Wie kann ich meiner Unsicherheit begegnen? :(

Habt ihr Fragen speziell an Ehemalige? Einige Junglehrer, die auch in der Referendarsbetreuung tätig sind, versuchen euch zu helfen.
Mogli89
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Wie kann ich meiner Unsicherheit begegnen? :(

Beitrag von Mogli89 »

Hallo liebe Leute,

ich habe am 1.11 mit dem Referendariat begonnen und bin seit dem 14.11. an meiner Ausbildungsschule. Die Schule, die Lehrer und die Schüler sind einfach toll. Das kann man nicht anders sagen. Ich bin noch sehr nervös wenn ich vor der Klasse stehe, was ich eigentlich nicht ganz so schlimm finde. Allerdings hatte ich letzte Woche mein EPG (Eingangs- und Perspektivengespräch) und es wurde kein gutes Haar an mir gelassen. In diesem Gespräch wurde ich auf die feine Art total fertig gemacht. Ich saß dort 60 Minuten und 55 Minuten wurde auf mich "nett" eingedroschen. Eigentlich hat das nur dazu geführt, dass ich jetzt unsicherer bin als zuvor :/. Uns wurde zuvor gesagt, dass dieses Gespräch dazu dienen soll uns in unseren stärken zu motivieren, das war in meinem Fall allerdings nicht so. :/ Dann wurden 1/2 positive DInge gesagt und schon wurde wieder auf mich eingedroschen -.-. Das war genau das wovor ich im Ref. Angst hatte und nun ist es eingetreten, aber die Folge ist, dass ich jetzt schon total Bammel vor der morgigen Stunde habe. :(. Habt ihr irgendwelche Tips und Tricks wie ich dauerhaft dieser Nervösität begegnen kann, ohne das ich davon gefesselt werde?
PS: Es war nicht so, dass die Kritik völlig unangebracht war. Die ein oder andere Sache sehe ich auch als Anfänger durchaus ein. Allerdings habe ich mich nach dem Gespräch einfach gefragt, ob ich überhaupt für diesen Beruf geeignet bin. Ich wollte nie was anderes machen und denke gerade, dass ich vor einem riesigen Loch stehe :/

Bibi88
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Re: Wie kann ich meiner Unsicherheit begegnen? :(

Beitrag von Bibi88 »

Du wirst das nicht gerne hören, aber: Das ist leider relativ "normal" im Ref. Das einzige Mittel, das ich kenne, ist "Augen zu und durch". Konzentriere dich auf einen Aspekt, an dem du arbeiten willst (von denen, die angesprochen wurden) und ignoriere für den Tag alle anderen. Du KANNST nicht alles gleichzeitig bearbeiten, das macht dich nur noch unglücklicher und unsicherer.

Du schaffst das. Du hast eine universitäre Ausbildung, du hast fachliches Wissen, du hast eine tolle Lehrerpersönlichkeit. Du machst das jetzt seit anderthalb Monaten! Gib dir Zeit! Es wird gut!

Meine Mama hat mir in einer schlimmen Tiefphase mal gesagt: "Die wahren Optimisten denken nicht, dass nichts schiefgehen wird. Sie denken, dass nicht alles schiefgehen kann." :)
Our destiny is frequently met in the very paths we take to avoid it.

kecks
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Re: Wie kann ich meiner Unsicherheit begegnen? :(

Beitrag von kecks »

das ist ziemlich normal. da musst du durch bzw. daran kannst du auch wachsen. hast du schon mal leistungsorientiert trainiert im sport? da gibt es sehr oft solche phasen, in denen gefühlt alles sch**** und man selbst ein vollversager ist. manche rappeln sich auf, andere geben auf. du kannst das. aber kämpfen musst du, das kann dir keiner abnehmen. unterrichten lernen ist ein verdammt hartes geschäft, und zuviel watte zu beginn ist dem nicht förderlich. du bist erwachsen, du kannst mit einer vollständigen liste deiner aktuellen unzulänglichkeiten in sachen lehrer-kompetenz leben. schritt für schritt abarbeiten; du wirst das *alles* (und im laufe der zeit noch viel mehr) lernen. jeder (!) hat mal so angefangen. unterrichten, so richtig gut in allen lebenslagen, das kann keiner über nacht.

Katta
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Re: Wie kann ich meiner Unsicherheit begegnen? :(

Beitrag von Katta »

Erst mal tief durchatmen.

