicht u. ewige Tradition ist) selber in der Schule arbeiten müssen. 2-4 Std. Unterricht pro Woche sollte sie näher an die schulische Alltagswelt heran bringen (u. halten) u. somit positive Auswirkungen auf ihre Forschungen haben. (Die Idee ist nicht von mir, sondern von dem Hirnforscher u. Neurobiologen Manfred Spitzer - vgl. sein Buch "Lernen").

So -dass musste mal gesagt werden. Hoffe (naiv), dass ein Bildungsverantwortlicher es liest, in seinem Herzen bewahrt und dann kluge Entscheidungen trifft :-)))

Gruß

Christoph

Severus Snape

Beitrag von Severus Snape »

Nein keine Fortsetzung des Refs. mit anderen Mitteln, sondern eine Stundenentlastung auf 18 Std. für die ersten 3-5 Jahre mit einer hohen Fortbildungs- und Weiterbildungspflicht.
Aber dieser Arbeitseinstieg war in NDS doch Jahre lang der Fall. Nur haben viele der betroffenen Kollegen dagegen Klage erhoben, weil sie gar keine Teilzeit wollten sondern eine volle Stelle.
Wir (!!!) jungen Nachwuchslehrer haben großes Potential - welches bisher durch sofortige Vollzeit (z.B. 25,5 Std. + Klassenlehrer + LK = Stress total) zerstört wird
Nun, wer eine volle Stelle will, der sollte bitte auch die volle Arbeit machen. Ich kann die neuen Kollegen nicht mehr hören, die auf voller Stelle anfangen wollen, aber dann rumjammern:"Bitte nicht gleich Klassenlehrer, bitte nicht gleich Leistungskurs, bitte nicht gleich Abiturkorrektur" Wer soll es denn sonst machen? Die älteren Kollegen haben auch keine Lust, die Arbeit für die jungen Kollegen mit zu machen. Dann bitte auf Teilzeit gehen und nur einen Teil der Aufgaben machen.
Das war die letzte Problemorientierte Stunde ihres Lebens - ab Montag beginnt dann auch für Sie die echte Schulrealität
Anders als im Referendariat hast du in der "echten" Schule einen engen Zeitplan. Du musst deine Leute in der vorgegebenen Zeit von A nach B bringen. Und du hast Glück, wenn alle bei A starten. Wenn du sehr viel Problemorientierung machst dann wirst du bei B nicht ankommen!

So mangelt es z.B. an sinnvollen Fortbildungen. Da ist kaum etwas im Angebot, und davon ist das meiste von Einäugigen für Einäugige...

Gruß,
Snape

Christoph
Beiträge: 17
Registriert: 22.05.2005, 12:24:16

Beitrag von Christoph »

