18 Stunden eigenverantwortlicher Unterricht

Umfrage und Diskussion über das aktuellste schulpolitische Thema
Antworten

Sind 18 Stunden eigenverantwortlicher Unterricht zu viel?

Umfrage endete am 25.02.2005, 16:51:42

Nein, ich habe noch Reserven. Die zwei Stunden schaffe ich auch noch!
2
15%
Naja, ich versuche das beste daraus zu machen. Es wird schon irgendwie klappen.
2
15%
Ja! Ich arbeite bereits am Limit. Wie ich die 18 Stunden schaffen soll, weiß ich nicht!
9
69%
 
Insgesamt abgegebene Stimmen: 13

Christoph
Beiträge: 17
Registriert: 22.05.2005, 12:24:16

Beitrag von Christoph »

Auch da sehe ich ein Problem. Die "Neuen" haben nämlich die Angewohnheit, sich von ganz alleine untereinander auszutauschen.
Stimmt, ich nehme eifrig an so einem Grüppchen teil - und wir planen Größeres...
Der Austausch mit den anderen Kollegen unterbleibt und es wird ein eigenes Süppchen gekocht. Absprachen über Ziele werden ignoriert etc. Ich will das nicht unbedingt dramatisieren, mir kommt das oft so vor, als wäre Unsicherheit dabei ein entscheidender Faktor.
Weiß nicht wie das bei euch aussieht, aber in meinem konkreten Kollegenkreis liegt es mit Sicherheit nicht an Unsicherheit, sondern daran, dass die "alten Hasen" einen komplett anderen Unterricht machen als wir - und unseren Unterricht für "eine weitere didaktische Mode halten - die morgen wieder durch eine neue ersetzt wird" (was ja gar nicht der Fall ist, wie ich schon beschrieben habe). Und daher auch keinerlei Interesse an dem haben, was wir da machen - und es in der Regel auch gar nicht nachvollziehen können und/oder wollen. Es gibt zwar sehr vereinzelten Ausnahmen - die gelten dann aber in der Regel als "Exoten - die mal Fachleiter werden oder in eine Funktionsstelle kommen wollen."
Aber was die neuen Kollegen brauchen ist weniger der Kontakt untereinander als der Kontakt zu den schon vorhandenen Kollegen.