Das zeitliche Fenster und die Begrifflichkeiten lassen ja eindeutig auf NRW schließen. Du musst doch vermutlich auch so eine Dokumentation ausfüllen mit den Bereichen "woran ich arbeiten will" und "das sind meine Stärken" (oder so ähnlich formuliert). Hast du das schon eingetragen? Vielleicht stellt sich dann heraus, dass es doch gar nicht so viel und so wild war, wie du meinst?
Ich hatte letzte Woche mit einem unserer Referendare ein Gespräch, weil er auch sehr desillusioniert war nach dem EPG, angeblich alles geredet worden usw. usf., er ist da komplett gefrustet heraus gegangen. Inklusive dem Glauben, die Kernseminarleiterin könne ihn ja eh nicht leiden.
Ein Gespräch mit der ABB, die dabei war, war dann sehr aufschlussreich, diese war nämlich, ganz im Gegenteil, der Meinung, dass die Kernseminarleiterin insgesamt sehr positiv angetan war vom Referendar, dass er die richtigen Voraussetzungen mitbringen würde (was wohl auch wortwörtlich mehrfach gesagt wurde), aber - so die Deutung der ABB - der Referendar das nicht hören konnte, weil er vermutlich das erste Mal wirklich auch mit Kritik konfrontiert wurde. Im Studium bekommt schreibt man mal ne schlechte Hausarbeit oder verbockt eine Klausur, das ist aber auf einem anderen Level, als so eine Unterrichtsstunde, u.a. weil es dabei auch meistens einfacher ist, Gründe für das "Scheitern" zu suchen (man hat sich zu spät dran gesetzt, zu wenig gelernt, ... - Unterrichten ist per se deutlich komplexer und schwerer zu erlernen, als für eine Klausur zu lernen, die alten Mechanismen /auch die Erklärungsmechanismen greifen da nicht).
Die ABB war jedenfalls doch sehr überrascht davon, dass der Referendar so frustriert aus dem Gespräch ging, weil diese es als sehr positiv und konstruktiv wahrgenommen hat. Was vermutlich auch daran liegt, dass die ABB natürlich mehr Erfahrung hat und mehr Wissen darüber, wie eine gute Stunde aussieht (alleine aus dem Gespräch mit dem Referendar, was der Fachleiter kritisiert, habe ich schon gesehen, dass da verschiedene Bereiche (Lebensweltbezug, Schülerorientierung, Problemorientierung, nur mal als Stichworte) einfach noch gar nicht klar getrennt sind - auch noch nicht wirklich klar getrennt sein können).

Warum erzähle ich die lange Geschichte?
Vielleicht ist es bei dir ja ähnlich, dass es zwar durchaus Kritik gab (alles andere würde mich, ganz ehrlich, überraschen, wenn da in Planung und Durchführung nach so kurzer Zeit - trotz Praxissemester - nicht noch Dinge wären, an denen man arbeiten kann und muss), du diese aber gerade viel zu sehr betonst?
Rede doch noch mal in Ruhe mit der ABB oder wer von der Schule aus dabei war, um deinen Eindruck angleichen zu können.

(Und ja, vielleicht hast du auch einfach Pech mit dem Kernseminarleiter und einen erwischt, der nicht konstruktiv kritisieren kann und der auch nicht den Sinn dieses EPG wirklich verstanden hat. Dann abhaken und sich drüber freuen, dass der ja eh nicht benotet. ;- ) )
Kopf hoch!
Unterrichten lernen ist ein langer, komplexer Prozess, der deutlich mehr an der Person hängt, als alles, was du vorher gemacht hast. Daran muss man sich erst mal gewöhnen.
(Und das hört ja nachher nicht auf: Man lernt immer weiter, wie man möglichst guten Unterricht macht, insbesondere die ersten paar Jahre nach dem Ref sind da echt lehrreich. Und zu lernen, Kritik am Unterricht, die auch später von allen Seiten kommen kann (Eltern, Schüler...), Probleme nicht zu sehr auf sich als Person zu beziehen, sondern eher auf die Rolle als Lehrer, ist ein extrem wichtiger Lernprozess, sonst wird man in dem Job sehr schnell sehr unglücklich...)

Mogli89
Beiträge: 53
Registriert: 24.07.2016, 19:25:28

Re: Wie kann ich meiner Unsicherheit begegnen? :(

Beitrag von Mogli89 »

Katta hat geschrieben:Erst mal tief durchatmen.

