Alle Lehrer zukünftig auf Gymnasialniveau ausbilden?

Konstruktive Kritik - das Referendariat muss reformiert werden! Eure Vorschläge...
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Zitronenfalter
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Re: Alle Lehrer zukünftig auf Gymnasialniveau ausbilden?

Beitrag von Zitronenfalter »

lavinia21 hat geschrieben: LG Lavi, die es selbst bei 10 oder 15 SuS nicht auf die Reihe bekommt, individuell zu fördern und zum Abschluss zu bringen.
So viel Offenheit bräuchten wir viel öfters - es kommt nämlich nicht darauf an, was ein System oder eine Schulart theoretisch (!) imstande ist zu leisten sondern vielmehr was Lehrkräfte (beim unterstellten besten Willen) innerhalb eines Systems in der Lage sind zu tun.

Gruß
Zitro

PS: Na ich warte jetzt schon auf ein Posting, in dem jemand behauptet, für ihn sei das alles gar kein Problem...
heiter weiter!

User65
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Re: Alle Lehrer zukünftig auf Gymnasialniveau ausbilden?

Beitrag von User65 »

Zitronenfalter hat geschrieben:es kommt nämlich nicht darauf an, was ein System oder eine Schulart theoretisch (!) imstande ist zu leisten sondern vielmehr was Lehrkräfte (beim unterstellten besten Willen) innerhalb eines Systems in der Lage sind zu tun.
Genau hier liegt das Problem. Zu was eine Lehrkraft quantitativ und qualitativ in der Lage ist, wird vom Kultusministerium bestimmt - nicht von der GEW, nicht von den Lehrkräften und schon gar nicht von den engagierten Powerpostern auf referendar.de. Wenn nun die vermutlich sehr fleißige lavinia21 behauptet, sie sei mangels zeitlicher Ressourcen nicht zu einer aufwendigen inneren Differenzierung in der Lage, mag das selbst bei kritischer Betrachtung ihrer Arbeit richtig sein. Aber glaubt denn wirklich jemand, dass dieses Argument sowohl politisch als auch in der Auseinandersetzung mit den Vorgesetzten zieht, wenn innere Differenzierung verlangt wird? Man kann doch nur froh sein, dass dieses Verlangen bisher nur auf dem Papier steht und in der Praxis kaum überprüft wird.
Man kann auch ohne Alkohol Spaß beim Feiern haben. Aber ich gehe auf Nummer sicher.

cyhyryiys
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Re: Alle Lehrer zukünftig auf Gymnasialniveau ausbilden?

Beitrag von cyhyryiys »

So viel Offenheit bräuchten wir viel öfters - es kommt nämlich nicht darauf an, was ein System oder eine Schulart theoretisch (!) imstande ist zu leisten sondern vielmehr was Lehrkräfte (beim unterstellten besten Willen) innerhalb eines Systems in der Lage sind zu tun.
Zu fragen wäre an dieser Stelle, was hier überhaupt unter Individualisierung und Differenzierung verstanden wird und welche Methoden/Organisationsformen man hierzu zählt. Im traditionellen Unterricht kann Individualisierung im Grunde nur sehr geringfügig geleistet werden (da Stunden und Themen fest vorgegeben sind) und die Erwartungshaltung, für jedes Kind einen eigenen Weg zu bereiten samt ausgearbeitetem Material ist für einen einzelnen Lehrer so nicht zu bewältigen - es sei denn, Kollegen würden kooperieren und sich Arbeit erleichtern. Das scheint jedoch eher ungewollt zu sein und so wursteln zig Parallelklassenlehrer weiter nebeneinander her. Was sich auch zeigt ist, dass heute Lehrer den Auftrag erhalten, differenzierenden und individualisierten Unterricht zu leisten, ohne je Kenntnisse darüber erworben zu haben. Lediglich die Ausbildung im Primarbereich scheint hier,eines Kenntnisstandes einige Schritte voraus zu sein.

Ich weiß jetzt nicht woran lavinia21 scheiterte, denke aber, dass wenn man tatsächlich Wert auf Differenzierung legen möchte gerade in einer Berufsschule z. B. Wochenplanarbeit mit Wahlaufgaben möglich sein sollte. Das erspart auch Mühen in der Vorbereitung, da anstelle einer blödsinnigen "Motivationsphase" ein zielorientierter Advance organizer am Wochenanfang stehen kann.

Fränzy
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Re: Alle Lehrer zukünftig auf Gymnasialniveau ausbilden?

Beitrag von Fränzy »

Hallo,

also, was berufliche Schulen betrifft und die dortige Differenzierung, kann ich gerne etwas Licht ins Dunkel bringen.

Zum einen sitzen in fast allen Klassen Schüler mit sehr unterschiedlichen Voraussetungen (vor allem in Berufsschulklassen,im VAB, BEJ, in den grundständigen Berufskollegs und in den ein- und zweijährigen Berufsfachschulen). Je nach Schulart kann es vom Hauptschulabbrecher über Förderschüler, Schüler aus Schulen für Erziehungshilfe und passablen und schlechten Realschülern gehen.

In den Berufsfachschulen sind die Notenhürden gefallen, die Schülerzahlen sinken, es werden alle aufgenommen, auch wenn sie in D, M; E auf 5 stehen und sich für die Fachrichtung nicht interessieren. Die sitzen dann teilweise dort, weil sie entweder berufsschulpflichtig sind oder weil ihnen nichts besseres einfällt (das klingt komisch, ist aber so, denn: um Kindergeld weiterzubekommen, da gäbe es auch andere Wege). Dann sitzen da auch noch Schüler, die in der gewählten Fachrichtung hochbegabt sind und Gas geben möchten.

