Alternative?

Konstruktive Kritik - das Referendariat muss reformiert werden! Eure Vorschläge...
Rittersport
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Alternative?

Beitrag von Rittersport »

Gestern saß ich nach Schulschluss noch mit ein paar Kollegen zusammen und wir plauderten über alles mögliche. Irgendwann kamen wir auf das Thema Lehrerbildung bzw. Referendariat. Die "Ergebnisse" möchte ich euch nicht vorenthalten und bitte um Feedback.

- Höherer Anteil (auch im Hinblick auf die Examensnote) von Pädagogik, Psycho und Didaktik an der Uni
- 2 Praxissemester: Diese finden an den Seminaren statt, die Studis unterrichten unter Anleitung von Seminarlehrkräften
- 1 Jahr Referendariat: Unterricht von Anfang an in eigenen Klassen, Betreuung durch erfahrene Lehrkräfte,
- Theorie in Blockveranstaltungen am Seminar, Prüfungen ebenfalls dort
- keine Hausarbeit mehr
- Lehrproben werden durch Beurteilungen von Schulleiter und Betreuungslehrkräften ersetzt, da Einzelstunden keine klare Erkenntnis darüber vermitteln können, ob jemand für den Job geeignet ist.

corazon
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Beitrag von corazon »

Hi!
Find ich gut, Eure Vorschläge!!!
Vor allen Dingen das Streichen und Ersetzen der UPL.
Totaler Schwachsinn, anhand von einzelnen Stunden die Eignung eines Menschen für den Lehrerberuf und seine Fortschritte beurteilen zu wollen.

Auch die LA-Studiengänge sind viel zu sehr auf die wissenschaftliche Schiene getrimmt und gehen an der Praxis voll vorbei. Ich muss jetzt lauter Sachen unterrichten, die ich niemals an der Uni hatte, dafür kann ich 80% des Unistoffs nicht im Unterricht anwenden.

Schade nur, dass für uns wohl keine Verbesserung der Situation in Sicht ist :-(

Herbie
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Beitrag von Herbie »

Hi!

Also wenn ich an das denke, was ich an der Universität und im Referendariat an Pädagogik und Psychologie geboten bekam, dann kann ich nur froh sein, daß es nicht mehr davon gab.

Ich persönlich habe vor allem die wissenschaftliche Ausbildung in den beiden Studienfächern geschätzt. Aus mehreren Gründen. Zum einen, weil mich die Fächer sehr interessierten und ich an einem „Schmalspurstudium“ getreu dem Motto „Braucht man das in der Schule überhaupt?“, das man heute leider allzuoft hört, zu keiner Zeit interessiert war. Zum anderen, weil zur Zeit meines Studiums die Einstellungschancen für angehende Lehrer sehr gering waren und es mir äußerst wichtig erschien, das Studium nicht nur für den Lehrerberuf brauchen zu können.

Überhaupt denke ich, daß viele Leute erst im Laufe des Studiums entscheiden, ob das Lehramt für sie in Betracht kommt oder nicht. Schon deshalb, weil zu manchen Zeiten Bewerberüberschuß, zu anderen Zeiten Bewerbermangel herrscht. Nötig ist daher eine möglichst klare Trennung zwischen Studiengang und Berufswahl – auch wenn dies leichter gesagt als getan ist. Was soll ich denn mit einem Studiengang, der mich jahrelang gaaaaanz gezielt auf die Xy-Schule vorbereitet, wenn ich nachher womöglich dort gar nicht eingestellt werde?

Ein Praxissemester halte ich für angemessen und ausreichend. Ein Jahr Referendariat ist entschieden zu kurz. Das bekommen jetzt schon die Referendare zu spüren, für die der Vorbereitungsdienst von 24 Monaten auf 18 Monate verkürzt wurde (Baden-Württemberg).
Gruß von [color=#008000][b][i]Herbie[/i][/b][/color]

Rittersport
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Beitrag von Rittersport »

@ corazon
Eine Lehrprobe kann eben sehr schnell daneben gehen. Inwiefern jemand den tatsächlichen Belastungen des Berufs gewachsen ist und ob jemand organisieren kann (Stichwort Notenschluss), zeigt sich eben nicht in diesen Showstunden.

