Selbstbewusstsein zurückerlangen

Habt ihr Fragen speziell an Ehemalige? Einige Junglehrer, die auch in der Referendarsbetreuung tätig sind, versuchen euch zu helfen.
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caution
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Registriert: 26.04.2014, 11:09:16

Selbstbewusstsein zurückerlangen

Beitrag von caution »

Hallöchen.
Also es erzählen hier ja viele Referendare, dass ihr Selbstbewusstsein unter dem UB-Druck stark leidet. Bei mir ist es ähnlich gewesen. Ich bin nun UB-frei, mache Examen im September. Aber die größte Belastung ist durch und ich habe auch keinen Zweifel, dass das alles im Herbst klappt.
Trotzdem... Ich fühle mich so stark angeknackst, nicht nur in meiner beruflichen Persönlichkeit, sondern auch privat. Es fühlt sich an, als hätte ich den Draht zu mir selbst komplett verloren. Derjenige, der ich vor dem Ref war, bin ich nun nicht mehr. Veränderung ist ja nicht zwangsläufig negativ, allerdings finde ich diese Veränderungen im Ref schon sehr ungesund. Das Ganze ist ja auch nicht mit einem Mal Ausschlafen wieder in Ordnung... Ich wüsste also gerne:

1) Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht?
2) Wie habt ihr euch zu euch selbst zurückgekämpft?
3) Wie lange hat es gedauert, bis ihr wieder selbstsicher durchs Leben gehen konntet?

Mich kotzt das an... Ich war vor dem Ref gerade auf einem guten Weg mit mir selbst. Und jetzt scheint das alles irgendwie nichtig zu sein.
Freue mich über Antworten.

Liebe Grüße
caution

P.S.: Gibt es Literatur, die euch geholfen hat?

krabappel
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Registriert: 21.08.2011, 20:08:49

Re: Selbstbewusstsein zurückerlangen

Beitrag von krabappel »

Vor allem überlegen, ob der Beruf das Richtige ist. Die Anforderungen ändern sich nicht wesentlich nach dem Ref.

Koralle82
Beiträge: 66
Registriert: 26.07.2013, 11:29:48
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Re: Selbstbewusstsein zurückerlangen

Beitrag von Koralle82 »

caution hat geschrieben: 1) Habt ihr ähnliche Erfahrungen gemacht?
2) Wie habt ihr euch zu euch selbst zurückgekämpft?
3) Wie lange hat es gedauert, bis ihr wieder selbstsicher durchs Leben gehen konntet?
Ich habe mich ebenfalls "angeknackst" gefühlt, wie du es so schön nennst. Mir war nach dem Referendariat alles so zuwider, dass ich zunächst vollständig aus dem Lehrerberuf ausgestiegen bin. Die Überwindung des Referendariats hat bei mir dann etwa ein Jahr gedauert, in den ersten Monaten habe ich mich fast traumatisiert gefühlt - mittlerweile erscheint mir das etwas übertrieben, damals war das aber tatsächlich das vorherrschende Gefühl.
krabappel hat geschrieben:Vor allem überlegen, ob der Beruf das Richtige ist. Die Anforderungen ändern sich nicht wesentlich nach dem Ref.
Das kann ich so nicht unterschreiben. Mittlerweile habe ich mich wieder umentschieden und gerade das erste Jahr an einer Schule erfolgreich hinter mich gebracht. Der Stress und die Arbeitsbelastung ist nicht geringer geworden, eher habe ich noch mehr gearbeitet, aber die Gesamtsituation und damit die Anforderungen sind völlig anders.

krabappel
Beiträge: 2329
Registriert: 21.08.2011, 20:08:49

Re: Selbstbewusstsein zurückerlangen

Beitrag von krabappel »

Koralle82 hat geschrieben: Der Stress und die Arbeitsbelastung ist nicht geringer geworden, eher habe ich noch mehr gearbeitet, aber die Gesamtsituation und damit die Anforderungen sind völlig anders.

Gut, vielleicht bin ich zu pessimistisch. Ich merke nur immer wieder, dass mir der Umgang mit den Schülern und Lehrern durch das System Schule missfällt und ich nunmal weder meinen Anspruch an Schule runterschrauben mag noch Nerven wie Drahtseile habe.
Ich stoße immer wieder an meine Grenzen und die der gestressten Kollegen. Nicht weil mir die Kinder zu doof sind oder weil ich den strengen Blick des Prüfers fürchten müsste, sondern weil ich im Herzen ein Reformpädagoge bin und nie damit klarkommen werde, dass z.B. ein überforderter Schulleiter alles systematisch kaputt macht, was man sich mühsam mit den Schülern aufbaut.