Severus Snape hat geschrieben:
Nein keine Fortsetzung des Refs. mit anderen Mitteln, sondern eine Stundenentlastung auf 18 Std. für die ersten 3-5 Jahre mit einer hohen Fortbildungs- und Weiterbildungspflicht.
Aber dieser Arbeitseinstieg war in NDS doch Jahre lang der Fall. Nur haben viele der betroffenen Kollegen dagegen Klage erhoben, weil sie gar keine Teilzeit wollten sondern eine volle Stelle.
Stimmt, aber wenn ich mich recht erinnere, wurde der aus finanziellen u. schulpolitischen Gründen abgeschafft (100% Unterrichtsversorgung etc.) und nicht weil irgendwer gejammert / juristisch geklagt hat.
Wir (!!!) jungen Nachwuchslehrer haben großes Potential - welches bisher durch sofortige Vollzeit (z.B. 25,5 Std. + Klassenlehrer + LK = Stress total) zerstört wird
Nun, wer eine volle Stelle will, der sollte bitte auch die volle Arbeit machen. Ich kann die neuen Kollegen nicht mehr hören, die auf voller Stelle anfangen wollen, aber dann rumjammern:"Bitte nicht gleich Klassenlehrer, bitte nicht gleich Leistungskurs, bitte nicht gleich Abiturkorrektur" Wer soll es denn sonst machen? Die älteren Kollegen haben auch keine Lust, die Arbeit für die jungen Kollegen mit zu machen. Dann bitte auf Teilzeit gehen und nur einen Teil der Aufgaben machen.
Du hast recht, gleiches Recht für alle. Nur ist es in der Regel so, dass man den jungen "unverbrauchten" Kollegen sehr gerne alles auf einmal aufläd, während die Älteren nur das Eine oder das Andere bekommen u. dann wird obendrein erwartet (bereits bei Einstellungsgesprächen), dass sie irrsinnig innovativ sind und neue Konzepte umsetzen. Letzteres ist keine falsche Erwartung, aber wenn der Rahmen dafür nicht stimmt - dann geht dieses Potential verloren.
Das war die letzte Problemorientierte Stunde ihres Lebens - ab Montag beginnt dann auch für Sie die echte Schulrealität
Anders als im Referendariat hast du in der "echten" Schule einen engen Zeitplan. Du musst deine Leute in der vorgegebenen Zeit von A nach B bringen. Und du hast Glück, wenn alle bei A starten. Wenn du sehr viel Problemorientierung machst dann wirst du bei B nicht ankommen!
Siehst du! Genau das ist auch meine Kritik. Entweder ist die Ausbildung praxisfern - dann sollte man daran etwas ändern. Oder die Praxis ist so schlecht organisiert, dass man die konstruktive, wissenschaftlich als besonders erfolgreich u. nachhaltig eingestufte Methodik der Unterrichtsdurchführung, die man im Ref. erlernt hat (haben sollte), nur sehr schwer umsetzen kann - dann sollte man daran etwas ändern. Da ich sehr gute Erfahrungen mit einer gut geplanten u. durchgeführten Unterrichtsgestaltung (echtes, wissenschaftspropädeutische Arbeiten - statt "Anweisungsunterricht + Lückentext") gemacht habe,währe ich dafür den zweiten Punkt zu ändern u. die Arbeitsbedingungen so zu ändern, dass die wissenschaftlichen Erkenntisse in der Praxis umgesetzt werden können. Dann sehe ich nämlich auch gute Changsen, dass Motivation u. Fähigkeiten (Leistungen) der Schüler besser werden würden. Aber soetwas kostet Geld - u. dass will man derzeit lieber wo anders ausgeben, als im Bildungsbereich - wenn auch vom Gegenteil gesprochen wird u. einfrig Schulkantinen einrichtet. (Eine dritte Laptopklasse ja, auch Schulinspektoren, welche die Unterrichtsqualität überprüfen sollen - die Sündenböcke stehen schon fest - aber bloß nicht weniger Stunden für die Lehrer, damit sie die gewonne Zeit in Unterrichtsqualität investieren können). Um meine Entscheidung zu stützen. Untersuchungen (in den USA - ist bei uns aber nachweislich nicht anders!) haben gezeigt, dass ca. 90% der Unterrichtszeit der Lehrer spricht, 10% der Zeit die Schüler - u. in höchstens 5% der Zeit müssen die Schüler eigene Überlegungen anstellen u. reflektieren. (dabei sollen sie doch Problemlösekompetenz erwerben u. in sämtlichen Prüfungen Transferleistungen erbringen können - wie, wenn dies defakto kaum Bestandteil des Unterrichts ist???) Im Ref. hat man mir vernünftiger Weise beigebracht, wie ich diese Zahlenverhältnisse umdrehen kann. Wie ich Moderator im Lehr-lernprozess sein kann u. bei hoher Eigenleistung der SuS diese dennoch in angemessener Zeit (!!!) zu einem konkreten Ziel bringen kann - ohne dabei wieder in die viel einfachere Rolle des "Dozenten" zu verfallen. Schade nur, dass soetwas immer Vor- u. Nachbereitung benötigt - für die man dann in der schulischen "Alltagspraxis" kaum noch ausreichend Zeit hat, weil man mit so vielem anderen "Gedöns" beschäftig ist. Am Ende verfalle ich dann evt. auch (noch wehre ich mich erfolgreich) in den üblichen Anweisungsunterricht - weil der viel weniger Planung u. Reflexion von meiner Seite benötigt. - u. igenoriere damit sämtliche lernpsychologischen Erkenntnisse - u. die wichtigsten Kompetenzen, die ich mir in meiner Ausbildung erarbeitet habe (von Unterrichtsplanung u. Reflexion - bis zur Gesprächsführung etc.).
So mangelt es z.B. an sinnvollen Fortbildungen. Da ist kaum etwas im Angebot, und davon ist das meiste von Einäugigen für Einäugige...
Da sprichst du mir aus der Seele !!!!
Gruß,
Snape
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Christoph
Zuletzt geändert von Christoph am 21.06.2005, 22:28:20, insgesamt 1-mal geändert.