@ Herbie
Mir bestätigen selbst Gym-Lehrer, dass ihnen das Fachwissen aus der Uni im Schulalltag fast nichts bringt. Mit Pädagogik/Psychologie waren jetzt auch nicht diese 08/15-Vorlesungen gemeint, sondern ganz konkrete, schulpraktische Seminare (Konfliktbewältigung, Stressmanagement, Elterngesprächsführung ...)

Ich denke nicht, dass ein Jahr zu kurz ist, weil die anderen Inhalte bereits im Praxissemester vermittelt werden.

In BY gab es übrigens kürzlich einen Jahrgang im Realschulbereich, die nur 1/2 Jahr Seminar und 1,5 Jahre im Einsatz waren. Schlecht ausgebildet fühlten sich diese Leute nicht gerade.

Ulysses
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Re: Alternative?

Beitrag von Ulysses »

Hi Rittersport,

hier mein Feedback:
Rittersport hat geschrieben: - Höherer Anteil (auch im Hinblick auf die Examensnote) von Pädagogik, Psycho und Didaktik an der Uni
bin aufgrund meiner Erfahrungen als Quereinsteiger etwas gespaltener Meinung:

:arrow: prinzipiell hätte ich mir am Anfang gewunschen, ein wenig mehr von Didaktik und Pädagogik zu wissen, weil ich mich dann etwas weniger schwer getan hätte. wie das mit Psychologie aussieht, kann ich nicht beurteilen, da ich das im Magisterstudium eine Weile als Nebenfach hatte und daher schon genug Vorwissen hatte, um im Referendariat ganz gut mitzukommen (das meiste kannte ich schon).

:arrow: andererseits kann ich jetzt nach dem ersten Jahr gegenüber meinen Seminarkollegen und Referendaren an der Einsatzschule keinen Rückstand mehr feststellen. ich habe daher das Gefühl, dass man durch die Fachsitzungen in den Seminaren und besonderes durch die Erfahrungen im Praxiseinsatz genug lernt, was man brauchen kann.

:arrow: freilich ist auch möglich, dass ich nur ein ohnehin unzureichendes Niveau erreicht habe und mehr Vorwissen hier tatsächlich mehr wäre. oder es ist mir einfach gegeben das kann auch vorkommen (gab ja schon gute Lehrer, bevor man überhaupt die Pädagogik im Studium eingeführt hatte).

:arrow: schwierig wird die praktische Umsetzung, weil man durch bloßes Lernen an der Uni alleine sicher kein besonders guter Pädagoge und Didaktiker wird, aber dafür habt ihr ja die Idee mit den Praxissemestern gehabt.

Rittersport hat geschrieben:- 2 Praxissemester: Diese finden an den Seminaren statt, die Studis unterrichten unter Anleitung von Seminarlehrkräften
finde ich prinzipiell in Ordnung, sehe aber dabei ein paar Probleme:

:arrow: schon jetzt stöhnen Schüler und Eltern machen sich Sorgen um die Bildung ihrer Kinder, wenn noch nicht fertige Referendare in einer Klasse unterrichten. der Tatsache, dass die Kinder von noch nicht fertig ausgebildeten Studenten unterrichtet werden, werden sie vermutlich mit noch größerer Skepsis und Besorgnis begegnen.

zwar sind Referendare ebenso wie Studenten noch keine fertigen Lehrer, aber Referendare haben immerhin eine abgeschlossene Fachausbildung hinter sich, während Studenten noch gar keinen Abschluss haben. außerdem verfügen Referendare in der Regel aus diesem und anderen Gründen auch über etwas größere Lebenserfahrung, die den Schülern auf jeden Fall zu Gute kommt, egal, wie der fachliche und pädagogische Ausbildungsstand der Lehrkraft ist.