Soll an uns nicht liegen, aber wenn die "Erfahrenen" nur spanisch verstehen - was dann?
So erlebe ich den normalen Alltagsunterricht nicht...
Doch, genau so habe ich es bei der überwiegenden Mehrheit erlebt. (Musste ja zwei Jahre im Ref. hospitieren - und meine Schule galt als "staatl. Vorzeigeschule", die sich erfolgreich gegen die Anwesenheit von drei Privatgymnasien behauptet.) Und auch jetzt - an einer neuen "normalen" Schule - erlebe ich das so. Im Prinzip ist es in vielen Fällen noch schlimmer. Da unterrichten viele im naturwiss. Unterricht (Physik, Chemie, Bio) tatsächlich zu 100% mit dem Schulbuch. Die Schüler (Oberstufenschüler) lesen den Buchtext laut vor, dann sollen sie die Abbildung darüber beschreiben u. erläutern und unten drunter stehen Fragen. Der Lehrer hat seinen Lehrerband mit den vorgefertigten Antworten - das ist dann der ganze Unterricht. Evt. mal - wenn Zeit ist - ein kleines Demonstrationsexperiment zum aufpeppen, für ein bisschen ah und oh, ein Anschaungsmodell wenn`s passt, "damit die Schüler es besser begreifen", Filme sind auch sehr beliebt, u. weil man sich modern gibt u. mit den neuen Medien arbeiten möchte "setzte ich meine Klasse vor die Klett Mediothek (so ein preisgekröntes, didaktisches Weißbrot) und die können ganz alleine arbeiten..." - das wars. Die ganz harten Fälle arbeiten dann sogar mit den ZEUS-Materialien aus dem Aulisverlag (oder vergleichbaren Materialien) - ZEUS = Zeit u. Energie bei der Unterrichtsvorbereitung Sparen (Werbeslogen des Aulisverlags). Didaktisches Weißbrot ist für den Kram noch eine sehr wohlwollende Bezeichung - u. es wimmelt auf dem Materialienmarkt von so nem Zeug!!! Aber weil man damit tatsächlich in der Vorbereitung billig davon kommt, machen die lieben Kollegen dann in den Fachkonferenzen den Vorschlag solche oder ähnliche Materialien fürs ganze Fachkollegium im großen Stiel anzuschaffen. Wenn du dann als "junger Wilder" feststellst, dass du (so ist`s bei mir u. sämtlichen Leuten mit denen ich Referendariat gemacht habe) noch nie(!) ein Schulbuch im naturwissenschaftlichen Unterricht eingesetzt hast (höchstens um einzelne Bilder zu scannen, vielleicht mal für ne einzelne Hausaufgabe) - oder kennst du auch nur ein einziges Buch/Materialiensammlung, dass ganz konkret für einen forschend-entwickelnden Unterricht erstellt wurde? - dann schaut man dich wie einen Marsmensch an. "Der wird auch noch ruhiger..." oder "Referendar, wenn der erst mal in den richtigen Dienst kommt... der macht das ja auch weil er muss - für seinen Fachleiter" ...und wenn du dann noch alternativ vorschlägst statt der ganzen Pseudounterrichtsvorbereitungsmaterialien lieber eines dieser Cassymodule o.ä. anzuschaffen, damit bestimmte Experimente überhaupt erst möglich werden - u. weil die Kollegen aus der Physik auch nur eines haben u. dass nicht immer ausleihen können...
Was ist mit Schülerübungen und Projektarbeit? Macht ihr das an deiner Schule nicht?
Projektarbeit ja, die verläuft dann aber letzlich auch forschend-entwickelnd, nur das der Rahmen größer gesteckt ist. Kann man auch gut in Gruppen machen, von denen jede eine der verschiedenen Hypothesen überprüft - oder ein Teilproblem löst, wenn`s mehrere Fragen zu einem übergeordneten Aspekt gibt. Die Ergebnisse werden dann auf einem Symposium - samt Poster - wie auf einem wiss. Kongress vorgestellt u. diskutiert. (Hab ich übrigens auch noch bei keinem älteren Kollegen gesehen der das macht... - waren meistens die unter Vierzigjährigen) Was verstehst du unter "Schülerübungen"?
...und angesichts der Zeitnot, mache ich keinem einzigen Kollegen dafür einen Vorwurf. Bei dem Stress, kann man nicht qualitativ besser arbeiten - es sei denn, man bekäme mehr Zeit dafür!

Und genau diese Einstellung erlebe ich bei jungen Kollegen oft als Entschuldigung für schlechten Unterricht.

Äh, ich hatte das zum Schutz für die "erfahrenen" Kollegen gesagt und nicht mich u. meine jungen Kollegen damit gemeint. Als Teilzeitkraft kann ich mir den Luxus eines gut vorbereiteten Unterrichts leisten. Kommentar eines älteren Kollegen dazu: "Selber Schuld - als Teilzeitkraft arbeitet man genau so viel wie eine Vollzeitkraft, nur dass man besser vorbereitet und dann weniger Geld dafür bekommt." Merke: Wer Qualität statt Quantität liefert, bekommt weniger Kohle - komische Rechnung.

Womit wir bei der Ausgangsfrage dieses Formus sind. 18 Std. Unterricht für Referendare (25.5 Std. für arbeitende Lehrer)?

Meiner Meinung nach NEIN - weil es zu Lasten der Qualität geht. (u. meine Argumentation ist - das möchte ich betonen - eine andere als die der GEW - die das Gleiche sagt - aber Anderes meint (argumentieren eher pädagogisch))
Womit wir beim Thema wären, dass neue Kollegen NICHT gleich mit einer vollen Stelle einsteigen sollten. Nur mach denen das mal klar.
Stimme ich dir zu, wobei ich eine fächerbezogene Einschränkung machen würde. Kunst, Musik u. Sport - selbst wenn man sie sehr gut unterrichtet - sind weniger arbeitsintensiv und somit meiner Meinung nach auch für Anfänger "Vollzeitkompatibel".

