Abbruch im 1. Ausbildungsabschnitt

chicelita
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Abbruch im 1. Ausbildungsabschnitt

Beitrag von chicelita »

Guten Abend,
Vielleicht könnt ihr mir weiterhelfen und ein paar Anstöße geben. Kurz zu meiner Situation: ich habe Deutsch/Latein auf Gymnasium studiert, ein recht gutes 1. Examen geschrieben und bin nun seit September im Referendariat (Bayern).
Nun, da ich tatsächlich jeden Tag vor der Klasse stehe, ist das eingetreten, wovor ich mich schon immer gefürchtet habe. Ich habe schlicht keine Freude daran. Nachhilfe hab ich immer gerne gegeben, aber da vor der Klasse da fühl ich mich nicht wohl.
Auch die Unterrichtsvorbereitung finde ich schrecklich. Ich hab überhaupt keine Ideen und auch keine Freude daran.
Die meisten, von denen man liest, dass sie das Ref abbrechen wollen, machen es bekanntlich ja wegen Schikanen und Stress im Referendariat.
Das empfinde ich bis jetzt noch nicht. Ich habe sehr nette Seminarlehrer und auch meine Klassen sind in Ordnung - ich bekomme auch passables Feedback von meinen Betreuern, stelle mich also anscheinend nicht ganz blöd an.
Aber wie gesagt - ich merke einfach, dass ich das nicht tun will!

Habe jetzt schon einen Termin bei der Arbeitsagentur ausgemacht und an der Beratungsstelle meiner ehemaligen Hochschule.
Hat jemand Erfahrungen mit Bewerbung mit 1. Stex ohne Berufserfahrung? Gerade mit Germanistik muss sich doch irgendetwas machen lassen !
Oder ich fange jetzt mit 28 eine ganz andere Ausbildung an ... finanziell sieht es nämlich sonst etwas eng aus :-(

Wie soll ich weiter vorgehen? Erstmal weiter in die Schule, während ich nach Alternativen suche? Oder gleich das Gespräch mit der Schule suchen, dass ich nicht mehr weiter machen möchte.
Es sind jetzt noch 5 Wochen bis zu den weihnachtsferien. Das ist aber das Maximum an Zeit, das ich noch in eine Arbeit investieren will, die einfach nichts für mich ist.

Über Meinungen und Vorschläge wäre ich euch sehr dankbar

kecks
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Re: Abbruch im 1. Ausbildungsabschnitt

Beitrag von kecks »

a) weiter durchziehen. mit dem einsatz wird alles besser und du kannst ansatzweise erleben, wie sich lehrersein wirklich anfühlt.

b) abbruch ist sinnvoll, wenn du wirklich keine freude am unterrichten hast. das ist aber schwer zu sagen, während du noch basics lernst. ich vergleiche das unterrichten lernen gern mit autofahren lernen - die ersten fahrstunden können sehr, sehr stressig sein, aber später macht es vielen enorm viel freude. insofern würde ich versuchen, noch ein weilchen dranzubleiben.

c) mit germanistik kann man, wie mit allen anderen geisteswissenschaften auch, eine menge machen, *wenn* man sich entsprechend breit aufstellt (standbein a, standbein b) und von anfang an entsprechend nach passenden praktika, werkstudentenjobs usw. sucht. viele lehramtsstudierende tun das leider nicht, obwohl die aktuell schwierige stellensituation mittlerweile für alle in bayern verbleibende an gym, rs und fos hinreichend bekannt ist.
die möglichkeiten sind z.b. mit germanistik ziemlich endlos. das ist einerseits toll, andererseits ziemlich übel, wenn man ein eher ausbildungs-, weniger bildungsorientierter typ ist. ein paar schlagworte: verlag (die ganze bandbreite, da gibt es soooo vieles, was dort zu tun ist), journalismus, pr und marketing, theater, museum, film, rundfunk und fernsehen, personalwesen, alles mit community-management und content im it-bereich, werbung (textertest!), kinder- und jugendarbeit, assistenz, sozialarbeit, selbstständigkeit, uni, erwachsenenbildung, nachhilfe... manches davon erfordert ein volo, manche hospitanz, manche neues studium/aufbaustudium/journalistenschule, manche nur mut und können. das wird schon, aber den eigenen weg muss man selbst finden.

dreistein
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Re: Abbruch im 1. Ausbildungsabschnitt

Beitrag von dreistein »

chicelita hat geschrieben:Es sind jetzt noch 5 Wochen bis zu den weihnachtsferien. Das ist aber das Maximum an Zeit, das ich noch in eine Arbeit investieren will, die einfach nichts für mich ist.
Zuerst mal Gratulation zu deiner Ehrlichkeit gegenüber dir selbst. Ich glaube, dass ich einige Lehrer kenne, die kurz nach dem Studium ebenfalls gemerkt haben, dass der Beruf "nichts für sie ist", aber dann nicht die logische und für alle Beteiligten bessere Konsequenz gezogen haben, sondern seit Jahren verdrießlich und miserabel ihren Job machen.

