Gedankenspiel zum Referendariat

Konstruktive Kritik - das Referendariat muss reformiert werden! Eure Vorschläge...
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Jméno
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Re: Gedankenspiel zum Referendariat

Beitrag von Jméno »

Ich glaube auch hier, dass man das nicht so pauschal sagen kann - ich bin beispielsweise durchaus über mein Unterrichtsdeputat hinaus im Schulalltag engagiert. Allerdings mit Bedacht an jenen Stellen, die für mich persönlich einen nachvollziehbaren Mehrwert bringen, z.B. durch Mitorganisation eines Austausches an einen Ort, an den ich ohnehin auch privat reisen würde. Was über meine Pflichten hinausgeht und bei einer rationalen Kosten-Nutzen-Analyse mies abschneidet, lehne ich jedesmal ab.
…он је метафора, начин живота, угао гледања на ствари!

LatinaTeacharin
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Re: Gedankenspiel zum Referendariat

Beitrag von LatinaTeacharin »

Ich glaube, wir stehen auf der gleichen Seite.
Das glaube ich nicht, denn
Und ganz ehrlich, wenn man andere (ähnlich gutbezahlte) Berufe ansieht, dann müssen diese oft auch über 40 Stunden arbeiten und dann sehe ich es nicht als einen Akt der Selbstaufgabe, wenn ich keine "entspannte" 40 Stunden Woche habe.
sehe ich überhaupt nicht so.
Erstens vergleiche ich nicht, sondern nehme die Grundlagen hin, die für mich gelten. Und wenn das Land B.-W. meint, dass ich bei einer vollen Stelle 41h Wochenarbeitszeit haben soll und mich dafür dann entsprechend besoldet, dann arbeite ich auch "bloß" die 41h/Woche.
Zweitens geht für mich alles über die bezahlten 41h/Woche in den Bereich Selbstaufgabe, denn dafür erhalte ich keinen finanziellen Gegenwert. Also gebe ich damit etwas auf: einen Teil meiner Freizeit. Wäre ich auf Gotteslohn aus, hätte ich mir einen anderen Job gesucht. Und für Luft und Liebe arbeite ich auch nicht.
Allerdings mit Bedacht an jenen Stellen, die für mich persönlich einen nachvollziehbaren Mehrwert bringen, z.B. durch Mitorganisation eines Austausches an einen Ort, an den ich ohnehin auch privat reisen würde.
Solche Orte besuche ich dann doch lieber ohne nervige Schüler und die damit verbundene Verantwortung in den üppig vorhandenen unterrichtsfreien Zeiten.

User65
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Re: Gedankenspiel zum Referendariat

Beitrag von User65 »

LatinaTeacharin hat geschrieben:Und wenn das Land B.-W. meint, dass ich bei einer vollen Stelle 41h Wochenarbeitszeit haben soll und mich dafür dann entsprechend besoldet, dann arbeite ich auch "bloß" die 41h/Woche.
Zweitens geht für mich alles über die bezahlten 41h/Woche in den Bereich Selbstaufgabe, denn dafür erhalte ich keinen finanziellen Gegenwert. Also gebe ich damit etwas auf: einen Teil meiner Freizeit. Wäre ich auf Gotteslohn aus, hätte ich mir einen anderen Job gesucht. Und für Luft und Liebe arbeite ich auch nicht.
Volle Zustimmung!

Ich möchte die Sache noch um ein Argument erweitern.

Für diejenigen, die, wie LatinaTeacharin, einen soliden Unterricht in einer 41-Stunden-Woche machen wollen und das auch schaffen, ist es sehr schädlich, wenn andere Kollegen sich ständig darüber hinaus engagieren und "aufopfern"! Vorgesetzte neigen nämlich dazu, solche angeblichen Höchstleistungen als Norm anzusehen, die dann auch von anderen verlangt wird. Wir erinnern uns vielleicht an unsere Schulzeit und die unbeliebten Klassenstreber und erkennen jetzt den tieferen Sinn der damaligen Ächtung solcher Individuen. Darum bitte bei jedem Engagement immer auch bedenken, welche Auswirkungen das jetzt und auch zukünftig auf die Belastung der Kollegen haben kann. Besonders angesprochen dürfen sich diese wuseligen Kamikazepädagogen (leider sehr oft Pädagoginnen!) fühlen, die ständig irgendetwas verbessern, hier etwas organisieren und dort noch ein Gespräch führen wollen, und schließlich nur strapazierte Nerven hinterlassen.
Man kann auch ohne Alkohol Spaß beim Feiern haben. Aber ich gehe auf Nummer sicher.