Christoph[/quote]

Severus Snape

Beitrag von Severus Snape »

Wir haben jetzt ein paar Bezugspunkte:
...und wenn du dann noch alternativ vorschlägst statt der ganzen Pseudounterrichtsvorbereitungsmaterialien lieber eines dieser Cassymodule o.ä. anzuschaffen, damit bestimmte Experimente überhaupt erst möglich werden...
Ich stelle wieder einmal fest, dass ich im Paradies lebe. In den letzten Jahren haben wir ca. 20 solcher Messinterface-Systeme mit diversen Sensoren angeschafft. Schülerübungen sind damit kein Problem, jede Gruppe hat ihr eigenes Interface.
Tatsächlich nutzen tun das eher die älteren Kollegen. Materialien von Stark oder Raabits findet man eher bei den "Neuen".
Möglicherweise ist der von dir gesehene Zusammenhang zwischen Alter und Methode genau so lokal, wie der von mir beobachtete?


Ohne jetzt einige der von dir kritisierten Realstrategien schönreden zu wollen, dem folgenden Zitat kann ich mich nicht anschließen:
Wenn du dann als "junger Wilder" feststellst, dass du (so ist`s bei mir u. sämtlichen Leuten mit denen ich Referendariat gemacht habe) noch nie(!) ein Schulbuch im naturwissenschaftlichen Unterricht eingesetzt hast ... dann schaut man dich wie einen Marsmensch an
Das würde ich ehrlich gesagt auch tun! Meine Aufgabe als Gymnasiallehrer besteht u.a. darin, meine Schüler studienfähig zu machen. Ich muss sie in die Lage versetzen, eigenständig zu lernen, ohne dabei auf mich angewiesen zu sein. In den Naturwissenschaften sind noch immer Bücher die überwiegende Quelle des Wissens für eigene Weiterbildung. Schüler müssen lernen, sich selbst mit Hilfe von Büchern zu bilden. Das ist meines Erachtens ein ganz zentraler Punkt! Dazu müssen sie rechtzeitig an diese Art des Lernens herangeführt werden. Leider sind viele Schulbücher (insbesondere der SI) hierfür nicht geeignet. Dieser Missstand ändert aber nichts grundsätzliches an meiner kritischen Sichtweise deiner Buchphilosopie.

Gruß,
Snape

Christoph
Beiträge: 17
Registriert: 22.05.2005, 12:24:16

Beitrag von Christoph »

Severus Snape hat geschrieben:Wir haben jetzt ein paar Bezugspunkte:
Ich stelle wieder einmal fest, dass ich im Paradies lebe. In den letzten Jahren haben wir ca. 20 solcher Messinterface-Systeme mit diversen Sensoren angeschafft. Schülerübungen sind damit kein Problem, jede Gruppe hat ihr eigenes Interface.
NEID ! ;-)
Möglicherweise ist der von dir gesehene Zusammenhang zwischen Alter und Methode genau so lokal, wie der von mir beobachtete?
Ist sehr gut möglich! ...wie schlimm muss es dann wohl an Schulen zugehen, an denen junge Kollegen wie du sie beschreibst auf ältere Kollegen wie aus meinem Kollegium treffen?

Meine Aufgabe als Gymnasiallehrer besteht u.a. darin, meine Schüler studienfähig zu machen. Ich muss sie in die Lage versetzen, eigenständig zu lernen, ohne dabei auf mich angewiesen zu sein.
Genau! Deshalb der Lehrer als Moderator, nicht als Dozent.

"I can only show you the door. But you are the one who has to go through it." (Morpheus der Lehrer zu Neo im Film "The Matrix")

Das bedeutet aber auch eine offene (moderierende) Unterrichtsgestaltung, die eben nicht einmal vorgenommen 35 Dienstjare lang immer wieder aus der Mottenkiste gezogen werden kann. Letzteres geht eben nur mit Raabitz u. Co. u. die entsprechen am ehesten dem Nürnberger Trichter - (verkauft sich aber besser).
Leider sind viele Schulbücher (insbesondere der SI) hierfür nicht geeignet.