Severus Snape

Beitrag von Severus Snape »

Stimmt, aber wenn ich mich recht erinnere, wurde der aus finanziellen u. schulpolitischen Gründen abgeschafft (100% Unterrichtsversorgung etc.) und nicht weil irgendwer gejammert / juristisch geklagt hat.
Mit 2/3 Stelle oder 75% Stelle war kaum noch jemand zu bekommen, und vorhandenes 3/4-Personal drohte abzuwandern. Und als die Stellen freigegeben wurden, haben fast alle auf voll aufgestockt. Es gab etliche Einspüche und Verfahren von Seiten der Vebände. Heute wird doch kein Kollege gezwungen, eine volle Stelle zu machen. Jeder kann seine Stelle bis auf 50% reduzieren. Man darf im Bewerbungsgespräch nicht mal danach fragen. Es wird also niemand zur vollen Stelle gezwungen!
Nur ist es in der Regel so, dass man den jungen "unverbrauchten" Kollegen sehr gerne alles auf einmal aufläd, während die Älteren nur das Eine oder das Andere bekommen u. dann wird obendrein erwartet (bereits bei Einstellungsgesprächen), dass sie irrsinnig innovativ sind und neue Konzepte umsetzen.
Auch das kann ich nicht bestätigen - im Gegenteil. Junge Kollegen frisch aus dem Ref sind häufig der Ansicht, das Ref sei bereits die Arbeitshölle auf Erden gewesen. Von den täglichen Aufgaben haben sie meist nur einen Teil gesehen. Jetzt erwartet sie das volle Programm: "Was, das auch noch!?". Der Ex-Reffi sieht sich im Zentrum einer Verschwörung gegen ihn. Dabei hat ihn nur der Alltag eingeholt.


Was deine Ausführungen zur Unterrichtsmethodik etc. angeht, so ist Didaktik letztlich eine Modebranche. Was da nicht alles top und später flop war... Auch die "Pisa-Sieger-Länder" arbeiten überwiegend mit ähnlichen Unterrichtsmodellen - oft strenger strukturiert und mit mehr Lehrerzentrierung, aber offenbar mit mehr Erfolg. Es muss also nicht unbedingt (nur/überwiegend) an der Methodik und Didaktik des Unterrichtes liegen, und das tut es meiner Ansicht nach auch nicht.

Gruß,
Snape

Christoph
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Registriert: 22.05.2005, 12:24:16

Beitrag von Christoph »

Es wird also niemand zur vollen Stelle gezwungen!
OK, dass ist wahr - trotzdem würde ich es begrüßen, wenn die ersten 3-5 Jahre als "Professionalisierungsphase" begleitet würden. D.h. dass ein Austausch der "Neuen" untereinander stattfindet. Man gemeinsam überlegt wie man das im Ref. gelernte in die Praxis transferiert - und nicht dem Selbstverfall überlässt. Den Studienseminaren würden sich da glatt neue Changsen auftuen, was ihre "Daseinsberechtigung" erheblich stärken würde. (Ist ja auch schon angedacht worden, die mal an die Unis abzutreten u. weiter zu sparen) Es können in der Summe auch 25,5 Std. sein, aber davon sollten einige Std. verpflichtende Vortbildung - berufsbegleitende Seminararbeit sein. (bin da anscheinend nicht der erste der das so sieht - im niedersächsischen Philologenverband gibt es anscheinend auch etliche Leute die das prinzipiell begrüßen würden... - "Echte Qualitätssicherung und Ausschöpfung des Innovationspotentials junger Nachwuchslehrer)