:arrow: grundsätzlich gut finde ich, dass diese vergrößerten Praktika dazu beitragen, dass die Studenten frühzeitig merken, ob sie für den Lehrerjob geeignet sind oder nicht. wenn sie merken, dass das Unterrichten doch nicht ihr Ding ist, können sie nach dem Praxissemester die Studienrichtung wechseln.

damit der Effekt aber funktioniert, müsste zumindest das erste Praxissemester möglichst frühzeitig stattfinden. dann stellt sich aber wieder das nicht zu unterschätzende Problem, dass den Studenten das Fachwissen und möglicherweise auch die Lebenserfahrung fehlen, um erfolgreichen Unterricht zu gestalten.

:arrow: die gerade genannten Probleme ließen sich damit auffangen, dass die Studienpläne und die Lehrpläne/Stundentafeln einander angeglichen werden. z.B. Geschichtsstudenten lernen in den ersten zwei Semestern intensiv die Geschichte der Antike/des Absolutismus/des 19. Jahrhunderts, um eben das dann im Praxissemester zu unterrichten, Deutschstudenten lernen intensiv die Interpretation von Balladen/Kurzgeschichten/Einführung in die Rechtschreibung, um eben das zu unterrichten.

allerdings müsste man da nicht nur in die Autonomie der Hochschulen empfindlich eingreifen (oder das Lehramtsstudium komplett auf PHs auslagern), sondern auch die Personalplanung an den Schulen müsste darauf besonders Rücksicht nehmen, da man ja dann für die entsprechenden Lehrplanabschnitte weniger Lehrer bräuchte.

schwierig wird es in Fächern, in denen auf Grundlagen aufgebaut wird. in Geschichte kann es vielleicht wurscht sein, wenn die Schüler in einem bestimmten Geschichtsabschnitt von fachlich weniger versierten Lehrer ausgebildet werden, aber in Fächern, die auf ganz bestimmte, feste Grundlagen aufbauen, könnte es fatal werden, wenn die Sache nicht wirklich gut geplant ist und die Schüler gerade dadurch in den Grundlagen Nachteile erleiden, wenn sie ein Lehrer unterrichtet, der selber noch nicht ganz firm darin ist, worauf die Grundlagen aufbauen und wozu sie gut sind. man muss schon gut genug wissen, für was und wieso man Bruchrechnung braucht, wenn man ihre Einführung unterrichten will.

:arrow: das Studium würde entweder um ein Jahr verlängert, was ich nicht für sinnvoll halte (außer natürlich, wenn gleichzeitig euer nächster Vorschlag durchgeführt wird, siehe unten), oder man müsste bei den fachlichen Inhalten kürzen. letzteres halte ich nicht wirklich für gut.

die Vernachlässigung des Fachlichen bei gleichzeitigem Überschätzen des Pädagogischen ist zwar heutzutage ganz modisch, sollte aber nicht allzu weit getrieben werden.

nur der Lehrer, der den Unterrichtsgegenstand nicht nur als solchen kennt, sondern auch dessen Einbettung in den Gesamtzusammenhang des Faches, nur der kann ihn wirklich souverän lehren, und die Schüler merken das, wie ich an ihrem Feedback merke.

unterrichte nämlich gerade eine Klasse in Latein, die die Intensivierungsstunden bei einem Lehrer hat, der das Fach nur fachfremd unterrichtet. die Schüler wissen weder, dass ich Quereinsteiger bin, noch dass ihr Intensivierungslehrer fachfremd unterrichtet. trotzdem kommen sie immer wieder zu mir und beklagen sich, dass er bestimmte Inhalte nur sehr verschwommen erklärt oder sie mit anderen Dingen verwirrt. ihm ist das Problem selber bewusst, er macht auch keine echten fachlichen Fehler, ihm fehlt jedoch eine fachliche Tiefe, die ihm die nötige Souveränität beim Erklären vermitteln würde.
Rittersport hat geschrieben: - 1 Jahr Referendariat: Unterricht von Anfang an in eigenen Klassen, Betreuung durch erfahrene Lehrkräfte,
:arrow: sehr guter Vorschlag, vor allem, da ich ohnehin das Gefühl habe, dass die Referendare nur deshalb so lange zum Einsatzjahr in die Pampa geschickt werden, weil sie billiger sind als Lehrer auf Planstellen. die fehlende Erfahrung und Praxis würde ja durch eure Vorschläge mit der vermehrten Pädagogik, Psychologie und Didaktik sowie durch die Praxissemester wieder ausgeglichen.

umgekehrt gleicht das verkürzte Referendariat auch wieder das durch die Praxissemester verlängerte Studium aus.

