Täuschungsversuch in Klassenarbeit

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chris212
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Täuschungsversuch in Klassenarbeit

Beitrag von chris212 »

Hey,
also ich hab mal ne Frage/ein Problem zum Diskutieren.
Ich habe gestern in meiner 8. Klasse (Mittelschule/Sachsen) eine Klassenarbeit in Mathe geschrieben. Soweit alles in Ordnung. Als ich nun am Kontrollieren der Arbeiten war fiel mir auf, dass ein Schüler bei einer Aufgabe einen völlig falschen Lösungsweg "ausprobiert" (hat bei der Flächenberechnung eines Kreises anstatt des Radius einfach den Umfang eingesetzt) hat. Danach hat er dann dieses Ergebnis, was ja falsch war, als Lösung hingeschrieben. Hab das mal geprüft, nach seiner Rechnung wäre das ja auch richtig! Dann hat er aber unerklärlicherweise die falschen Ergebnisse durchgestrichen und plötzlich die richtigen Ergebinisse notiert, wobei eines immer noch falsch war. Seine Sitznachbarin hat die Ergebnisse korrekt. Hier drängt sich für mich jetzt der Verdacht auf, dass er die Ergebnisse am Ende der Arbeit, als ich sie eingesammelt hab, noch schnell übernommen hat. Die stellt ja prinzipiell eine Täuschung dar, nur hab ich ihn eben nicht inflagranti erwischt.

Dazu jetzt die Frage: Wie kann/soll ich vorgehen? Darf ich nächträglich eine Täuschung werten? Soll ich den Schüler die Arbeit nochmal schreiben lassen? Ober hab ich andere Mittel?

Im sächs. Schulgesetz steht dazu nix konkretes. Befreundete Kollegen waren unterschiedlicher Meinung. Von Sanktionieren (als quasi Exempel) bis "Pech für mich", waren mehrere Meinungen vertreten.

Vielen Dank schon mal im voraus...
MfG Christian

Illi-Noize
Moderator
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Re: Täuschungsversuch in Klassenarbeit

Beitrag von Illi-Noize »

Bei mir gibt es nur Punkte auf die Lösung, wenn der Rechenweg nachvollziehbar ist. Ich schreibe in den Kopf jeder Arbeit:
Bearbeite die vier Aufgaben auf einem Extra-Blatt und arbeite sauber und ordentlich! Alle notwendigen Nebenrechnungen und Lösungswege sind anzugeben. Tintenkiller / TippEx ist nicht erlaubt, „gekillerte“ Lösungen werden nicht gewertet! Alle Ergebnisse sind auf 2 Nachkommastellen zu runden!
In diesem Fall ist die Sache klar: Keine Punkte. Jetzt stellt sich die Frage: Was hast Du mit den Schülern ausgemacht bzw. welche Regeln hast Du aufgestellt?

LatinaTeacharin
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Re: Täuschungsversuch in Klassenarbeit

Beitrag von LatinaTeacharin »

Wenn der Rechenweg nicht zum Ergebnis passt, dann gibt es in jedem Fall nicht die volle Punktzahl. Hätte er mit dem falschen Rechenweg ein richtiges falsches Ergebnis (also zum Rechenweg passend) gefunden, dann gäbe es auch nicht die volle Verrechnugspunktzahl, aber dennoch mehr, als ich jetzt im vorliegenden Fall geben würde... falscher Rechenweg und unerklärliches (weil dazu unpassendes) Ergebnis... ich würde die Aufgabe mit null Verrechnungspunkten bewerten. Begründung: falscher Ansatz und dann auch noch zu blöd gewesen, diesen wenigstens bis zum bitteren Ende durchzuführen.

frlkassandra
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Re: Täuschungsversuch in Klassenarbeit

Beitrag von frlkassandra »

Du musst einen S. nicht in flagranti erwischen (genauso wenig wie einen Dieb).

Sofern du Punkte wegen Täuschung abziehen möchtest, musst du die Täuschung auch nachweisen können.

Im vorliegenden Fall würde ich einfach die beiden S. rechts und links - ohne große Vorwarnung, aber mit deutlich "amtlichen" Ton- an den Seitentafel die Aufgaben bearbeiten lassen und somit für diesen Aufgabenteil die Leistungsmessung wiederholen (weil ein begründeter Täuschungsverdacht vorliegt).
Dann wird an beiden Teilen gemeinsam korrigiert und die Punkte vergeben. Wer´s vorher konnte, kanns vermutlich immer noch, ... und wer vorher den Flächeninhalt mit dem Umfang verwechselt hat ...

