Dieser Druck

Konstruktive Kritik - das Referendariat muss reformiert werden! Eure Vorschläge...
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Ulysses
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Beitrag von Ulysses »

Serafina hat geschrieben:Mein Bruder ist Meister in einem Handwerksbetrieb. Er hat damals 2 Monate und nicht 2 Jahre lang richtig Stress geschoben und sein komplettes privates Umfeld Nerven gekostet, und dann wars vorbei.
Er konnte kein Englisch. Gut, es war ätzend, dieses für ihn so blöde Fach noch einmal vorgesetzt zu bekommen, aber ansonsten fühlte er sich nicht rund um die Uhr unter Druck gesetzt.
wahrscheinlich würden dir jetzt kultusministeriale Verantwortliche in der Lehrerausbildung sagen: "er hat ja vorher schon 3 Jahre als Azubi gelernt, da ist ja klar, dass er das Meisterstück schneller schafft als unsere Referendare. die haben ja schließlich vorher nur ab und zu mal ein Praktikum gemacht. Seien Sie doch froh, dass Ihre Ausbildung nur zwei Jahre dauert!"

:evil:
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kakaotrinkerin

Beitrag von kakaotrinkerin »

Ich möchte Zitro erstmal in jeder Hinsicht zustimmen. Besser kann man es nicht ausdrücken.

Und für die, die sich jetzt schon im Ref so wahnsinnig gestresst fühlen: Bitte analysiert mal genau, was konkret euch Druck macht. Ist es wirklich die "Arbeitsbelastung", die Lehrproben und Co. nunmal mit sich bringen? Oder ist es eher der psychische Druck?

Ich glaube, die meisten Refs leiden eher unter der psychischen Komponente des Referendariats als unter irgendeiner dubiosen Arbeitsbelastung, die mit den Belastungen nach dem Ref nicht mal ansatzweise vergleichbar ist.

Meines Erachtens nach ist es im Ref weniger das Planen einer LP, die es den Leuten schwermacht, sondern eher das Wissen darum, dass eine Schulstunde, die benotet werden soll, eben trotz Fleiß und bestem Engagement nicht 100% durchgeplant werden kann, dass die Kriterien letztendlich natürlich weiche sind und dass man immer im Hinterkopf hat, dass die Note natürlich für das weitere Leben nicht ganz unwichtig sein wird- auch wenn das meiner Meinung nach mit den Noten völlig überschätzt wird.

Und wie Zitro es schon sagte: Jeder, auch jeder Fachleiter, weiß, dass diese Showstunden Showstunden sind und dass ein derartiges Durchplanen, eine derartige Materialschlacht im Alltag nicht geleistet werden kann. Aber wie sagte mal jemand: Lehrproben sind Zauberstunden; hier soll der Ref zeigen, dass er auch mal zaubern kann. Und ja, wenn jemand in der Lage ist, die paar Mal, die es draufankommt, eine solche Zauberstunde zu zeigen, wird er auch in der Lage sein, halbwegs guten Alltagsunterricht zu planen.

Ich glaube, einige hier sollten sich mal klarmachen, dass die tatsächliche Arbeitsbelastung nach dem Ref erstmal wirklich losgeht. Im Ref hatte ich immer so 12-14 Stunden. Jetzt habe ich die doppelte Stundenzahl und eine Klassenleitung. Was da mittlerweile an Arbeit anfällt, ist im Vergleich zum Ref echt heftig. Es gibt durchaus manchmal Tage, an denen ich die Ref-Zeiten mit den 3 Stunden am Tag und dann eben ab und an mal einer LP im Vergleich zu jetzt absolut entspannend finde, rückblickend gesehen.

Von daher kann es eigentlich nicht sein, dass es wirklich zuviel verlangt ist, an etwa 15 Tagen im Ref eine Showstunde zu zeigen, für deren Vorbereitung man meistens Tage oder gar Wochen Zeit hat.

Den Vorschlag von Katharina finde ich nicht besonders gut: Es gibt sicher Themen, die man sehr gut mit nur einer Stunde Vorlaufzeit planen kann, es gibt aber sicher auch sehr viele Themen, bei denen das sehr, sehr schwierig werden würde. Eine Stunde, in der eine verhältnismäßig einfache Ezählung erarbeitet werden soll, kann man sicher in einer Stunde der Zeit entsprechend vernünftig planen. Bei sehr anspruchsvoller Lyrik für die Oberstufe würde ich mir das aber schon in einer Stunde absolut nicht zutrauen- bin ich deswegen jetzt schlecht und habe nix drauf?

Nachteule
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Beitrag von Nachteule »

kakaotrinkerin hat geschrieben:


es gibt aber sicher auch sehr viele Themen, bei denen das sehr, sehr schwierig werden würde. Eine Stunde, in der eine verhältnismäßig einfache Ezählung erarbeitet werden soll, kann man sicher in einer Stunde der Zeit entsprechend vernünftig planen. Bei sehr anspruchsvoller Lyrik für die Oberstufe würde ich mir das aber schon in einer Stunde absolut nicht zutrauen- bin ich deswegen jetzt schlecht und habe nix drauf?
Quatsch!