Insofern: wenn jemandem im Ref schon alles untragbar erscheint, sollte er oder sie sich gut überlegen, woran das liegt und ob das im Lehrberuf, der nunmal so ist, wie er ist, besser werden wird. Es gibt viele KollegInnen, die das Ref zwar anstrengend aber insgesamt prima fanden und die auch jetzt zufriedene Lehrer sind. Obs die andere Variante häufig gibt? Überforderungserleben im Ref und hinterher happy im Staatsdienst? Man sollte eine Umfrage starten...

saskia67
Beiträge: 3
Registriert: 23.03.2014, 14:56:47

Re: Selbstbewusstsein zurückerlangen

Beitrag von saskia67 »

Hallo caution,
ich habe nach dem Ref zunächst in privaten reformpädagogisch orientierten Schulen gearbeitet. Wollte mir das "leisten", aus Überzeugung. Und ich musste feststellen, dass dort auch nur mit Wasser gekocht wird, manchmal sogar mit ziemlich dreckigem. Sprich: Es mangelte leider zu häufig an Konsequenz, schließlich war es wichtig, die SuS zu halten und damit ihre zahlungskräftigen Eltern.
Nachdem ich also festgestellt hatte, dass es eigentlich überall Probleme gibt, habe ich mir die Zeit genommen und versucht, eine Schule zu finden, die vom Profil und den Bedingungen zu meinen Ideen von Schule passt. Das hat etwas gedauert, war letztlich aber erfolgreich. Wobei ich darauf wirklich viel Zeit verwendet habe, mit Gesprächen, Hospitationen und, und, und.... Dabei konnte ich mit mir ausmachen, ob ich bereit bin, die Bedingungen zu akzeptieren. Mir war mit dem Wechsel klar: Das hast Du Dir selbst ausgesucht, da wird jetzt nicht gemeckert und gemault. Bestenfalls kannst du dich einbringen bei Veränderungen.
Jetzt profitiere ich von den Erfahrungen mit offenen Unterrichtsformen. Und die staatliche Schule mit ihrem Netzwerk und ihrer etwas klareren Linie gibt mir arbeitsmäßig mehr Struktur, was mir das Leben erleichtert.
Außerdem zwinge ich mich, nach einer Ist-Stand-Analyse mir klar zu machen, was auf dieser Basis erreichbar ist. Sprich: Ich versuche nicht mehr zu zaubern, sondern habe es gelernt, mir erfüllbare Ziele zu stellen (auch wenn die eher im oberen Machbarkeitsbereich angesiedelt sind). Jedes einzelne kann ich begründen und so bin ich mit mir in diesem Punkt viel mehr im Reinen als ich es jemals im Ref war.
Nebenbei habe ich mein Freizeitverhalten (gezwungenermaßen) ziemlich umgestellt. Inzwischen liebe ich lange Radtouren, verreise auch mal zwischendurch für ein Wochenende, z.T. auch ohne Familie, mache viel Sport und Yoga. Ich brauche einfach die Zeit und Ruhe, um ganz rauszukommen aus den ständigen Gedankenkreisen. Dafür darf`s dann auch mal ein ganzer Tag allein im Wald sein. Das kannte (und wollte) ich früher gar nicht, ist aber inzwischen gut für alle Beteiligten.
Die Überlegung des Schulwechsels trug ich schon länger in mir. Den Mut fand ich erst, nachdem ich ein paar Wochen mit einem Coach gearbeitet habe. Diese total unvoreingenommene Sicht von außen fand ich erfrischend. So war ich gezwungen, mich wirklich auseinanderzusetzen und konnte nicht auf die "Du weißt schon.."-Antworten zurückfallen.
Vielleicht ist das der entscheidende Schritt gewesen: sich jemanden mit einer Außensicht zu holen (Das ist zwar nicht ganz preiswert -aber steuerlich absetzbar- und erfordert u.U. neben etwas Mut auch mehr als ein Vorgespräch, denn es soll ja passen.) Aber so bin ich zu einer autonomen Entscheidung gekommen.
Vielleicht war ja ein Tipp dabei, der auch Dir hilft.
Ich würde zumindest nicht gern mit Büchern allein über meine Situation grübeln wollen. Dann lieber ein lebender Mensch, am besten ein Spezialist wie ein Supervisor oder Coach. Wie sieht es mit Verbündeten an Deiner Schule aus, mit Kollegen, die auch "Deine Linie fahren"?
Ich wünsche Dir, dass Du bald aus dem Tief herausfindest, auf welchem (legalen) Weg auch immer.