Stimm ich dir zu. Kannst du das näher ausführen, vielleicht finden wir hier noch mehr Gemeinsamkeiten!
Dieser Missstand ändert aber nichts grundsätzliches an meiner kritischen Sichtweise deiner Buchphilosopie.
Nun, ich habe nicht gesagt, dass meine Schüler nichts lesen, sonder nur, dass sie noch nie ein Schulbuch im Unterricht verwendet haben - und das lässt sich gut begründen. Um an deinem Gedanken anzuknüpfen,...
Schüler müssen lernen, sich selbst mit Hilfe von Büchern zu bilden. Das ist meines Erachtens ein ganz zentraler Punkt! Dazu müssen sie rechtzeitig an diese Art des Lernens herangeführt werden.
...steht dahinter die völlig richtige Forderung, dass Schüler lernen müssen sich fachliche Texte zu erschließen. Auch die Pisastudie hat ja gezeigt, dass Jugendliche Probleme damit haben sich den Inhalt von Texten zu erschließen. Dadurch ergibt sich eine Addition der Schwierigkeiten, wenn sie nun einen Text als Erarbeitung lesen müssen, um sich dann einen komplexen naturwissenschaftlichen Sachverhalt zu erschließen. Ich verwende daher Texte vorwiegend in den Hausaufgaben (auch mal im Unterricht), zum zusammenfassen, ergänzen, vertiefen, aber eben nicht, um sich den Hauptaspekt von etwas gänzlich Neuem zu erarbeiten. (doch nach diesem Prinzip arbeiten fast alle Schulbücher/Unterrichtsmaterialien) Durch das ergänzende u. vertiefende Informieren mittels Text zu einem Thema, welches bereits Bestandteil des Unterrichts war - u. somit ein mehr oder weniger grundlegendes Verständniss vorhanden ist - ist mit Sicherheit ein besseres Training um Textverständniss zu erwerben/trainieren, als wenn ich die SuS vor einen Text zu einem noch komplett unbekannten, neuen Aspekt setze. Man könnte das evt. "kognitive Vorentlastung" nennen - wenn mir dieser Begriff auch die Nackenhaare aufstellt. Methoden der Marke Klippert können dann dabei angewendet werden, um diese Texte zu "erarbeiten". (Ich bevorzuge Conceptmaps - als kognitiv weitergehende Variante von Mindmaps: siehe http://cmap.ihmc.us/ - kostenloser Tooldownload -vgl. auch entsprechende Studien des IPN-Kiel) Die Texte scanne ich sogar z.T. aus Schul- und Fachbüchern und mixe Sie mit guten Internetartikeln z.B. aus der Wikipedia (was ich aber auch noch mal aufarbeiten muss - kostet Zeit...)

Aber "einfach so" - habe ich meine Schüler tatsächlich noch nie vor ein Schulbuch gesetzt.

Folgende Gedanken hat meine ehemalige Fachleiterin dazu geäußert (von der ich dich grüßen soll... !)

"Snape" hat Recht und auch wieder nicht! Natürlich ist die Lesekompetenzförderung eine Aufgabe aller Fächer (siehe Kaspar Spinner), aber es gibt eben Fächer, deren Inhalte ohnehin weitgehend sprachlicher Natur sind (Deutsch, Fremdsprachen, Ethik, Geschichte, etc.) und die anderen Aufgaben des Faches Biologie sind zudem in Relation dazu höher einzustufen. Daher bietet sich im Fach Biologie die Textarbeit vor allem für Inhalte an, die nicht auf direktere Art und Weise erschlossen werden können! Aber dann sollte man es natürlich systematisch betreiben und Textverstehen sichern im Sinne einer Bedeutung stiftenden Verarbeitung der Inhalte durch die Lerner!