Dabei kann man gut klären, dass der Lösungsweg angegeben werden sollte und darauf Punkte vergeben wurden, dass du als Lehrer bei Täuschungsfeststellung auch im Nachhinein Punkte abziehen kannst ... oder bei Täuschungsverdacht eben eine Testwiederholung anordnen kannst. Sollte sich bei der Testwiederholung der Täuschungsverdacht bestätigen, können natürlich auch im Nachhinein "Sanktionen" folgen. Gnädigerweise (und natürlich um sich Ärger zu ersparen) wirst du dieses Mal jedoch noch davon absehen und nur diese Aufgabe auf OP setzen.

In meinen KA kommt es übrigens auf die Aufgabenstellung an, ob die S. den Lösungsweg dazu schreiben müssen, z.B. "berechne ausführlich", ist aber nicht immer der Fall.
Runden sollen meine S. "sinnvoll". Ich hasse es, wenn grundsätzlich auf 2 Stellen gerundet wird.

Zitronenfalter
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Re: Täuschungsversuch in Klassenarbeit

Beitrag von Zitronenfalter »

@chris 212

Es kommt auch meiner Meinung nach darauf an, was Du im Vorfeld mit der Klasse vereinbart hast.

Solltest Du nichts weiter vereinbart haben musst Du so wie bei allen anderen verfahren. Auch hier gilt "In dubio pro reo" - wichtig ist, dass Du agierst und nicht reagierst. Also ruhig dem SuS Deine Einschätzung mitteilen - ihm aber gleichzeitig auch sagen, dass er die Punkte, so wie alle anderen auch für das reine Ergebnis bekommt. Letzen Endes bricht Dir da kein Zacken aus der Krone und dem Schüler wirds nicht so viel helfen.
Deshalb - aber auch das wurde schon geschrieben - ist man gut beraten, wenn´s für den Lösungsweg, den Ansatz tc. auf jeden Fall mehr Punkte gibt als für das Hinschreiben des Ergebnisses.
Aus meiner Sicht ist das Wichtigste, das Du ehrlich, glaubhaft und souverän mit der Situation umgehst. Wenn Du´s nicht gesehen hast, wie er gespickt hat: Sportlich nehmen und beim nächsten Mal noch besser aufpassen oder dann gleich geeignete Maßnahmen ergreifen, dass das nicht nochmal passiert - ggf. bei der nächsten KA mit einem entsprechenden Hinweis den Schüler einzeln setzen.

@ frlcassandra

Deinen Vorschlag mit der Tafel ist zwar hier und da noch gängige Praxis - aber aus meiner Sicht aus 2 Gründen (völlig) daneben:
1. Die Zeiten, in denen man Schüler aus diziplinarischen Gründen an der Tafel für alle sichtbar versagen ließ sollten ehrlich gesagt so langsam megaout sein. Der Pranger war im Mittelalter!!!
2. Zur rechtssicheren Noten- und Wahrheitsfindung taugt dieses Verfahren ebenso wenig. Was machst Du, wenn derjenige, der´s in der KA nachweislich konnte und es an der Tafel dann 3 Tage später nicht mehr kann? Ziehst Du ihm dann auch die Punkte in der KA ab? Oder verrechnest Du´s mit der KA? Alles Käse...

Generell: Wer als Lehrperson heute noch zu solchen Mittel greift zeigt meiner Wahrnehmung nach nur, dass er sich von Schülern , die abschreiben oder spicken, persönlich angegriffen fühlt und mit der Situation nicht mit der gebotenen professionellen Distanz umgehen kann.
Ich rate dringend dazu, sich an die eingene Jugend zu erinnern. Wer wollte denn beim Spicken den Lehrer treffen? Und daran hat sich bis heute nicht geändert: Es geht um eine Risikoabwägung: Welche Note kann ich ehrlich erreichen und welche Note mit erhöhtem Risiko durch Bescheißen - das steckt dahinter, mehr nicht.

Also: Locker bleiben und nur das machen, was vorher angekündigt war.

Gruß
Zitro

PS: Und wer hat denn nicht die Erfahrung gemacht, dass Bescheißen in den seltensten Fällen wirklich etwas gebracht hat? Wäre mir völlig neu, dass sich jemand durch wiederholtes Abschreiben einen signifikanten Vorteil hätte erschelichen können. Diese Erfahrung sollten wir unseren Kindern doch heute auch gönnen, oder? :mrgreen:

PPS: Diesbezüglich haben jahrealte Klassenarbeiten, die von (im besten Falle nur faulen) Lehrkräften jedes Jahr identisch geschrieben werden und innerhalb von Familien durch die Geschwister weitervererbt wurden sicher einen größeren Anteil an der Leistungsbildverzerrung als alle Abschreibversuche...
heiter weiter!

frlkassandra
Beiträge: 675
Registriert: 14.11.2009, 14:54:42

Re: Täuschungsversuch in Klassenarbeit

Beitrag von frlkassandra »

Die Zeiten, in denen man Schüler aus diziplinarischen Gründen an der Tafel für alle sichtbar versagen ließ sollten ehrlich gesagt so langsam megaout sein. Der Pranger war im Mittelalter!!!
Hier stimme ich voll zu.