krabappel
Beiträge: 2329
Registriert: 21.08.2011, 20:08:49

Re: Selbstbewusstsein zurückerlangen

Beitrag von krabappel »

saskia67 hat geschrieben:Hallo caution,
ich habe nach dem Ref zunächst in privaten reformpädagogisch orientierten Schulen gearbeitet. Wollte mir das "leisten", aus Überzeugung. Und ich musste feststellen, dass dort auch nur mit Wasser gekocht wird, manchmal sogar mit ziemlich dreckigem. Sprich: Es mangelte leider zu häufig an Konsequenz, schließlich war es wichtig, die SuS zu halten und damit ihre zahlungskräftigen Eltern.
Nachdem ich also festgestellt hatte, dass es eigentlich überall Probleme gibt, habe ich mir die Zeit genommen und versucht, eine Schule zu finden, die vom Profil und den Bedingungen zu meinen Ideen von Schule passt. Das hat etwas gedauert, war letztlich aber erfolgreich. Wobei ich darauf wirklich viel Zeit verwendet habe, mit Gesprächen, Hospitationen und, und, und.... Dabei konnte ich mit mir ausmachen, ob ich bereit bin, die Bedingungen zu akzeptieren. Mir war mit dem Wechsel klar: Das hast Du Dir selbst ausgesucht, da wird jetzt nicht gemeckert und gemault. Bestenfalls kannst du dich einbringen bei Veränderungen.
Jetzt profitiere ich von den Erfahrungen mit offenen Unterrichtsformen. Und die staatliche Schule mit ihrem Netzwerk und ihrer etwas klareren Linie gibt mir arbeitsmäßig mehr Struktur, was mir das Leben erleichtert.
Außerdem zwinge ich mich, nach einer Ist-Stand-Analyse mir klar zu machen, was auf dieser Basis erreichbar ist. Sprich: Ich versuche nicht mehr zu zaubern, sondern habe es gelernt, mir erfüllbare Ziele zu stellen (auch wenn die eher im oberen Machbarkeitsbereich angesiedelt sind). Jedes einzelne kann ich begründen und so bin ich mit mir in diesem Punkt viel mehr im Reinen als ich es jemals im Ref war.
Nebenbei habe ich mein Freizeitverhalten (gezwungenermaßen) ziemlich umgestellt. Inzwischen liebe ich lange Radtouren, verreise auch mal zwischendurch für ein Wochenende, z.T. auch ohne Familie, mache viel Sport und Yoga. Ich brauche einfach die Zeit und Ruhe, um ganz rauszukommen aus den ständigen Gedankenkreisen. Dafür darf`s dann auch mal ein ganzer Tag allein im Wald sein. Das kannte (und wollte) ich früher gar nicht, ist aber inzwischen gut für alle Beteiligten.
Die Überlegung des Schulwechsels trug ich schon länger in mir. Den Mut fand ich erst, nachdem ich ein paar Wochen mit einem Coach gearbeitet habe. Diese total unvoreingenommene Sicht von außen fand ich erfrischend. So war ich gezwungen, mich wirklich auseinanderzusetzen und konnte nicht auf die "Du weißt schon.."-Antworten zurückfallen.
Vielleicht ist das der entscheidende Schritt gewesen: sich jemanden mit einer Außensicht zu holen (Das ist zwar nicht ganz preiswert -aber steuerlich absetzbar- und erfordert u.U. neben etwas Mut auch mehr als ein Vorgespräch, denn es soll ja passen.) Aber so bin ich zu einer autonomen Entscheidung gekommen.
Vielleicht war ja ein Tipp dabei, der auch Dir hilft.
Ich würde zumindest nicht gern mit Büchern allein über meine Situation grübeln wollen. Dann lieber ein lebender Mensch, am besten ein Spezialist wie ein Supervisor oder Coach. Wie sieht es mit Verbündeten an Deiner Schule aus, mit Kollegen, die auch "Deine Linie fahren"?
Ich wünsche Dir, dass Du bald aus dem Tief herausfindest, auf welchem (legalen) Weg auch immer.
wow, toller Beitrag!

Sarah R*
Beiträge: 121
Registriert: 25.02.2011, 23:57:11
Wohnort: NRW, Grundschule Deu/DaZ/Ma/SU/E

Re: Selbstbewusstsein zurückerlangen

Beitrag von Sarah R* »

Also ich hatte ebenfalls nach dem Ref das Gefühl, "nicht mehr ich selbst zu sein". Obwohl mir der rein schulische Teil wirklich am Herzen lag.Ich habe mich daher bewusst dazu entschieden, an die Uni zurückzukehren und zu promovieren. Auch hier stehe ich unter "Leistungsdruck", aber dieser ist anders geartet und ich fühle mich wieder ich selbst (ca. ein Jahr nach dem Ref). Möglicherweise ist die Arbeit an der Uni eher meins, aber ich möchte nach der Promoion durchaus nochmal in den Schuldienst, außerhalb des Refs eben^^
Mir tat diese Art des Tapetenwechsels SEHR gut :)

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