Davon mal abgesehen, ist meine Hauptargumentation gegen zu viele Stunden:
Qualitativ hochwertiger Unterricht benötigt Zeit (daran ändert auch langjährige Erfahrung wenig - wenn der Unterricht individuell zugeschnitten ist) - die will man uns Lehrern aber nicht geben. teilweise aufgrund von Vorurteilen, teilweise um Geld zu sparen.
Dazu kommt noch, dass die breite Allgemeinheit incl. der "Entscheidungsträger" eine Vorstellung von Unterricht haben, die ebenfalls unbewusst dem Nürnberger Trichter entspricht, bestenfalls noch einigen behavioristischen Prinzipien. Und wenn man dann zugrunde legt, dass "Anweisungsunterricht" die in der alltäglichen Praxis am häufigsten angewendete Unterrichtsmethode ist (weil zeiteffizient), schließt sich hier ein Kreis (die Verlage verdienen am Anweisungsunterricht ebenfalls gut u. stellen fast ausschließlich hierfür Materialien her) - der den "Entscheidungsträgern" suggeriert, dass sie mit ihrer Vorstellung von Unterricht recht haben u. daher in Ihren Entscheidungen richtig liegen. (was ja auch in gewisser Weise stimmt - nur ist das qualitativ minderwertiger Unterricht - da die Politiker u. Kultusbürokraten u. die Öffentlichkeit etc. kaum oder gar nichts anderes wahrnehmen / überhaupt kennen) (Siehe auch Posting von "Tochter von Jesse James" Verfasst am: 17.05.2005, 17:07:34 - sie hat die gleichen, typischen Vorstellungen von Unterricht - u. einige ihrer "Vorposter" ebenfalls.)

Wie stehst du dazu?

Christoph

Severus Snape

Beitrag von Severus Snape »

...wie schlimm muss es dann wohl an Schulen zugehen, an denen junge Kollegen wie du sie beschreibst auf ältere Kollegen wie aus meinem Kollegium treffen?
Vermutlich geht es dort sehr harmonisch zu...


Deshalb der Lehrer als Moderator, nicht als Dozent.
Ich halte beides für meine Aufgaben, jedes zu seiner Zeit.

Das bedeutet aber auch eine offene (moderierende) Unterrichtsgestaltung, die eben nicht einmal vorgenommen 35 Dienstjare lang immer wieder aus der Mottenkiste gezogen werden kann
Möglicherweise reden wir nicht über das Gleiche, aber ich ziehe meine Unterrichtsgestaltung gerne wieder aus der Schublade. So schnell ändern sich Tiere oder Transistoren dann auch nicht. Klar, das Arbeitsblatt mit den Beobachtungsaufträgen für den Dodo oder den Riesenalk kannst du ins getrost ins Altpapier hauen. Aber meine Vorstellung von Unterricht ist schon so zielgerichtet, das ich die Richtung vorgebe...
Kannst du das (Schülbücherproblem) näher ausführen, vielleicht finden wir hier noch mehr Gemeinsamkeiten!
Nimm einfach ein deutsches und ein englisches (matematisch/naturwissenschaftliches) Schulbuch und lege sie nebeneinander. Vergleiche ein beliebiges Kapitel. Das englische Buch strotzt vor Beispielen. Es enthält lesbare Texte, die den Sachverhalt ausfürlich darlegen und sich nicht durch extrem hohe Informationsdichte auszeichnen. Es wimmelt von Bildern und graphischen Darstellungen, welche die Texte ergänzen. Häufig sind Antworten zu den Aufgaben im Buch zu finden. Konsequenterweise ist das Buch 2-3 mal so dick.
Aber "einfach so" - habe ich meine Schüler tatsächlich noch nie vor ein Schulbuch gesetzt.
Ich tue das täglich und stelle fest, dass es nach einer gewissen Eingewöhnungszeit leidlich gut geht. Offen gesagt denke ich, dass du an dieser Stelle einen Fehler machst.
Und wenn man dann zugrunde legt, dass "Anweisungsunterricht" die in der alltäglichen Praxis am häufigsten angewendete Unterrichtsmethode ist (weil zeiteffizient)...Wie stehst du dazu?
Schon die Einteilung in Fächer ist ein Stück Anweisungsunterricht. Und wenn ich meinen Schülern den Arbeitsauftrag gebe, sich einen Versuch zur Bestimmung der Schmerzwärme von Eis auzudenken und ihn durchzuführen, dann ist das auch Anweisungsunterricht. Ich habe nämlich nicht vor, mit ihnen darüber diskutiert, ob sie das jetzt überhaupt wissen wollen. Wenn ich die Anweisung und das Eis am Anfang der Stunde zur Verfügung stelle, dann habe ich 45 Minuten später bei den meisten Gruppen vernünftige Ergebnisse, welche meiner Meinung nach durchaus eigenständiges Arbeiten beinhalten.