:arrow: für Quereinsteiger, die zwar keiner mag, auf die man aber leider nicht immer verzichten kann, könnte man ein halbjähriges Vorpraktikum einführen.
Rittersport hat geschrieben: - Theorie in Blockveranstaltungen am Seminar, Prüfungen ebenfalls dort
den Vorschlag kann ich nur unbedingt unterstützen. die 45-minütigen Fachsitzungen sind eine Katastrophe, denn kaum ist man im Thema drin, ist die Sitzung schon zu Ende. bei der nächsten Sitzung eine Woche später muss man dann erstmal mühsam wieder ins Thema zurückfinden, was auch Zeit kostet.

Blockveranstaltungen bieten mehr Zeit am Stück und erlauben dadurch eine bessere und gründlichere Vertiefung der Inhalte.
Rittersport hat geschrieben: - keine Hausarbeit mehr
hier bin ich wieder gespaltener Meinung. einerseits halte ich die Arbeit für sinnvoll, um wirklich einmal über einen Unterrichtsgegenstand oder eine Methode tiefgründig nachzudenken und sich Arbeitsmethoden und Denkweisen vertieft anzueignen, die man dann später on-the-fly einsetzen kann.

andererseits kostet die Arbeit natürlich immens viel Zeit, die von der Vorbereitung für den eigentlichen Unterricht abgeht oder die Freizeit stark verkürzt und damit sehr viel Kraft kostet, die für die Unterrichtsvorbereitung und -durchführung sinnvoller eingesetzt wäre.

als Kompromiss könnte man die Hausarbeit vielleicht durch eine fachwissenschaftlich-fachdidaktische Seminararbeit über ein Projekt im 2. Praxissemester (natürlich im Hauptstudium) ersetzen.
Rittersport hat geschrieben: - Lehrproben werden durch Beurteilungen von Schulleiter und Betreuungslehrkräften ersetzt, da Einzelstunden keine klare Erkenntnis darüber vermitteln können, ob jemand für den Job geeignet ist.
das ist sehr sinnvoll, denn die Lehrprobe zeigt ja nur einen einzigen Ausschnitt, der nicht einmal der Wirklichkeit entspricht, da ja nur ein im Vergleich zum normalen Unterrichten ungewöhnlich aufwendig geplantes Methoden- und Medienfeuerwerk abgebrannt wird, das sich absolut nicht mit dem normalen Unterricht vergleichen lässt.

die Lehrprobe zeigt also keine Realität, sondern ist ein sinnloses Theater (was mir sogar Seminarlehrer schon so gesagt haben) ohne Bezug zur Unterrichtswirklichkeit. außerdem kann sie daneben gehen, und schon hat man eine schlechte Note, die ebenfalls nicht der Realität entspricht. mir sagte nach meiner mit 4- vergeigten Lehrprobe ein Seminarlehrer: "ich weiß, dass sie es besser können, aber das vorhin war eben nichts". was soll also diese Note über die Unterrichtsfähigkeit des Referendars aussagen?

vielleicht könnte man die Lehrprobe durch die prüfungsmäßige Beobachtung einer ganzen Unterrichtssequenz ersetzen. das ist zwar für die Prüfer aufwändig, aber sinnvoller, da mehrere Stunden (ca. 6-10) nicht so aufwendig und unnatürlich geplant werden können, Fehlschläge, die auch im Schulalltag immer mal wieder auftauchen, weniger ins Gewicht fallen und ein breiterer Ausschnitt aus den Fähigkeiten des Referendars beobachtet wird.

sorry, jetzt habe ich eine Menge geblubbert, weiß nicht, ob das das war, was du erwartet hast, aber vielleicht findet ja der eine oder andere brauchbare Denkanstöße.

schönes Wochenende noch
Ulysses
8)
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[i]... causas viresque perquirere rerum ...[/i]

karink532

Beitrag von karink532 »

Das sind ja nun keine revolutionären Vorschläge...

