Seminarausbilder an Schulen

Konstruktive Kritik - das Referendariat muss reformiert werden! Eure Vorschläge...
Skara
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Registriert: 17.03.2006, 20:40:54
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Beitrag von Skara »

Grüß Gott!

Sorry, aber die bisherigen Ansichten sind nicht ganz zutreffend, was die Aufgaben von Mentoren, also den Lehrern an den Ausbildungsschulen, betrifft. Für die Ausbildung ist - von beiden Seiten - wichtig zu wissen, welche Aufgaben und welche Verantwortung mit den Funktionen verbunden sind, die einem im Referendariat begegnen. Leider sind sich viele Mentoren über ihre eigentliche Funktion gar nicht bewusst. Aus diesem Grund veröffentliche ich den folgenden Leitfaden mit Quellnachweisen:

Praxisbegleitung und -reflexion durch Mentoren

Die Rolle der Mentoren:
Den Mentoren kommt bei der Einübung in den Lehrerberuf eine wesentliche Rolle zu: Sie können entscheidend helfen, dass Unterrichtsplanung transparent und effektiv wird, dass bei der Durchführung des Unterrichts methodische und didaktische Grundsätze ebenso wie „handwerkliches“ Know-how umgesetzt werden, und dass die Reflexion des erteilten Unterrichts als wichtiges Instrument des Lehrerberufes erkannt und zum festen Bestandteil. Es muss klar sein, dass die Einarbeitung von Seiteneinsteiger/innen, vor allem, wenn sie ohne ein Lehramts-Studium unterrichten, eine weitaus umfassendere Aufgabe ist als die Betreuung von Lehramtsanwärtern mit Lehramtstudium.

Sicher ist es von Vorteil, dass berufliche Erfahrungen (in außerschulischen Arbeitsfeldern) in die Schule eingebracht werden. Dabei ist aber auch zu sehen, dass möglicherweise bewährte Arbeitsverfahren aus dem bisherigen Beruf nicht ohne weiteres in die schulische Arbeit übertragen werden können. Diese „Umgewöhnung“ braucht Zeit.

Für die Praxisbegleitung scheinen zwei Instrumente besonders geeignet:
· das Entwicklungs- und Fördergespräch sowie die kollegiale Unterrichtshospitation.

Kollegiale Gesprächskultur

Das Entwicklungs- und Fördergespräch
Ein Entwicklungs- und Fördergespräch kann ohne formalen Anlass zwischen Mentor und neuer Kollegin / neuem Kollegen zu jedem Zeitpunkt geführt werden. Die Initiative dazu kann von beiden Seiten ausgehen. Die Stärken und Möglichkeiten der neuen Lehrkraft sollten Ausgangspunkt des Gesprächs sein. Entwicklung heißt, die vorhanden Ressourcen deutlich zu machen und in die Selbsteinschätzung der Kolleginnen und Kollegen einzubringen.

Zielsetzungen des Entwicklungsgespräches können sein:
• Artikulation von Entwicklungswünschen und auf die Person bezogene aktuelle Entwicklungstendenzen
• Selbsteinschätzung in Bezug auf den persönlichen Entwicklungsstand
• Impulse, Rückmeldungen, Reflexionsmöglichkeiten zu konkreten Weiterentwicklungsmöglichkeiten
• Informationen über weitere Zielsetzungen und laufende Aktivitäten in der Schule
• Festlegung von Fortbildungs- und Unterstützungsmaßnahmen

Aus der Sicht der neuen Kolleginnen bzw. Kollegen als Seiteneinsteiger/innen werden im Gespräch individuelle Bedürfnisse und Visionen wirksam, aus denen sich folgende Fragestellungen ergeben könnten:
• Kann die Schule den eigenen Wünschen nach Entwicklung und Veränderung gerecht werden?
• Wie wird die persönliche Weiterentwicklung konkret unterstützt?
• In welchem Maße wird die persönliche Zufriedenheit/Unzufriedenheit mit der Arbeit bei weiteren Planungen berücksichtigt?
• Wie groß ist die entgegengebrachte Wertschätzung?

