Mit einem kleinen zeitlichen Abstand zum Ref möchte ich mal meine Erfahrungen zum Besten geben:
Vorweg: Ich fand die Zeit nicht einfach. Zeitweise hatte ich sogar den Eindruck, meinen normalen Menschenverstand verloren zu haben oder hatte immer das Gefühl, nie genug Zeit, Frische und Selbstbewusstsein zu haben oder aufgewendet zu haben. Auch saß ich an manchen Abenden vor dem nächsten Unterrichtstag mit dem dumpfen Gefühl da: "Hoffentlich reicht das, hoffentlich merkt das niemand, dass es nur Stückwerk ist."
Ich hatte permanent ein schlechtes Gewissen, nicht genug getan zu haben. Wenn ich dann aber noch mehr gemacht habe, verzettelte ich mich, zweifelte immer mehr, schmiss immer wieder meine Planung um und musste dann trotz der permanenten Beschäftigung mit dem Gefühl in den Unterricht, wieder nicht ganz fertig geworden zu sein und wieder mit dem, was ich da habe, nicht zufrieden zu sein.
Ich habe die anderen Refs beobachtet und mich echt gefragt, wie es sein kann, dass die immer so den Eindruck machten, den totalen Durchblick zu haben und immer bestens vorbereitet schienen.
Bei uns an der Schule haben zwei Refs mega Vornoten gehabt, haben geschleimt, bis dass mir beim Zusehen übel wurde und ich schon keine Lust hatte mich selbst zu engagieren, weil ich die beiden so widerlich fand beim Ar...kriechen.
Beide haben sich aber eben so verkauft, dass alle ganz angetan waren und sich haben blenden lassen.
Was nicht schwierig war, weil sie auf die Ausarbeitungen ihrer Lehrereltern oder deren Freunde zurückgegriffen haben und diese ihnen während des Refs zur Seite standen. Ist nicht schlimm, hätte ich sicher auch getan und mir viel Arbeit und Stress gespart, die sie dann natürlich dafür aufwenden konnten, sich in Szene zu setzen.
Das Problem war aber, dass beim 2. Staatsexamen fremde Prüfer einen anderen Blick auf diese beiden hatten und deren Familie/Freunde angesichts der Vornoten "Ja, ja, passt schon, klingt gut..." wohl keine Sorge mehr hatten und vielleicht auch nicht mehr so intensiv die UPP-Entwürfe gelesen haben.
Am Tage der Wahrheit, das 2. Staatsexamen, ist der eine Ref mehr schlecht als recht durchgekommen und der andere hat nur durch den massiven Einsatz und Kampf ihrer Fachleiterin gerade mal so eben das 2. Staatsexamen bestanden.
Die beiden Refs hatten so einen Höhenflug und auch Arroganz an den Tag gelegt und meinten, das Examen schon in der Tasche zu haben und dann eben der Paukenschlag.
Ja, klingt nach Schadenfreude. Ich arbeite dagegen an. Schadenfreude ist unschön.
Andere, wie ich, die ich mit Selbstzweifeln und mittelprächtigen Noten angetrabt bin, bin gut und solide durch das Examen gekommen.
Die Moral von der Geschicht´ : Am Ende zählt nur, dass man besteht und das Vornoten nicht immer auch das Ende vorwegnehmen.
Und: Wenn man dann "drin" ist im Lehrerberuf, dann vergisst man diese anstrengende Zeit auch recht schnell, außer, wie man eine Stunde aufbaut und dass man ein permanentes Rufzeichen im Kopf hat, aufzupassen und sich für seine Schüler anzustrengen, die den besten Unterricht verdienen, zu dem man fähig ist. Man gewinnt aber auch eine gewisse Routine und das entspannt, wie auch die Tatsache, dass da niemand mehr sitzt, der einen beobachtet, kontrolliert und bewertet. Man findet zu sich selbst und -oh Wunder- man erkennt selbst, was nicht so gut gelaufen ist. Hier aber hat man als Fachlehrer die Chance noch einmal nachzulegen, ohne dass jemand dazwischenspringt und einem direkt auf die Finger haut.
Außerdem geht man ganz anders auf die Schüler ein und hat auch viel mehr Ressourcen, weil der ganze Stress von einem abfällt und man viel mehr Ruhe hat, Herr seiner Zeit ist(wenn nicht gerade wieder etwas Organisatorisches für die Schule ansteht) und auch mal etwas auf die nächste Stunde verschieben kann, wenn man sieht, dass noch einmal etwas nachgeschärft werden muss. Diese Chance hat man im Referendariat ja nicht unbedingt.