Leider sind die Klassen auch nicht wirklich klein. Unsere 2jährigen haben zum Teil über 25 Schüler. Das kann dann schon mal anstrengend werden, wenn sie eben so zusammengesetzt ist, wie oben beschrieben. Im VAB sind es dann 15. Und mehr geht da auch nicht, im Gegenteil auch bei dieser Größe ist Differenzierung schon schwierig.

Wochenpläne funktionieren in einzelnen Fächern, aber nicht in allen. Ich bin mir auch nicht sicher, ob freie Arbeitsformen sich unbedingt für Klassen eignen, die mit Disziplin großé Schwierigkeiten haben und die noch nicht mal die Basics auf der Pfanne haben. Wie z.B. dass man dem anderen nicht ständig Dinge wegnimmt, dass man seine Sachen mitbringt, dass Freiarbeit kein Freibrief ist ständig aufs Klo oder in die Raucherecke zu rennen. Wir haben ingsgesamt mehr gute Erfahrungen mit klassischem Unterricht gemacht, der durch Projekte dann und wann unterbrochen wird. Ehrlich gesagt, außer Refs plant bei uns auch niemand seine Stunden klassisch auf, DA sowieso alles über den Haufen geworden wird. WIchtig ist, dass die Erarbeitung und die Sicherung sitzt, der Rest ist Kür. Und für den Rest ist auch keine Zeit mehr, da jeden Monat Prüfungen anstehen, da Profil AC, OES, GLK; Teamsitzung, Klassenkonferenzen.

Grüße von der Franzi
שָׁלוֹם

LatinaTeacharin
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Re: Alle Lehrer zukünftig auf Gymnasialniveau ausbilden?

Beitrag von LatinaTeacharin »

Ich weiß jetzt nicht woran lavinia21 scheiterte, denke aber, dass wenn man tatsächlich Wert auf Differenzierung legen möchte gerade in einer Berufsschule z. B. Wochenplanarbeit mit Wahlaufgaben möglich sein sollte. Das erspart auch Mühen in der Vorbereitung, da anstelle einer blödsinnigen "Motivationsphase" ein zielorientierter Advance organizer am Wochenanfang stehen kann.
Woher nimmt der Herr Gemeinschaftsschulkollege eigentlich diese zum Himmel stinkende Arroganz, mit der er hier glaubt, alle Probleme lösen zu können? - Dabei wird es von Idee zu Idee ... sagen wir: interessanter.
die Erwartungshaltung, für jedes Kind einen eigenen Weg zu bereiten samt ausgearbeitetem Material ist für einen einzelnen Lehrer so nicht zu bewältigen - es sei denn, Kollegen würden kooperieren und sich Arbeit erleichtern. Das scheint jedoch eher ungewollt zu sein und so wursteln zig Parallelklassenlehrer weiter nebeneinander her.
Muss ich eigentlich befürchten, dass du irgendwann Kultusminister wirst? ...

Jula13
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Re: Alle Lehrer zukünftig auf Gymnasialniveau ausbilden?

Beitrag von Jula13 »

Das Problem ist, dass gerade schwache Schüler mit offenen Unterrichtsformen nicht zurechtkommen. Aber nur offene Unterrichtsformen ermöglichen sinnvolle Differenzierung. Ein Dilemma, für das zumindest ich noch(?) keine Lösung gefunden habe.

Dazu kommt, dass Diagnostik und individuelle Förderung so zeitaufwändig ist (wenn man es halbwegs gescheit machen will), dass sie mit einem vollen Stundendeputat mit allem, was dazugehört (Klausuren, Abiprüfungen, Klassenarbeiten, Verwaltungskram ...) nur schwer realisierbar ist. Da kann das Ministerium fordern, wie es will. Ohne entsprechende Entlastungen ist das zumindest in der Sekundarstufe nicht in sinnvollem Umfang machbar.
Immerhin haben es die Schulbuchverlage so langsam kapiert und bieten nach und nach differenziertes Material und Diagnosetools an, so dass man wenigstens nicht alles selbst erstellen muss.

Und das sage ich als jemand, der grundsätzlich gerne differenziert und den Nutzen von Binnendifferenzierung durchaus erkennt.

Fränzy
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Re: Alle Lehrer zukünftig auf Gymnasialniveau ausbilden?

Beitrag von Fränzy »

Jula13 hat geschrieben:Das Problem ist, dass gerade schwache Schüler mit offenen Unterrichtsformen nicht zurechtkommen. Aber nur offene Unterrichtsformen ermöglichen sinnvolle Differenzierung. Ein Dilemma, für das zumindest ich noch(?) keine Lösung gefunden habe.

Dazu kommt, dass Diagnostik und individuelle Förderung so zeitaufwändig ist (wenn man es halbwegs gescheit machen will), dass sie mit einem vollen Stundendeputat mit allem, was dazugehört (Klausuren, Abiprüfungen, Klassenarbeiten, Verwaltungskram ...) nur schwer realisierbar ist. Da kann das Ministerium fordern, wie es will. Ohne entsprechende Entlastungen ist das zumindest in der Sekundarstufe nicht in sinnvollem Umfang machbar.
Immerhin haben es die Schulbuchverlage so langsam kapiert und bieten nach und nach differenziertes Material und Diagnosetools an, so dass man wenigstens nicht alles selbst erstellen muss.

Und das sage ich als jemand, der grundsätzlich gerne differenziert und den Nutzen von Binnendifferenzierung durchaus erkennt.
Ich sehe das genau so wie Du. Differenzierung ist ein schöner Gedanke, aber (jedenfalls in der BBS) nicht umsetzbar. (bzw. nur minimal).

Zum Glück sehen das unsere Vorgesetzten genauso. ;)
שָׁלוֹם

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