-Höherer Anteil (auch im Hinblick auf die Examensnote) von Pädagogik, Psycho und Didaktik an der Uni

...An für sich gute Idee, ABER es kommt ja auch sehr auf die Inhalte an. Ich glaube, ich hatte während des ganzen Studiums 18 SWS in Erziehungswissenschaften und würde heute sagen, dass mir 90% davon nichts gebracht haben. Es bringt einem Erstsemester nicht viel, über disziplinarische Dinge zu reden, wenn man das nicht mit der Praxis verbinden kann, dazu MÜSSTE es Praxissemester geben, ansonsten bringt das nichts.

- 2 Praxissemester: Diese finden an den Seminaren statt, die Studis unterrichten unter Anleitung von Seminarlehrkräften

... Verstehst Du unter Seminarlehrkräften Fachleiter? Ich weiß nicht, inwiefern 2 komplette Praxissemester unter Vollzeit- Seminarbetreuung finanziell überhaupt machbar und damit diskutabel sind, aber mehr Praxis muss sein. Auch schon aus dem Grund, dass viele Refs erst im Ref feststellen, dass der Beruf nichts für sie ist.

- 1 Jahr Referendariat: Unterricht von Anfang an in eigenen Klassen, Betreuung durch erfahrene Lehrkräfte,

... 1 Jahr finde ich persönlich zu kurz. Die Zeit RAST! Es vergehen doch schon 4 Wochen, bis man sich mal eingewöhnt und aufs Berufsleben ungestellt hat. Es gibt sooo viel ausruprobieren und zu erfahren, das geht mM. nach nicht in 12 Monaten, die ja aufgrund der langen Ferien nicht mal 12 Monate sind. Unterricht von Anfang an? Problematisch. Das hat auch Nachteile, denn es gibt Leute, denen es besser damit geht, wenn sie sich das erstmal in Ruhe angucken, sich einiges abgucken können usw. Den absoluten Sprung ins kalte Wasser finde ich auch nicht so gut. Betreuung durch erfahrene Lehrkräfte... klingt gut, aber was heißt erfahren? Damit das so läuft, muss es klare Kriterien geben und das ganze darf nicht auf Goodwill- Basis ablaufen, denn ansonsten sind die Unterschiede und Benachteiligungen wieder riesengroß.

- Theorie in Blockveranstaltungen am Seminar, Prüfungen ebenfalls dort

... das ist doch jetzt schon so?

- keine Hausarbeit mehr
... was bringt das?

- Lehrproben werden durch Beurteilungen von Schulleiter und Betreuungslehrkräften ersetzt, da Einzelstunden keine klare Erkenntnis darüber vermitteln können, ob jemand für den Job geeignet ist.

... Nun ja. Ich stimme dem zu, dass Einzelstunden keine klare Erkenntnis darüber vermitteln können, was jemand kann oder nicht kann, aber letztendlich kann man auch so argumentieren, dass Seminarleiter, die jeden Tag Unterricht in verschiedenen Fächern usw. sehen, auch ein besseres Gespür dafür haben, was geht und was nicht geht. Ich muss ehrlich sagen, dass sich sicher viele Kollegen an meiner Schule mit einer so wichtigen Beurteilung überfordert fühlen würden. Außerdem hat man so auch wieder das Problem, dass es Schulen gibt, die aus irgendwelchen Gründen mit ihren Refs nicht können und dann miese Noten verteilen, während andere das alles lockerflockig sehen und für vielleicht schlechten Unterricht super Noten verteilen würden. Es gibt einfach keine letztendlich objektive Beurteilung. Außerdem würde eine fundierte Beobachtung / Notengebung verlangen, dass die Schule seeehr viele Stunden der Refs sieht, und das ist ja ab dem eigenverantwortlichen Unterricht auch nicht mehr wirklich der Fall.