Gruß, Snape

Christoph
Beiträge: 17
Registriert: 22.05.2005, 12:24:16

Beitrag von Christoph »

Vermutlich geht es dort sehr harmonisch zu...
ja, ist sehr warscheinlich - u. keiner denkt darüber nach ob es wirklich OK ist, da alle zufrieden sind.
Möglicherweise reden wir nicht über das Gleiche, aber ich ziehe meine Unterrichtsgestaltung gerne wieder aus der Schublade. So schnell ändern sich Tiere oder Transistoren dann auch nicht.
Nun, die Grundkonzepte bleiben auch bei mir gleich. Und natürlich ändern sich nur wenig am fachlichen Inhalt (mit Ausnahmen wie z.B. Aquaporine in Kl. 11 bei der Plasmolyse etc.), aber da ich eben nicht doziere, sondern den Schülern die Gelegenheit gebe anhand eines Phänomens ihre Ideen und hypothesischen Erklärungen dazu zu sammeln u. dann selber Vorschläge zu unterbreiten, wie sie ihre Erklärungen so überprüfen können, dass sie am Ende zu einer zuverlässigen Erkenntnis gelangen, muss ich mich auf die immer neuen Ideen der Schüler einstellen. Der prinzipielle Rahmen des Unterrichts ist somit vorgeplant (u. Teil meiner Materialsammlung), einen anderen Teil muss ich situativ entscheiden.
Aber meine Vorstellung von Unterricht ist schon so zielgerichtet, das ich die Richtung vorgebe...
Stimmt, die gebe auch ich vor, z.B. durch das Einstiegsphänomen, dass ich zu Beginn einer Einheit/Stunde präsentiere. Aber ich stelle mich nicht hin und erkläre wie es ist - u. lasse auch kein Buch u. nicht das Internet die Dozentenrolle übernehmen. Die Schüler müssen - und wollen - es selber herausfinden, ist ja auch viel Erlebnisintensiver u. Erfolgserlebnisse tun auch gut - u. im Alltag kann man das dann auch noch verwenden...