Andererseits finde ich die obige Aussage ganz schön hochnäsig: Es gibt genügend Leute, die z. T. ihr ganzes Leben lang einer Tätigkeit nachgehen, die sie nicht erfüllt, interessiert oder ihnen Spaß macht, einfach deshalb, weil sie auf das Gehalt angewiesen sind. Putzfrau ist z. B. ein Beruf, bei dem ich mich frage, welcher Anteil der Beschäftigten das gerne macht – ein Knochenjob, monoton, keine Aufstiegsmöglichkeiten, schlechte Bezahlung.

Du hast immerhin bis zum Alter von 28 (zehn Jahre lang?) gemütlich vor dich hin studiert und denkst jetzt daran, dich beruflich anders zu orientieren. Das ist in Ordnung, aber vergiss nicht, dass du ohnehin bereits privilegiert bist.
chicelita hat geschrieben:Gerade mit Germanistik muss sich doch irgendetwas machen lassen !
Ja, da gibt es viele Möglichkeiten, aber nur wenige sind so gut bezahlt wie der Beruf des Gymnasiallehrers, das musst du dir klarmachen.

Nedyar
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Re: Abbruch im 1. Ausbildungsabschnitt

Beitrag von Nedyar »

Ich habe auch aus den von dir genannten Gründen hingeworfen. Vorbereitung hat mir keine Freude bereitet und vor der Klasse hat es sich auch nicht richtig angefühlt. Und auch ich hatte keinen Ärger/Stress und das Feedback war in Ordnung. Habe es trotzdem abgebrochen. Ob das richtig war? Keine Ahnung.

Bin ein Jahr nach dem Abbruch beim Jugendamt gelandet und da sehr glücklich. Man muss aber eben auch wissen, in welche Richtung man seine Alternative sucht.

chicelita
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Re: Abbruch im 1. Ausbildungsabschnitt

Beitrag von chicelita »

Danke für eure Antworten.
Dass ich nur eine begrrenzte Zeit in eine Arbeit investieren will, die ich nicht ausüben will, sollte nicht hochnäsig klingen. Ich meine nur, wenn ich mir sicher bin, dass ich DAS nicht tun will, möchte ich mich auch möglichst schnell in eine andere Richtung entwickeln.
Dass es viele Menschen gibt, die einem ungeliebten Job nachgehen, um sich das Leben zu finanzieren ist mir klar.
Ich habe 8 Jahre studiert, weil ich nach der Hälfte einen fachwechsel gemacht habe und dann für Latein das graecum nachmachen musste. Das dauert eben... dafür möchte ich mich auch nicht rechtfertigen. Ich habe sehr gerne studiert - nur hatte mein Studium nichts mit dem lehrberuf zu tun....
Bis Weihnachten bleibe ich auf jedenfall in der Schule, schreibe aber parallel schon Bewerbungen für Praktika und voluntariate. Sicher verdiene ich da nicht so gut zu Beginn, wie mit einer Planstelle nach dem Ref - aber wenn ich dafür einen Job ausübe, hinter dem ich wirklich stehe, ist mir es das allemal wert.
Eine mögliche Übergangszeit, bis ich etwas gefunden habe, würde ich mit Nachhilfe überbrücken...

dreistein
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Re: Abbruch im 1. Ausbildungsabschnitt

Beitrag von dreistein »

chicelita hat geschrieben:Sicher verdiene ich da nicht so gut zu Beginn, wie mit einer Planstelle nach dem Ref
Einer McKinsey-Studie von 2007 zufolge lag das mittlere Bruttogehalt für Berufseinsteiger mit Uni-Abschluss in Germanistik bei 1598 Euro. Das ist weniger als die Hälfte der Netto(!)-Bezüge eines Studienrats im ersten Jahr. Damit ist natürlich nicht ausgeschlossen, dass man nach einigen Berufsjahren deutlich mehr verdient als ein Lehrer, dessen Bezüge nicht wesentlich steigen. Andererseits sind solche "Spitzenpositionen" rar gesät.

chicelita
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Re: Abbruch im 1. Ausbildungsabschnitt

Beitrag von chicelita »

Das mag schon sein. Aber was bringt mir all das Geld, wenn ich unglücklich bin und morgens kaum mehr aufstehen mag?

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