Was deine Ausführungen zur Unterrichtsmethodik etc. angeht, so ist Didaktik letztlich eine Modebranche. Was da nicht alles top und später flop war... ... Es muss also nicht unbedingt (nur/überwiegend) an der Methodik und Didaktik des Unterrichtes liegen, und das tut es meiner Ansicht nach auch nicht.
Oh, hoppla! Da muss ich aber protestieren. Ja, viele haben den Eindruck, dass Didaktik eine Modebranche sei - weil Sie nie einen wirklich klärenden Einblick in die Didaktik bekommen haben, was häufig daran liegt, dass sie sehr schwammig vermittelt wird.(Stichwort: auch Fachleiter müssen ausgebildet werden - u. nicht bloß "erfahrene, ggf. langgediente" Lehrer sein, die beim Einstellungsverfahren überzeugen !!!!) Konkret: Als Naturwissenschaftler habe ich im Ref. das forschend-entwickelnde Unterrichtsverfahren als quasi alternativlose Grundlage für sämtlichen naturwiss. Unterricht erlernt. Ich weiß nicht was für ein Fach du hast, aber es handelt sich hierbei nicht um eine einzelne "Methode" wie z.B. "Gruppenpuzzel", sonder vielmehr um ein übergreifendes Konzept, in welches viele anderen Methoden/Sozialformen (hier gibt es eher "Moden") gut integriert werden können. Alternativlos ist es deshalb, weil es unglaublich motivierend für die Schüler ist, etwas zu lernen, indem sie tatsächlich ihre Fragen zu einem Thema klären - u. nicht nur scheinbar. (intrinsischer geht`s gar nicht), dabei ihre gewohnte Alltagsproblemlösestrategien einsetzten und gänzlich unbewusst auch noch wissenschaftspropädeutisch arbeiten. Zu meinem Erstaunen habe ich festgestellt, dass auch ich schon in den Achzigern zu meinen Schülerzeiten, so in den Naturwissenschaften unterrichtet wurde - von einem einzigen, besonders angagierten Lehrer. (Habe neulich alte Hefte auf dem Dachboden gefunden). Auch die erste Literatur dazu stammt aus den 70iger u. 80iger Jahren - ist also keine neumodische Erscheinung, die sich nun einbildet den Stein der Weisen gefunden zu haben. Dieses übergeordnete Verfahren ist 100%ig kompatibel mit den Gedanken Wagenscheins (aus den 60igern) und wird in den Naturwissenschaften - aus gutem Grund - als Standartunterrichtsverfahren im Ref. gelehrt. Und die Neurobiologie, Lernpsychologie u. Hirnforschung hat auch keine neuen Lehrverfahren entwickelt, kann aber sehr gut begründen, warum die als gut geltenden Verfahren - auch tatsächlich gut sind - nachweisbar!

Schaut man aber mal in den "normalen" Alltagsunterricht...

... dann wird erzählt, gepredigt u. doziert, gespickt mit ein paar Fragen (viele W-Fragen, einige rethorische Fragen) und zum Schluß gibt es ein Arbeitsblatt mit weiteren Fragen, Lückentexten, Beschriftungsaufträgen - der Unterricht verläuft lehrerzentriert, weil der Angst hat, den stofflichen Umfang nicht zu schaffen. Erkenntnisgewinn durch exerimentelle Untersuchungen der eigenen Fragen? Höchstens als lehrerzentriertes Demonstrationsexperiment zum "mal vorführen" - wenn die Zeit reicht. Gut organisierte Gruppenerarbeitung zu einem übergeordneten Tehma - bei dem die Schüler ihre gegenwärtige Vorstellungen zu einer Sache überprüfen? Fehlanzeige! Hauptsorge sämtlicher Kollegen: "Wie kriege ich diese 45 Min. halbwegs rum, so dass ich zumindest hinterher sagen kann, wir haben das aber im Unterricht gehabt. Wenn die SuS es dann nicht können - habe ich ne (todschlagende) Ausrede - der Schüler ist Schuld (es war ja im Unterricht dran)!"