Herbstmilch
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Re: Gedankenspiel zum Referendariat

Beitrag von Herbstmilch »

sehe ich überhaupt nicht so.
Erstens vergleiche ich nicht, sondern nehme die Grundlagen hin, die für mich gelten. Und wenn das Land B.-W. meint, dass ich bei einer vollen Stelle 41h Wochenarbeitszeit haben soll und mich dafür dann entsprechend besoldet, dann arbeite ich auch "bloß" die 41h/Woche.
Zweitens geht für mich alles über die bezahlten 41h/Woche in den Bereich Selbstaufgabe, denn dafür erhalte ich keinen finanziellen Gegenwert. Also gebe ich damit etwas auf: einen Teil meiner Freizeit. Wäre ich auf Gotteslohn aus, hätte ich mir einen anderen Job gesucht. Und für Luft und Liebe arbeite ich auch nicht.
Ok, dann haben wir tatsächlich ein grundverschiedenes Verständnis des Berufes. Ich halte den Lehrberuf tatsächlich für einen Dienst am Menschen, der nicht jedes Mal genau in 40 oder 41 Wochenstunden passt. (Ich halte dies auch nicht für ein Problem: Ich sehe eher die Gegenposition für problematisch!) Was passiert eigentlich, wenn Schüler oder Eltern ein Problem haben, aber es passt nicht in deinen Zeitplan? Sagst du dann: "Entschuldigung, aber sie kontaktieren mich außerhalb meiner geplanten Arbeitszeit! Ich muss jetzt nach Hause und Stunden vorbereiten, sonst komme ich über die 41 Stunden!"? Ich bezweifle ernsthaft, dass man das im Alltag so durchziehen kann, denn es kommen ja immer wieder auch Probleme auf einen zu, die man im Vorfeld nicht planen kann! (Gerade weil man mit sovielen Jugendlichen arbeitet.)
Selbstaufgabe wäre für mich, wenn ich nur noch für den Beruf lebe und nicht weil ich mehr 40 Stunden in der Woche arbeite. Darüber hinaus werden wir ja auch in den Ferien bezahlt. Wenn wir diese Stunden aufrechnen würden, kämen wir aber weit über die 41 Stunden Woche...


@ User65: Und wer bestimmt, was angemessen und solide ist? Man kann auch für einen grottenschlechten Unterricht 41 Stunden brauchen. Mal davon abgesehen, finde ich es schon merkwürdig, dass man meint, dass ein Berufsanfänger (der naturgemäß weniger in petto hat) genauso viel arbeitet als ein erfahrener Lehrer, der über ein ganz anderes Repertoire an Unterlagen und Erfahrungen verfügt. Ich halte es für wahrscheinlicher, dass viele Berufsanfänger oft über die geforderte Stundenzahl kommen und später eher weniger als die 41 Stunden brauchen.

LatinaTeacharin
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Re: Gedankenspiel zum Referendariat

Beitrag von LatinaTeacharin »

Ich halte den Lehrberuf tatsächlich für einen Dienst am Menschen, der nicht jedes Mal genau in 40 oder 41 Wochenstunden passt.
Das ist allerdings dein Problem. So definiert sich der Lehrerberuf NICHT. So definierst du ihn. Übertrag' das bitte nicht auf andere und erwarte von anderen NICHT diese Haltung.
Was passiert eigentlich, wenn Schüler oder Eltern ein Problem haben, aber es passt nicht in deinen Zeitplan?
Ich habe ein Mal pro Woche Sprechstunde. Da kann man sich an mich wenden. Ich bin ja schließlich kein 24-h-Notdienst der Caritas oder sonst einer "den-Menschen-liebenden-Organisation".
denn es kommen ja immer wieder auch Probleme auf einen zu, die man im Vorfeld nicht planen kann! (Gerade weil man mit sovielen Jugendlichen arbeitet.)
Die Frage ist nicht, was auf mich zukommt, die Frage ist, was ich auf mich zukommen lasse.
Selbstaufgabe wäre für mich, wenn ich nur noch für den Beruf lebe und nicht weil ich mehr 40 Stunden in der Woche arbeite.
Glückwunsch: Du hast mit deinen Ausführungen bewiesen, dass du gerade dabei bist, dich selbst aufzugeben.
@ User65: Und wer bestimmt, was angemessen und solide ist?
Pro forma der Dienstherr. Der freut sich allerdings einen Wolf, dass es genug Blöde gibt, die über das Pensum arbeiten, was er vorgibt. Ist für ihn unglaublich billig, dass es solche "Kamikazepädagoginnen" (danke, User65 - ein herrliches Wort!) gibt.
Und dann habe ich ja auch noch etwas zu entscheiden... :lol:
Mal davon abgesehen, finde ich es schon merkwürdig, dass man meint, dass ein Berufsanfänger (der naturgemäß weniger in petto hat) genauso viel arbeitet als ein erfahrener Lehrer
Dir ist hoffentlich schon klar, dass es gerade die erfahreneren Kollegen sind, die Zusatzaufgaben haben: die Betreuung von Sammlungen, die Oberstufenkoordination, den Vertretungsplan, ...
Da ist die rascher erledigte Vorbereitung doch nur gut - sonst könnte man all das garnicht mehr stemmen.
Ich halte es für wahrscheinlicher, dass viele Berufsanfänger oft über die geforderte Stundenzahl kommen und später eher weniger als die 41 Stunden brauchen.
Auch das ist eine Frage der Professionalität und des eigenen Anspruchs. Man muss nicht jedes Arbeitsblatt so liebevoll gestalten, als wäre es ein Briefchen an den Liebsten. Und soooo schlecht sind die Aufgaben und Texte, die Schulbücher bieten, nun auch nicht...