Hilfen zur Eingliederung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern
• Welche Rückmeldungen erhalte ich über mein Arbeitsverhalten?
• Gibt es Fort - und Weiterbildungsangebote für mich?

Zu Beginn eines Entwicklungsgespräches sollte der Mentor in einer Gesprächsvorbereitung folgende Fragen bedenken:
• Welche besonderen Stärken hat die Kollegin / der Kollege bislang gezeigt?
• Welche Tätigkeiten, welcher Einsatz entsprechen ihren/seinen Voraussetzungen nicht so sehr?
• Welche Fragen können persönliche Zielperspektiven fokussieren?
• Gibt es Zielkonflikte?
• Wie ist die gegenwärtige Zufriedenheit mit den Arbeitsinhalten und Rahmenbedingungen?
• Welche Fort - und Weiterbildungsinhalte sind sinnvoll?

Themenbearbeitung
• Selbsteinschätzung der neuen Kollegin / des neuen Kollegen
• Zufriedenheit der neuen Kolleginnen und Kollegen
• Ressourcen, Neigungen, Stärken
• Einschätzung des Mentors
• Übereinstimmung und Differenzen der Sichtweisen und Wahrnehmungen
• Klärung eines realistischen Entwicklungskorridors
• Vereinbarung über die Wahrnehmung konkreter Fort- und Weiterbildungsangebote
• Vereinbarung über die Formen kollegialer Unterrichtshospitation
• Vereinbarungen über gewünschte Coachingformen
• Verabredung eines gemeinsamen Gesprächszyklus

Zusammenfassung der Gesprächsergebnisse
• Hervorhebung neuer Gesichtspunkte, die das Gespräch mit sich brachte

Positives Gesprächsende
• Blitzlicht
• Feedback (Atmosphäre, gemeinsames Verständnis, Rahmenbedingungen etc.)

Kollegiale Unterrichtshospitation
Das Instrument der kollegialen Unterrichtshospitation eignet sich besonders für die neue Lehrkraft, den eigenen Unterricht genauer zu reflektieren, zu fokussieren, Methoden und Unterrichtsformen auszuprobieren und dazu Feedback, Kritik oder Bestätigung zu bekommen. Bedingung ist, dass ein Interesse formuliert wird, Reflexionshilfen zu erhalten, um den Unterricht zu verbessern.

Zur Vorbereitung einer kollegialen Unterrichtshospitation gehören:
• klare Absprachen
• eine vertrauensvolle Atmosphäre
• Daten und Beobachtungen müssen von der hospitierenden Person vertraulich behandelt werden (Diskretions-Vereinbarungen)

Die genaue Formulierung eines deutlichen Erkenntnisinteresses, einer klaren Fragestellung, eines konkreten Beobachtungsschwerpunktes dient zur Feststellung eines gemeinsamen konkreten Hospitationszieles.

Die Beobachtung sollte sich an einem klaren Planungsraster orientieren, das sich durch
konkrete Kriterien ergänzen lässt:

• Zeit
• Lehrer/Innenaktivität
• Schüler/Innenaktvität
• Bemerkung

Der hospitierende Mentor sollte sich möglichst auf Beobachtungen konzentrieren und sich mit Bewertungen zurückhalten. Das Auswertungsgespräch erfolgt in mehreren Schritten:

Zunächst geht es um den Austausch von Beobachtetem. Hier hält man sich gemeinsam an das Beobachtungsraster. Dem schließen sich Schlussfolgerungen an. Abschließend werden Konsequenzen thematisiert und schriftlich als Grundlage für weitere Hospitationen und Evaluationsdokumentationen von Entwicklungen festgehalten.

Im Anschluss sollte das Auswertungsgespräch selbst noch thematisiert werden. Atmosphäre, Konstruktivität der Rückmeldungen, Erarbeitung von Schlussfolgerungen im gemeinsamen Prozess sind Punkte der Reflexion, aus denen Konsequenzen für das nächste Auswertungsgespräch erwachsen.