Und wenn ich meinen Schülern den Arbeitsauftrag gebe, sich einen Versuch zur Bestimmung der Schmerzwärme von Eis auzudenken und ihn durchzuführen, dann ist das auch Anweisungsunterricht.
Stimmt genau, deshalb mache ich das auch methodisch so nicht. Die Schüler werden von mir nur aufgefordert ihre Vermutungen so zu überprüfen, dass sie selbständig zu einer zuverlässigen Aussage kommen können. Sie schlagen dann von selber vor entweder bestimmte Beobachtungen zu machen (Lupe, Mikroskop, Pflanzenwachstum über eine bestimmte Zeit etc.) oder ggf. ein Experiment zu machen. Dabei fordere ich sie dann sogar auf, das Experiment genau zu entwerfen und miteinander zu diskutieren (mal im Plenum, mal in Kleingruppen - ja nach Thema u. Situation) wie dieses Experiment gestaltet sein muss, um ihre Vermutungen zu verifizieren u. zu falsifiszieren. Wenn die SuS dann das Experiment geplant haben, wird es (ggf. in der nächsten Stunde) (genau) so umgesetzt, dass Ergebnis ausgewertet - kritisch reflektiert und die Hypothesen daran bewertet. Wenn es nicht möglich ist das Experiment selber in der Schule praktisch umzusetzen, dann erhalten Sie die Rohdaten eines gleichen/vergleichbaren Experimentes (gleiche Grundprinzipien), die sie dann eben interpretieren müssen etc.. Die Sache ist ungeheuerlich motivierend für die Schüler, weil sie eben ihre Vorstellungen mit einbringen können. Weil die Vorgehensweise auch ihrem Alltagsdenken (beim Problemlösen z.B. kaputtes Fahrrad etc.) entspricht u. letztlich ein Abbild des wisschenschaftlichen Erkenntnisgewinns ist. Ich hole die Schüler tatsächlich dort ab, wo sie in ihren Vorstellungen stehen (nicht nur ein hohler Begriff) u. die Schüler danken es durch eine sehr interessierte u. intensive Mitarbeit, da ihre Gedanken, Ideen, Vorstellungen wichtig sind und tatsächlich ernst genommen werden, eine Bedeutung haben und nicht durch eine Autorität (Lehrer, Schulbuch, Internet, Medien) mit "richtig" u. "falsch" permanent bewertet und selektiert werden. Die intrinsiche Motivation (Neugier) wächst gewaltig - und die Schüler kommen auch immer wieder zu mir u. erzählen, dass sie nun vergleichbares in ihrer Freizeit machen.
Aber "einfach so" - habe ich meine Schüler tatsächlich noch nie vor ein Schulbuch gesetzt.
Ich tue das täglich und stelle fest, dass es nach einer gewissen Eingewöhnungszeit leidlich gut geht. Offen gesagt denke ich, dass du an dieser Stelle einen Fehler machst
.

Ist sehr gut möglich das ich mich irre, dann ist es aber ein wirklich kunstvoller Fehler, der sich durch sämtliche empirischen Untersuchungen der Unterrichtsforschung zieht. - was natürlich nach Karl Popper gut möglich wäre, denn: "...jede Hypothese (Aussage) gilt nur so lange als richtig (wahr), bis sie erfolgreich u. nachweislich falsifiziert werden kann..."
dass es nach einer gewissen Eingewöhnungszeit leidlich gut geht.
Ich bezweifel nicht, dass es "funktioniert", aber ich habe meine Zweifel an der Nachhaltigkeit dieser Methode. Bsp.: Es ist kein Problem SuS auschließlich mit Hilfe von Abbildungen, Texten u. Arbeitsblättern zu unterrichten (z.B. Thema Zelle oder Ökosystem Wald etc.). Sie schreiben dann in einer Arbeit sogar sehr gute Noten u. beschriften die Abbildung einer Zelle / eines Waldökosystems korrekt (sie haben das ja im Unterricht intensiv praktiziert). Wenn sie dann aber durch das Mikroskop sehen oder bei einem Tagesausflug vor einem Waldrand stehen - dann erkennen Sie nix mehr. Allein deshalb ist der Bezug zum Original (wo immer möglich) besonders wichtig. Modellkritik, ist deshalb ein weiterer entscheidender Teil in meinem Unterricht. Die SuS kriegen eben nicht nur ein Funktionsmodell z.B. vom Herz gezeigt, sondern müssen es kritisieren u. die Unterschiede herausstellen zu einem echten Herzen - damit ihnen die grundsätzliche Verkürzung u. Fehlerhaftigkeit transparent wird, die jedes Modell immer hat. (im Grunde sind ja auch die ganzen symbolischen Abbildungen in unseren Arbeitsblättern u. Schulbüchern nur Modellvorstellungen) Somit bin ich aber permanenter Gast im Wald oder auf Schlachthöfen um Originale zu beschaffen, was mal wieder "Zeit" kostet, die mir Politiker u. Kultusbürokraten aufgrund ihrer verkürzten Sichtweise nicht geben möchte. - dann aber über TIMMS u. Pisa meckern
Ich habe nämlich nicht vor, mit ihnen darüber diskutiert, ob sie das jetzt überhaupt wissen wollen.
Firss oder stirb? Lernen schmeck nun mal bitter?
Also ich kann verstehen, dass man nicht in dauerhafte Grundsatzdiskussionen mit den SuS verfallen will - aber einmalig kann das gar nicht schaden, damit den SuS transparent wird warum sie sich damit beschäftigen, allerding sollte es dann auch wirklich transparent werden. Darüber hinaus habe ich diese Diskussionen noch nie länger führen müssen, da sich den SuS die Bedeutung u. Wichtigkeit des Unterrichtsinhalt von selbst erschlossen hat - gerade auch weil ich ihre Gedanken zur Sache dabei wirklich ernst nehme. Besonders die Unterrichtseinstiege müssen deshalb gut gewählt sein, damit sich wirklich für die SuS ein "offensichtliches u. lohnenswertes Problem" auftut, dass ist aber Übungssache.
Wenn ich die Anweisung und das Eis am Anfang der Stunde zur Verfügung stelle, dann habe ich 45 Minuten später bei den meisten Gruppen vernünftige Ergebnisse, welche meiner Meinung nach durchaus eigenständiges Arbeiten beinhalten.
Eingenständig im Sinne von intrumentellem handeln ja, aber handlungsorientiert (in einem selbständig reflektierten Kontext gestellt) ist das nicht!