Das zeitliche Fenster und die Begrifflichkeiten lassen ja eindeutig auf NRW schließen. Du musst doch vermutlich auch so eine Dokumentation ausfüllen mit den Bereichen "woran ich arbeiten will" und "das sind meine Stärken" (oder so ähnlich formuliert). Hast du das schon eingetragen? Vielleicht stellt sich dann heraus, dass es doch gar nicht so viel und so wild war, wie du meinst?
Ich hatte letzte Woche mit einem unserer Referendare ein Gespräch, weil er auch sehr desillusioniert war nach dem EPG, angeblich alles geredet worden usw. usf., er ist da komplett gefrustet heraus gegangen. Inklusive dem Glauben, die Kernseminarleiterin könne ihn ja eh nicht leiden.
Ein Gespräch mit der ABB, die dabei war, war dann sehr aufschlussreich, diese war nämlich, ganz im Gegenteil, der Meinung, dass die Kernseminarleiterin insgesamt sehr positiv angetan war vom Referendar, dass er die richtigen Voraussetzungen mitbringen würde (was wohl auch wortwörtlich mehrfach gesagt wurde), aber - so die Deutung der ABB - der Referendar das nicht hören konnte, weil er vermutlich das erste Mal wirklich auch mit Kritik konfrontiert wurde. Im Studium bekommt schreibt man mal ne schlechte Hausarbeit oder verbockt eine Klausur, das ist aber auf einem anderen Level, als so eine Unterrichtsstunde, u.a. weil es dabei auch meistens einfacher ist, Gründe für das "Scheitern" zu suchen (man hat sich zu spät dran gesetzt, zu wenig gelernt, ... - Unterrichten ist per se deutlich komplexer und schwerer zu erlernen, als für eine Klausur zu lernen, die alten Mechanismen /auch die Erklärungsmechanismen greifen da nicht).
Die ABB war jedenfalls doch sehr überrascht davon, dass der Referendar so frustriert aus dem Gespräch ging, weil diese es als sehr positiv und konstruktiv wahrgenommen hat. Was vermutlich auch daran liegt, dass die ABB natürlich mehr Erfahrung hat und mehr Wissen darüber, wie eine gute Stunde aussieht (alleine aus dem Gespräch mit dem Referendar, was der Fachleiter kritisiert, habe ich schon gesehen, dass da verschiedene Bereiche (Lebensweltbezug, Schülerorientierung, Problemorientierung, nur mal als Stichworte) einfach noch gar nicht klar getrennt sind - auch noch nicht wirklich klar getrennt sein können).

Warum erzähle ich die lange Geschichte?
Vielleicht ist es bei dir ja ähnlich, dass es zwar durchaus Kritik gab (alles andere würde mich, ganz ehrlich, überraschen, wenn da in Planung und Durchführung nach so kurzer Zeit - trotz Praxissemester - nicht noch Dinge wären, an denen man arbeiten kann und muss), du diese aber gerade viel zu sehr betonst?
Rede doch noch mal in Ruhe mit der ABB oder wer von der Schule aus dabei war, um deinen Eindruck angleichen zu können.

(Und ja, vielleicht hast du auch einfach Pech mit dem Kernseminarleiter und einen erwischt, der nicht konstruktiv kritisieren kann und der auch nicht den Sinn dieses EPG wirklich verstanden hat. Dann abhaken und sich drüber freuen, dass der ja eh nicht benotet. ;- ) )
Kopf hoch!
Unterrichten lernen ist ein langer, komplexer Prozess, der deutlich mehr an der Person hängt, als alles, was du vorher gemacht hast. Daran muss man sich erst mal gewöhnen.
(Und das hört ja nachher nicht auf: Man lernt immer weiter, wie man möglichst guten Unterricht macht, insbesondere die ersten paar Jahre nach dem Ref sind da echt lehrreich. Und zu lernen, Kritik am Unterricht, die auch später von allen Seiten kommen kann (Eltern, Schüler...), Probleme nicht zu sehr auf sich als Person zu beziehen, sondern eher auf die Rolle als Lehrer, ist ein extrem wichtiger Lernprozess, sonst wird man in dem Job sehr schnell sehr unglücklich...)