Tipps für ein konstruktives Feedback durch den Mentor
• Geben Sie Feedback nur in einer Atmosphäre, in der der Kollege / die Kollegin das Feedback annehmen kann. Nehmen Sie sich ausreichend Zeit und sorgen Sie dafür, dass Sie nicht gestört werden.
• Weisen Sie darauf hin und machen Sie sich selbst bewusst, dass es nicht um Richtig/Falsch-Urteile geht, sondern dass die Beobachtung durch eine/n Außenstehende/n eine neue Entwicklungsperspektive eröffnen kann.
• Vermeiden Sie Pauschalurteile, Verallgemeinerungen und Typisierungen, beziehen Sie sich vielmehr auf das in der Situation tatsächlich Beobachtete.
• Unterscheiden Sie zwischen dem, was Sie beobachtet haben, und Ihrer Interpretation.
• Verwenden Sie „Ich-Botschaften“. ( „Ich habe ... beobachtet, und das macht auf mich den Endruck...“)
• Bleiben Sie offen und halten Sie Ihre Meinung nicht zur Schonung der Kollegin/ des Kollegen zurück, betonen Sie aber die subjektive Deutung und den Hintergrund Ihrer Sichtweise.
• Konzentrieren Sie sich nicht nur auf das, was als Mangel aufgefallen ist, argumentieren Sie positiv und konstruktiv. Denken Sie an die gemeinsam verabredeten Beobachtungsschwerpunkte und konzentrieren Sie sich darauf.
• Reden Sie nach dem Feedback mit dem Kollegen/ der Kollegin über seine/ ihre Eindrücke und entwickeln Sie durch gegenseitige Rückmeldungen gemeinsam eine förderliche Feedbackkultur.

Abschließende Empfehlungen
Für die Mentoren ist die notwendige intensive Betreuung nur zu leisten, wenn sie diese Aufgabe nicht als zusätzliche Last auf sich nehmen müssen, sondern wenn sie ihre Aufgabe als leistbar und produktiv ansehen können. Dazu müssen Belastung und Entlastung in einem akzeptablen Verhältnis stehen. Es empfiehlt sich, einen Teil der Stunden mit Mentor und Seiteneinsteiger/-in doppelt zu besetzen. Die Phase des Hospitierens beim Mentor kann so ohne Planänderung in eine Phase eigenen Unterrichtens übergehen, wobei der Mentor den Unterricht beobachten und
sich dann zu seiner Entlastung zunehmend aus dem Unterricht zurückziehen kann. Ebenso sollte der Mentor die Möglichkeit haben, den eigenständigen Unterricht der neuen Lehrkraft zu besuchen. Regelmäßige Beratungsgespräche sollten aber im Konzept/Arbeitsplan fest verankert
werden.

Weitere Unterstützungsmöglichkeiten
Zur Unterstützung der Mentoren ist es sinnvoll, dass auf schulischer Ebene kooperiert wird. Dazu zählt zunächst der Erfahrungsaustausch, wenn mehrere Mentoren parallel an der Aufgabe mitarbeiten. Hier sollten sich auch Klassenlehrerinnen und Klassenlehrer, in deren Klassen die neuen Lehrkräfte unterrichten, von Zeit zu Zeit einbringen. Darüber hinaus sind hier auch die Mitglieder der Fachkonferenzen gefordert, wenn es z. B. um Arbeitsmaterialien, Medien, Sammlungen, Richtlinien und Arbeitspläne, Konferenzbeschlüsse und Fach-Absprachen geht. Das Kollegium insgesamt kann die Integration unterstützen, indem es auf die neuen Lehrkräfte zugeht und die Identifikation mit der neuen Rolle fördert. Reserviertheit gegenüber Kolleginnen und Kollegen mit einem anderen Ausbildungsstatus mag verständlich sein, sollte aber auf keinen Fall die neue Situation prägen.

Literatur
Kirschbaum, Cornelia: Die Einarbeitung neuer Lehrkräfte, Raabe 1994, Jochem Kießling-Sonntag: Handbuch Mitarbeitergespräche, Cornelsen Verlag 2000, Schule und Co: Leitfaden zur Kollegialen Unterrichtshospitation, Fassung 2000

- Skara

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