Ulysses
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Beitrag von Ulysses »

Oh oh, während ich mir die Finger wund getippt habe, habt ihr ja gemütlich weiter diskutiert. hab zwar mein Statement schon abgegeben, der den Punkt mag ich nochmal aufgreifen:
Rittersport hat geschrieben:Mir bestätigen selbst Gym-Lehrer, dass ihnen das Fachwissen aus der Uni im Schulalltag fast nichts bringt.
was für Leute das waren, möchte ich wirklich wissen. wie wollen die denn unterrichten, wenn sie kein Fachwissen haben? oder anders rum: wenn ihnen das Fachwissen von der Uni nichts bringt, sollte man dann nicht das Unistudium gleich ganz abschaffen und stattdessen nach dem Abitur eine dreijährige Lehre zum Lehrer einführen?

ich halte es für fatal, die fachliche Ausbildung an der Uni so gering zu schätzen. natürlich sieht es nicht auf den ersten Blick sinnvoll aus, wenn z.B. ein Deutschlehrer ein Hauptseminar über mittelhochdeutsche Lyrik an der Uni besucht hat.

trotzdem ist das Wissen nicht für die Katz, denn er hat sich allgemeine Methoden angeeignet, wie man Texte erschließt und aus ihrem zeitgeschichtlichen Umfeld heraus interpretiert. wer das bei mittelhochdeutscher Lyrik kann, der hat auch das grundlegende Handwerkszeug erworben, das ihm bei der Interpretation einer Fontane-Ballade nützt. folglich hat er etwas gelernt, was ihm im Unterricht helfen wird. es geht hier nicht nur um den Gegenstand (Minnesang vs. lehrplangemäßer Ballade), sondern auch um die Methodik (Interpretation vs. Interpretation), und die sollte nicht unterschätzt werden.

wer weiß, wie Wissen erworben wird, indem er die Wissenschaft dazu schon einmal exemplarisch ausgeübt hat, der weiß auch umso besser, dieses Wissen zu vermitteln. die Universitätsausbildung auf die bloße Wissensvermittlung für Unterrichtszwecke zu reduzieren, wäre also ein ziemlicher Irrweg.

außerdem stelle ich selber immer wieder fest, dass Schüler auch Fragen nach Dingen stellen, die den Unterrichtsgegenstand nur am Rande berühren und nicht im Lehrplan stehen, deren Studium an der Uni auf den erstern Blick also nichts bringt.

an diesem Punkt zeigt sich aber, wie sehr der Lehrer den Stoff an der Uni vertieft hat. mich fragen immer wieder Schüler nach anscheinend belanglosen Dingen (z.B. "warum hatten Römer drei Namen?" "hatten römische Frauen wirklich keine Vornamen?", "wieso wurde aus 'scribere' 'schreiben' und nicht 'skriben'?" oder sogar: "gab es bei den Römern Oralsex?" :oops:), alles Dinge, die nicht im Lehrplan stehen.

das sind Fragen, die völlig unvorhersehbar sind, die man aber trotzdem beantworten muss (außer vielleicht den Oralsex in der Unterstufe), damit die Schüler nicht durch das Gefühl, ihr Lehrer könne den Stoff selber nicht wirklich, verunsichert werden.

und dazu braucht es eben eine fundierte fachliche Ausbildung, die deutlich über das hinausgeht, was man dann später laut Lehrplan vermitteln muss. das Fachwissen ist also nicht nur dazu nötig, den vom Lehrplan verlangten Stoff zu vermitteln, sondern auch, um die Persönlichkeit des Lehrers und das Vertrauen in den Lehrer als fachlich versierte Person zu ermöglichen.

es hatte seinen guten Grund, dass man irgendwann im Laufe der Bildungsgeschichte dazu übergegangen ist, den Schulunterricht in die Hände von Akademikern zu legen, die eine fundierte fachwissenschaftliche Ausbildung genossen haben und in den Fächern, in denen sie vertieft studiert haben, durchaus fähig waren, auch eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen. die Leute, die dieses System sich erdacht und jahrzehntelang am Laufen gelassen haben, die waren wirklich nicht allesamt Deppen.

wirklich gutes Wissen wird nur von den Leuten vermittelt, die selber über ein umfangreiches und fundiertes Wissen verfügen. wir sollten diesen Umstand, den ich für eine erwiesene Tatsache halte, nicht auf dem Altar politisch-pisanischer Korrektheit opfern. das wäre ein Irrweg.

alles Gute
Ulysses
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