User65
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Re: Gedankenspiel zum Referendariat

Beitrag von User65 »

Herbstmilch hat geschrieben:@ User65: Und wer bestimmt, was angemessen und solide ist? Man kann auch für einen grottenschlechten Unterricht 41 Stunden brauchen.
Genau, es geht um die Qualität von Unterricht, und wie guter Unterricht auszusehen hat, wird doch jedem im Vorbereitungsdienst beigebracht. Oder etwa nicht?

Ich wage zu behaupten, dass durchgängig guter Unterricht mit einem Deputat von - sagen wir - 26 Unterrichtsstunden überhaupt nicht möglich ist, wenn man nicht bereit ist, auch abends oder an Wochenenden zu arbeiten. Das gilt natürlich für Junglehrer umso mehr.

Mit Beendigung meines Vorbereitungsdienstes wurde mir das mehr und mehr bewusst, und allein der Gedanke an eine zukünftige Tätigkeit als Lehrer löste bei mir Panikattacken aus. Wenn ich nur daran dachte, welchen Aufwand ich schon für die Nicht-Lehrproben-Unterrichtsstunden im Vorbereitungsdienst betrieben hatte, war mir klar, dass ich bei einer Vollzeitstelle (auch noch mit diversen nebenunterrichtlichen Verpflichtungen oder fachfremdem Unterricht) vollständig aufgerieben werden würde. Immer nur mit halbfertigen oder unausgegorenen Konzepten und dem steten Bewusstsein der Arbeit nachzugehen, dass man es eigentlich hätte besser machen müssen, kann in keinem Beruf die dauerhafte Grundlage für die Kerntätigkeit sein, dessen wenigstens durchschnittliche Qualität doch jeder anstreben sollte.

Diese Perspektive - und noch ein paar andere hier nicht relevante Überlegungen - hat jedenfalls bei mir dazu geführt, dass ich dem Lehrerberuf fluchtartig den Rücken zukehrt habe. Ob als Anfänger oder Routinier - ich bin nicht bereit, für einen durchschnittlich bezahlten akademischen Beruf auch noch mein mir sicher zustehendes tägliches Restleben hinzugeben. Und da gerade der Schuldienst mit seiner auf die Minute genau vorgeschriebenen Unterrichtsverpflichtung überhaupt keine Freiheit zur regulierenden Arbeitsgestaltung bietet, ist dieser Job nichts für mich. Er würde mir vielleicht einen kleinen Gestaltungsspielraum über das WIE meiner Arbeit erlauben, aber sehr viel weniger über das OB, WANN und WIEVIEL.

Ich weiß, dass man meine Anmerkungen auch so deuten kann, dass ich einfach zu blöd und zu inkompetent für diese Arbeit bin. Solche Interpretationen nehme ich gelassen hin, denn für ein gutes II. Staatsexamen hat's jedenfalls gereicht. Aber vielleicht reicht ja auch das Referendariat überhaupt nicht als Vorbereitung auf den Beruf. Jedenfalls kann man auch hier immer wieder lesen und andernorts hören, dass das Referendariat doch nun nichts mit dem späteren Arbeitsalltag zu tun habe, weil dort angeblich die Fakten eine neue Unterrichtsnorm bilden. Und damit wären wir wieder beim Ursprungsthema: Muss das Referendariat geändert werden?
Man kann auch ohne Alkohol Spaß beim Feiern haben. Aber ich gehe auf Nummer sicher.

Illi-Noize
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Re: Gedankenspiel zum Referendariat

Beitrag von Illi-Noize »

Und da gerade der Schuldienst mit seiner auf die Minute genau vorgeschriebenen Unterrichtsverpflichtung überhaupt keine Freiheit zur regulierenden Arbeitsgestaltung bietet, ist dieser Job nichts für mich.
Das finde ich interessant - bei welchem anderen Beruf habe ich nur so wenig Vorgaben (Stundenplan) und kann den Rest (Vorbereitung, Korrektur) so extrem flexibel gestalten? Gerade der Job des Lehrers ist doch viel offener und freier als der Job von z. B. einem Banker, der von 8:30 bis 16:30 Uhr täglich in der Bankfiliale zu sein hat und z. B. Abends überhaupt nicht arbeiten kann?

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