fröhliche Grüße

Christoph
Zuletzt geändert von Christoph am 28.06.2005, 12:05:51, insgesamt 6-mal geändert.

Severus Snape

Beitrag von Severus Snape »

Ist sehr gut möglich das ich mich irre, dann ist es aber ein wirklich kunstvoller Fehler, der sich durch sämtliche empirischen Untersuchungen der Unterrichtsforschung zieht.
Schmunzel... Na, wie schon viel weiter oben erwähnt, nur die Realität bei den Pisa-Siegern und dem wissenschaftlich am weitesten fortgeschrittenen Land steht dem noch im Weg...


Gruß,
Snape

Mein 45 Minuten Raster ruft!

Christoph
Beiträge: 17
Registriert: 22.05.2005, 12:24:16

Beitrag von Christoph »

Schmunzel... Na, wie schon viel weiter oben erwähnt, nur die Realität bei den Pisa-Siegern und dem wissenschaftlich am weitesten fortgeschrittenen Land steht dem noch im Weg...
Keine Frage - wissenschaftliche Aussagen sind sehr oft (in der Regel aber nur vorläufig) fehlerhaft u. Ihre Ergebnisse einer (gesellschaftlichen, politischen, persönlichen) Interpretation unterworfen. Trotz dieser Schwächen ist sie die zuverlässigste Methode in Sachen Erkenntnissgewinn, die wir (bis jetzt) haben. Alle anderen Methoden des Erkenntnisgewinns, sind nachweislich noch schlechter. z.B. die subjektive, persönliche auch langjährigen Erfahrung des "Naturheilers", der mit "heilenden Steinen" die Krankheiten seiner Patienten erfolgreich heilt - aber einer Plazebovergleichsstudie nicht standhält.

...oder der / die Lehrer, die ihre Vorstellung von Unterrichtsgestaltung ausschließlich mit ihren persönlichen u. subjektiven Erfahrungen begründen u. nicht mit den Ergebnissen empirischer Untersuchungen.

Fakt ist - seit sich die Menschheit mehrheitlich an den wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn hält (bei aller Fehlerhaftigkeit) - entwickelt sie sich rapiede schnell weiter (ob das gut oder schlecht ist - sei eine andere Diskussion) - aber ohne diese Vorgehensweise - hätten wir keine Autos, CD-Spieler, Computer etc. ...u. würden immer noch die Vorstellungen Freuds (oder der kath. Kirche des Mittelalters) für das non plus ultra halten - u. nicht die empirischen Ergebnisse des Behaviorismus, Kognitivismus u. Konstruktivismus etc. (um mal Beispiele aus der Psychologie zu nennen - ginge mit anderen wiss. Bereichen natürlich ebenfalls.)

fröhliche Grüße

Christoph

Antworten