Ängstliche, schüchterne S. sollte man in diesem Fall auch nicht an die Tafel zwingen - geht aus meinem Beitrag nicht hervor - weiß ich - und den "Pranger" konnte man wohl auch darin lesen.

Dennoch würde ich bei einem begründeten Täuschungsverdacht (bei dem es um etwas mehr als ein paar Pünktchen geht) eine Testwiederholung anordnen und den Aufgabenteil separat schreiben lassen - auch - weil ich nicht nur Leistung beurteilen will, sondern auch Diagnose betreiben soll.
Gerade bei so grundlegenden Fehlern wie Verwechslung von Flächeninhalt und Umfang macht das ein S. nicht mal so, mal so!
Eine komplette Testwiederholung habe ich bislang ein einziges Mal angeordnet, ca. 3 Tage später. Und: Die Schüler haben mir bis auf 1P Unterschied und identischen Fehlerbildern, Lösungsstrategien die Klassenarbeit reproduziert und haben somit meinen Täuschungsverdacht widerlegt.

Man muss das ja an der Tafel auch nicht soo offensichtlich machen. Man könnte ja bei mehreren Aufgabe zwei S. an die Tafel bitten und dann auch unterschiedliche Bepunktungen klären, unterschiedliche Lösungswege, Schreibweisen thematisieren ohne die Tafel als "Pranger" zu missbrauchen.
Wer wollte denn beim Spicken den Lehrer treffen? Und daran hat sich bis heute nicht geändert: Es geht um eine Risikoabwägung: Welche Note kann ich ehrlich erreichen und welche Note mit erhöhtem Risiko durch Bescheißen - das steckt dahinter, mehr nicht.
Und beim einen Lehrer ist das Risiko höher oder niedriger als beim anderen ...
Deshalb - aber auch das wurde schon geschrieben - ist man gut beraten, wenn´s für den Lösungsweg, den Ansatz tc. auf jeden Fall mehr Punkte gibt als für das Hinschreiben des Ergebnisses.
Es gibt Aufgabenstellungen, da ist das nicht so. Z.B. Gleichungen. Da finde ich es sinnvoll, wenn die S. nicht stur ein algorithmisches Verfahren anwenden, sondern bei einfachen oder speziellen Formen Gleichungen auch durch "scharfes Hinsehen" lösen. (z.B. Faktorisierte Gleichungen, die beim Ausmultiplizieren zu kubischen oder höheren Gleichungen führen würden und zu denen den S. gar kein algorithmisches Verfahren zur Verfügung steht.
Selbst bei Textaufgaben kann es sein, dass man durch systematisches Probieren schneller zur Lösung kommt als durch stures Anwenden des Rezepts "Gleichung aufstellen und durch Äquivalenzumformungen lösen".

krabappel
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Registriert: 21.08.2011, 20:08:49

Re: Täuschungsversuch in Klassenarbeit

Beitrag von krabappel »

LatinaTeacharin hat geschrieben:Wenn der Rechenweg nicht zum Ergebnis passt, dann gibt es in jedem Fall nicht die volle Punktzahl. Hätte er mit dem falschen Rechenweg ein richtiges falsches Ergebnis (also zum Rechenweg passend) gefunden, dann gäbe es auch nicht die volle Verrechnugspunktzahl, aber dennoch mehr, als ich jetzt im vorliegenden Fall geben würde... falscher Rechenweg und unerklärliches (weil dazu unpassendes) Ergebnis... ich würde die Aufgabe mit null Verrechnungspunkten bewerten. Begründung: falscher Ansatz und dann auch noch zu blöd gewesen, diesen wenigstens bis zum bitteren Ende durchzuführen.

Sehe ich genauso. Da muss man vorher nichts absprechen- wenn ein Schüler einen Rechenweg und ein dazu nicht passendes Ergebnis hat, kann er weder für den Rechenweg noch fürs Ergebnis Punkte bekommen. Wieso auch? Aufs Ergebnis kann er nicht selbst gekommen sein und der Rechenweg führte zu nichts, da er das Ergebnis leider durchgestrichen hat.
Erkläre ihnen das und beim nächsten Mal vertrauen sie dann vielleicht lieber sich selbst.

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