...und angesichts der Zeitnot, mache ich keinem einzigen Kollegen dafür einen Vorwurf. Bei dem Stress, kann man nicht qualitativ besser arbeiten - es sei denn, man bekäme mehr Zeit dafür!

Kurz: Qualitativ hochwertiger Unterricht benötigt Zeit (daran ändert auch langjährige Erfahrung wenig - wenn der Unterricht individuell zugeschnitten ist) - die will man uns Lehrern aber nicht geben. teilweise aufgrund von Vorurteilen, teilweise um Geld zu sparen.

Aber gleichzeitig wird über die mangelnden Kompetenzen der 15jährigen gejammert - welch Ironie.

Christoph





Gruß,
Snape
Zuletzt geändert von Christoph am 21.06.2005, 22:31:12, insgesamt 1-mal geändert.

Severus Snape

Beitrag von Severus Snape »

D.h. dass ein Austausch der "Neuen" untereinander stattfindet.
Auch da sehe ich ein Problem. Die "Neuen" haben nämlich die Angewohnheit, sich von ganz alleine untereinander auszutauschen. Der Austausch mit den anderen Kollegen unterbleibt und es wird ein eigenes Süppchen gekocht. Absprachen über Ziele werden ignoriert etc. Ich will das nicht unbedingt dramatisieren, mir kommt das oft so vor, als wäre Unsicherheit dabei ein entscheidender Faktor. Aber was die neuen Kollegen brauchen ist weniger der Kontakt untereinander als der Kontakt zu den schon vorhandenen Kollegen. Ich beobachte das jedesmal, wenn ein Schwung neuer Kollegen an die Schule kommt.
Konkret: Als Naturwissenschaftler habe ich im Ref. das forschend-entwickelnde Unterrichtsverfahren als quasi alternativlose Grundlage für sämtlichen naturwiss. Unterricht erlernt.
Und ist es nicht eine Ironie des Schicksals, dass das wissenschaftlich am weitesten fortgeschrittene Land von diesem Verfahren im Unterricht so wenig Gebrauch macht?

... dann wird erzählt, gepredigt u. doziert, gespickt mit ein paar Fragen (viele W-Fragen, einige rethorische Fragen) und zum Schluß gibt es ein Arbeitsblatt mit weiteren Fragen, Lückentexten, Beschriftungsaufträgen
So erlebe ich den normalen Alltagsunterricht nicht...
Erkenntnisgewinn durch exerimentelle Untersuchungen der eigenen Fragen? Höchstens als lehrerzentriertes Demonstrationsexperiment zum "mal vorführen" - wenn die Zeit reicht.
Was ist mit Schülerübungen und Projektarbeit? Macht ihr das an deiner Schule nicht?
...und angesichts der Zeitnot, mache ich keinem einzigen Kollegen dafür einen Vorwurf. Bei dem Stress, kann man nicht qualitativ besser arbeiten - es sei denn, man bekäme mehr Zeit dafür!
Und genau diese Einstellung erlebe ich bei jungen Kollegen oft als Entschuldigung für schlechten Unterricht. Man kann durchaus, wenn man zusammenarbeitet, sich abspricht etc. Man braucht dafür allerdings Erfahrung oder Zeit. Wer neu mit voller Stelle einsteigt, der hat beides nicht. Womit wir beim Thema wären, dass neue Kollegen NICHT gleich mit einer vollen Stelle einsteigen sollten. Nur mach denen das mal klar.

Gruß,
Snape

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