Hallo Wolfgang1!wolfgang1 hat geschrieben:@cancre
Einfach aus dem Kompetenzmodell zu zitieren, ist nun wirklich keine fundierte Argumentation für das Kompetenzmodell. Das Kompetenzmodell kann ja viel behaupten (aussen Demokratie, innen Diktatur). Entscheidend ist, was wirklich dahinter steckt und wie es sich dann auf das Bildungssystem und letztlich auf die Gesellschaft auswirkt. Dazu haben sich Prof. Dr. Jochen Krautz in http://www.erich-fromm.de/%20biophil/%2 ... J_2009.pdf und eben blizz80 in diesem Thread sehr fundiert und für mich auch aufgrund meiner Erfahrungen und Beobachtungen schlüssig geäußert.Ich weiß nicht, von welchem Kompetenzmodell Du redest, aber das Modell, das ich kenne (das hessische) zielt ganz genau auf selbstständiges Denken und soziales Engagement in einer auf Menschenrechten und demokratischen Prinzipien aufgebauten Gesellschaft ab.
Es ist m.E. völlig absurd, diesem Modell vorzuwerfen, es sei von vornherein darauf ausgelegt, eigenständiges Denken und einen Beitrag zur Vorbeugung totalitärer Strukturen zu verhindern.
Ich zitiere aus dem neuen Kerncurriculum für Hessen:...
Es ist offensichtlich, dass hier eine Industrialisierung der Bildung angestrebt wird (Gründe hierfür werden bei Krautz und hier im Thread genannt). Nun gibt es aber Bereiche, die dürfen nicht industrialisiert werden. Dazu gehören z.B. Bildung oder das Gesundheitswesen.
Um beim Beispiel Gesundheitswesen zu bleiben...
Die Industrialisierung des Gesundheitswesen in Deutschland ist in vollem Gange und wir können die schrecklichen Auswirkungen sehen: Tausende unnötige OPs, der Patient als Kostenfaktor, OP-Säle müssen ausgelastet werden, Kliniken müssen Profit abwerfen, Krankheiten werden erfunden etc. Weiteres Infos z.B, hier:
http://www.swr.de/odysso/-/id=1046894/n ... index.html
http://www.swr.de/odysso/-/id=1046894/n ... index.html
http://www.vorsicht-operation.de/
Schreckliche Auswirkungen wird man auch sehen, wenn die Industrialisierung der Bildung erst so richtig in die Gänge gekommen ist. Aber dann ist es zu spät.
Natürlich ist es nicht das Kompetenzmodell alleine, dass den Boden für totalitäre Strukturen bereitet. Es ist ein Teil des Ganzen. Um das ganze Thema vollständig zu behandeln / zu begreifen, müsste man das ganze Bildungssystem, Medien etc. betrachten. Das würde aber diesen Thread dann sprengen
Du scheinst also das Kompetenzmodell für einen Teilaspekt totalitärer Bestrebungen in unserer Gesellschaft zu halten, obwohl das Modell explizit andere Zielsetzungen formuliert. Gut, nicht alle Menschen/Interessengruppen machen ihre wahren Ziele transparent, möglich wäre es also.
Ich denke aber trotzdem nicht, dass hier Totalitaristen im Hintergrund am Werk sind. Beweisen kann ich es natürlich nicht, aber das liegt einfach daran, dass sich die Nicht-Existenz von etwas nicht beweisen lässt. Umgekehrt müsstet Ihr eigentlich zeigen, dass es einen tatsächlichen Zusammenhang zwischen "Kapitalismus" oder wahlweise "Totalitarismus" und dem Kompetenzmodell gibt. Krautz - soweit mir bekannt - zeigt offensichtliche Parallelen zwischen Methoden in der Unternehmensführung und Unterrichtsmethoden. Aber der kausale Zusammenhang zwischen beiden ist meines Erachtens nicht verifiziert und somit in meinen Augen ein Konstrukt.
Krautzs oder auch Ladethins Verdienst besteht meiner Meinung nach allesdings darin, vor einer möglichen (!) Übernahme des staatlichen Bildungswesen durch wen auch immer zu warnen, zu kritischem Umgang mit Reformbestrebungen zu mahnen und die ethischen Grundsätze des demokratischen Erziehungssystems nicht zu verletzen.
Alles, was darüber hinaus geht, ist mir aber zu viel und riecht mir persönlich zu sehr nach Verschwörungstheorie. Gerade auch Deine letzen Sätze, die versuchen, den 'ganz großen Bogen' zu spannen.
Zudem sehe ich in meiner nun doch schon längeren Erfahrung als Lehrer/Beamter, wie träge und unempfindlich die erzieherische Praxis gegenüber allen Reformbestrebungen ist. Ich würde mich fast zu der These versteigen, dass alle Änderungen wirkungslos abprallen. Der normale, humanistisch geprägte Lehrer weiß, dass hier einmal wieder alter Wein in neuen Schläuchen verkauft wird und nimmt die ärgerlichen Bürokratismen, die der Reformwahn mit sich bringt, stoisch zur Kenntnis. Ansonsten ändert sich an der Praxis insgesamt erstaunlich wenig. Ja, auch mit neuem Kompetenzmodell "im Nacken" lässt sich die notwendige Freiheit erkämpfen, natürlich leise und unauffällig.
Was mich noch interessieren würde, nachdem Ihr Euch sehr, sehr kritisch zum Kompetenzmodell geäußert habt: Was ist denn Eure Alternative? Vielleicht könntet Ihr dies einmal an einer konkreten Lehrplanpassage oder Unterrichtsmethode oder einem Unterrichtssthema erläutern. Was läuft konkret falsch? Wie müsste es Eurer Meinung nach laufen?
Ach so, zum Thema "Verzweiflungsschuss": Nein, ich bin nicht verzweifelt, dazu ist mir der Thread einfach zu unwichtig, er ist für mich eher eine erheiternde (pseudo-)intellektuelle Akrobatikübung. Ich hoffe, Ihr fühltet Euch durch meine Vermutung nicht persönlich angegriffen. Ich spiele also im Sinne der zuletzt von mir gestellten Fragen den Ball zu EUch zurück.
Gruß
cancre