Was mich auch verwundert hat: Die meisten fertigen Lehrer wussten oft selbst nicht, was von uns gefordert wurde und konnten da auch wenig helfen. Reihenplanung, die aktuellen Curricula, kompetenzorientierter Unterricht... joa, haben die meisten schon irgendwie gehört und selbst gemacht, aber keine Ahnung wie das umzusetzen ist... und ein Kompetenzziel formulieren?? Keine Ahnung... Ich musste mich durch viele Dinge selbst durchkämpfen.
Gerade am Anfang fühlte ich mich da völlig verloren und unsicher.
Außerdem fand ich die Tipps und Korrekturen durch die Mentoren, Schulleitung, Seminar widersprüchlich und manchmal nur verwirrend und seltsam unkonkret. Manches Tipps waren auch sehr wertvoll von erfahrenen Lehrkräften, die vielleicht keine Ahnung von diesen Sachen hatten, aber eben im Blut hatten nach so langer Zeit, was funktioniert und was nicht.
Ein Ref-Kollege hat eine Stunde gehalten, mit dem ein anderer Ref-Kollege an einer anderen Schule mit einer 2 rausgekommen ist und er selbst wurde in Bausch und Bogen dafür zusammengefaltet. Das sind jetzt nur ein paar Beispiele, ich hätte auch einige mehr.
Das ganze System ist irgendwie nicht so durchdacht. Es müssten sich mal ein paar gescheite Leute zusammensetzen und überlegen, welche Hilfestellungen man Refs geben könnte. So eine Art Scaffolding, ganz konkret, gerade am Anfang. Überflüssig fand ich einige Themen der Kernseminare. Da hatte ich das Gefühl nur meine Zeit abzusitzen.
Na ja, das aber ist wohl einen eigenen Thread wert und sollte da vertieft werden.
Ref... nicht besonders gut... nicht besonders schlecht
Re: Ref... nicht besonders gut... nicht besonders schlecht
Das "System" ist schon durchdacht, aber halt nicht unbedingt - in dem Punkt stimme ich dir voll zu - darauf ausgelegt, bestmögliche konkrete Unterstützung in der Ausbildung zum Lehrer anzubieten in möglichst allen Bereichen. Schließlich müssen/sollen die Tauglichen ja auch von den Untauglichen selektiert werden, die viel zu kurzen 1,5 Jahre praktische Lehrerausbildung würde ich also eher als lange Dauerprüfungsphase sehen, wo (wenn es gut läuft und die Rahmenbedingungen stimmen) auch Unterstützung geleistet wird, aber eben nicht unbedingt zwangsläufig; es kann auch genau das Gegenteil erfolgen und Leute regelrecht demontiert werden. Leider.CaraM. hat geschrieben: ↑21.12.2020, 16:39:49Das ganze System ist irgendwie nicht so durchdacht. Es müssten sich mal ein paar gescheite Leute zusammensetzen und überlegen, welche Hilfestellungen man Refs geben könnte. So eine Art Scaffolding, ganz konkret, gerade am Anfang. Überflüssig fand ich einige Themen der Kernseminare. Da hatte ich das Gefühl nur meine Zeit abzusitzen.
Es ist auch nicht einfach, hier wirklich hieb und stichfeste Verbesserungsvorschläge zu machen, da das "System" extrem festgefahren ist und viele Strukturen so verhärtet sind, dass sie sich wirksamen Reformen gegenüber sperren (würden). Man müsste wohl das Beamtenwesen abschaffen und eine qualitativ dem Stand der Wissenschaft entsprechende Ausbildung an die Stelle des Referendariats setzen, was aber wieder am Bildungsföderalismus scheitern könnte. Letztlich liegt ein Teil des Problems auch in den Bildungswissenschaften selbst begründet, die hierzulande lange Zeit geisteswissenschaftlich geprägt waren und teilweise noch sind (je nach Uni und Bundesland mal stärker und mal schwächer). Empirisches Vorgehen ist hier noch lange nicht selbstverständlich und entsprechend subjektiv ist die Bewertung in vielerlei Hinsicht bis heute geblieben.
Immerhin kann jeder einzelne (Jung)Lehrer durch sein eigenes Verhalten etwas beisteuern, weil wir alle ja automatisch auch an der Ausbildung des Lehrernachwuchses mit beteiligt sind. Das ist nicht viel, aber hier hört es doch oft schon wieder auf, wenn Leute zwar auf die eigene Ausbildung schimpfen, dann aber genau dieselben Verhaltensweisen/Marotten den eigenen Schützlingen gegenüber an den Tag legen, an denen sie selbst gelitten haben. Da kann ich immer nur den Kopf schütteln...
Dir einen guten Start ins Lehrerdasein und vielen Dank für deinen Bericht!