Ja es ist NRW und leider muss ich sagen, dass die ABB es ähnlich gesehen hat. Ich hatte mit beiden das Gespräch. Ich habe das ganze handschriftlich fixiert und sollte es beiden noch einmal zuschicken, nicht weil es in eine Akte kommt, sondern bei weiteren Couchingterminen mitgebracht wird und dann geguckt wird was sich gebessert hat.
Das schwierige für mich ist, dass ich auch eine andere Klasse begleite (war nicht das EPG) und mir dort die Fachlehrerin singnalisiert, dass ich vielleicht manchmal ein bisschen streng bin (das wurde im EPG sehr STARK kritisiert), ich aber schon viele Dinge ganz gut mache, und es einfach Defizite gibt, die mit der Zeit kommen und für die es Erfahrung braucht. Sie haben mir im Prinzip signalisiert, dass sie mich als einen sehr offenen und fröhlichen Menschen kennengelernt haben und die Unterrichtsstunde das komplette Gegenteil signalisiert hat.
Positiv herausgestellt wurde, dass ich kein Lehrerecho habe und Arbeitsblätter erstellt habe (zumindest wurde gesagt, dass das Ganze ja wahrscheinlich viel Arbeit war ... :D).
Eigentlich versuche ich jetzt das Ganze abzuhacken, denn wie du schon geschrieben hast, die beiden werden mich nicht bewerten. Mich hat es nur unglaublich fertig gemacht, dass fast die ganze Zeit auf mich eingedroschen wurde und ich den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr gesehen habe. Ich wurde sogar solange zugetextet, dass garkeine Zeit mehr für die DInge blieb, die ich thematisieren wollte. Das konnte man ja vorher auf so einem Bogen ausfüllen. Und das fand ich ja alles andere als witzig -.-.

Katta
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Re: Wie kann ich meiner Unsicherheit begegnen? :(

Beitrag von Katta »

Ok, abhaken und atmen.

Das mit dem zu streng kommt dann wahrscheinlich durch Unsicherheit und dass du in deiner Rolle noch nicht angekommen bist, vermute ich mal? Das durchläuft jeder Ref, die einen setzen zu wenig Distanz, die anderen viel zu viel. (Und das Ganze verändert sich dann mit den Jahren auch noch mal). Das lernst du. Vor allem im bdU wirst du dich dem vermutlich am ehesten annähern können.
Finde deinen Weg. Reflektiere dich so gut es geht, ohne dich zu zerfleischen.

Freue dich, gute Arbeitsblätter erstellen und kein Lehrerecho ist schon mal gut. Alles andere kommt mit der Zeit.
Setze dir das doch dann jetzt als Schwerpunkt für den ersten UB, für deine Ausbildungslehrer, dass sie mal darauf achten sollen, wie du den Kindern gegenüber auftrittst, ob du klar und konsequent bist, dabei aber offen, oder noch zu harsch auftrittst. Und dir Tipps geben, was du konkret in einzelnen Situationen tun kannst.
(Man kann als Lehrer nämlich immer nur an einem, maximal zwei Aspekten sinnvoll arbeiten - und das Auftreten den Schülern gegenüber ist schon wichtig, um eine gute Atmosphäre zu schaffen, in der die Schüler sich angenommen fühlen.)

Mogli89
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Registriert: 24.07.2016, 19:25:28

Re: Wie kann ich meiner Unsicherheit begegnen? :(

Beitrag von Mogli89 »

Katta hat geschrieben:Ok, abhaken und atmen.

Das mit dem zu streng kommt dann wahrscheinlich durch Unsicherheit und dass du in deiner Rolle noch nicht angekommen bist, vermute ich mal? Das durchläuft jeder Ref, die einen setzen zu wenig Distanz, die anderen viel zu viel. (Und das Ganze verändert sich dann mit den Jahren auch noch mal). Das lernst du. Vor allem im bdU wirst du dich dem vermutlich am ehesten annähern können.
Finde deinen Weg. Reflektiere dich so gut es geht, ohne dich zu zerfleischen.

Freue dich, gute Arbeitsblätter erstellen und kein Lehrerecho ist schon mal gut. Alles andere kommt mit der Zeit.
Setze dir das doch dann jetzt als Schwerpunkt für den ersten UB, für deine Ausbildungslehrer, dass sie mal darauf achten sollen, wie du den Kindern gegenüber auftrittst, ob du klar und konsequent bist, dabei aber offen, oder noch zu harsch auftrittst. Und dir Tipps geben, was du konkret in einzelnen Situationen tun kannst.
(Man kann als Lehrer nämlich immer nur an einem, maximal zwei Aspekten sinnvoll arbeiten - und das Auftreten den Schülern gegenüber ist schon wichtig, um eine gute Atmosphäre zu schaffen, in der die Schüler sich angenommen fühlen.)

Danke für die Tips :)

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