Nein, das geht doch (denke ich) jedem so. Ich habe Stunden, die ich in 5-10 Minuten vorbereite, dann gibt es Stunden, deren Vorbereitung (Materialerstellung, eigene Recherche, Lösungen) mich weit über eine Stunde kosten. Diese Vorbereitungen nutze ich aber meistens in aktualisierter Form später noch einmal. Insgesamt - und so sehe ich die Zahlenspielereien mit der Vorbereitungszeit für den Unterricht - sollten im Durchschnitt nicht mehr als 45 Minuten nötig sein, damit man auch noch die anderen schulischen (und privaten) Dinge erledigen kann. Denn es ist ja bestimmt nicht nur die Unterrichtsvorbereitung, die einen schulisch beschäftigt.
An manchen Tagen bereite ich kaum Unterricht vor (und lebe von alten Vorbereitungen), korrigiere, führe Elterngespräche, plane Teilkonferenzen, schreibe Gutachten ...

Alles Gute, Nachteule

kakaotrinkerin

Beitrag von kakaotrinkerin »

Eben. Wenn man sich einmal wirklich gründlich eine gute Unterrichtsreihe erarbeitet hat, profitiert man davon ja auch lange Zeit.

CherryOnTop
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Beitrag von CherryOnTop »

Serafina hat geschrieben: Ich kenne das aus dem Ref so: Die Leute steckten kaum Energie in ihren eigenverantwortlichen Unterricht und alle Energie in einen adretten Gesichtsausdruck in der Gegenwart von Seminarleitern und sonstigen Ausbildern. Für die wurde alles zugeschnitten, um dann wie erwartet funktionieren zu können. Der Alltag war nur dann wichtig, wenn in den eigenen Ausbildungsklassen Unterrichtsbesuche geplant waren.
Das war ökonomisch und von mir durchaus nachvollziehbar. Ich kann Leute, die sich ihre Gesundheit erhalten wollen, nun mal verstehen. Es stank aber zum Himmel, dass sie sich dieser Strategie überhaupt bedienen mussten, um einigermaßen gut durchkommen zu können.
Was schlägst du denn stattdessen vor? Welche Strategie hast du denn eingesetzt? Würde mich mal so interessieren...
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Ulysses
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Beitrag von Ulysses »

kakaotrinkerin hat geschrieben:Den Vorschlag von Katharina finde ich nicht besonders gut: Es gibt sicher Themen, die man sehr gut mit nur einer Stunde Vorlaufzeit planen kann, es gibt aber sicher auch sehr viele Themen, bei denen das sehr, sehr schwierig werden würde.
[...]
Bei sehr anspruchsvoller Lyrik für die Oberstufe würde ich mir das aber schon in einer Stunde absolut nicht zutrauen- bin ich deswegen jetzt schlecht und habe nix drauf?
du siehst das zu sehr als entweder-oder, aber das muss doch gar nicht sein.

es geht ja gar nicht um die Frage, ob man entweder arbeitsam und intensiv vorbereitete Showstunden zeigt oder eine spontan ausgedachte Stunde veranstaltet.

im Lehrerberuf kommt es darauf an, dass man sowohl das eine als auch das andere beherrscht.

insofern halte ich es gar nicht für verkehrt und finde es auch ziemlich reizvoll, im Referendariat beides einmal abzuprüfen.

andererseits hat es natürlich auch seinen Sinn, wenn sich die Prüfungen auf die intensiv vorbereiteten Showstunden konzentrieren, denn wer das einmal gelernt hat, der lernt auch umso schneller, spontan sich irgendwas aus dem Ärmel zu saugen.

umgekehrt dürfte es dagegen deutlich schwerer sein.

und außerdem hängt das sowieso vom Thema der Stunde ab. nicht alles kann man sich in kurzer Zeit aus den Fingern saugen, vor allem dann nicht, wenn man viel Materialien braucht, z.B. in den von dir erwähnten Lyrik-Stunden, wo man entsprechende Texte lesen und auswählen muss.

es gibt aber auch durchaus Standard-Themen, die immer wieder vorkommen und die man durchaus schnell hinkriegt ohne großes Material mitzubringen. wenn ich in Latein die u-Deklination, das Partizip Präsens oder das Gerundium vorstellen will, reicht mir die Tafel und das entsprechende Schulbuch-Kapitel. ich muss mir also nur noch Gedanken um den Verlauf machen. und da kann man schon mit wenig sehr viel machen.

für den Unterschied zwischen Catulls erotischer Lyrik und den Spottepigrammen von Martial muss ich natürlich auch erstmal mühsam Texte zusammensuchen und zusammenkopieren. da reicht mir eine Stunde auch nicht.
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Serafina
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Beitrag von Serafina »

CherryOnTop hat geschrieben:
Serafina hat geschrieben: Ich kenne das aus dem Ref so: Die Leute steckten kaum Energie in ihren eigenverantwortlichen Unterricht und alle Energie in einen adretten Gesichtsausdruck in der Gegenwart von Seminarleitern und sonstigen Ausbildern. Für die wurde alles zugeschnitten, um dann wie erwartet funktionieren zu können. Der Alltag war nur dann wichtig, wenn in den eigenen Ausbildungsklassen Unterrichtsbesuche geplant waren.
Das war ökonomisch und von mir durchaus nachvollziehbar. Ich kann Leute, die sich ihre Gesundheit erhalten wollen, nun mal verstehen. Es stank aber zum Himmel, dass sie sich dieser Strategie überhaupt bedienen mussten, um einigermaßen gut durchkommen zu können.
Was schlägst du denn stattdessen vor? Welche Strategie hast du denn eingesetzt? Würde mich mal so interessieren...
Ich schlage gar nichts vor. Ich selbst habe bis zum Umfallen geackert.

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