Gutmütig, inkonsequent, ungeeignet?

Wer sich seine Sorgen und Nöte mit dem Referendariat von der Seele reden will, ist hier richtig. Vielleicht gibt es ja jemanden, der einen guten Rat hat.
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McDuff
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Registriert: 18.12.2012, 17:27:56

Gutmütig, inkonsequent, ungeeignet?

Beitrag von McDuff »

Hallöchen,

nach langer Zeit des stillen Mitlesens bin ich nun ebenfalls auf der Suche nach Rat. Mein Referendariat in NRW (Gym) neigt sich langsam dem Ende entgegen. Prinzipiell verläuft alles mit einigen Schwächen ganz zufriedenstellend.
Nur leider zeigt sich bei mir immer wieder dasselbe Problem. Ich bin zu gutmütig, zu nett, zu inkonsequent, lasse viel zu viele Freiräume und bestrafe unangebrachtes Verhalten (vergessene Hausaufgaben, Störungen usw.) kaum bis eigentlich nie. Das sich die Schüler teilweise dementsprechend in meinem Unterricht verhalten ist mir daher auch nicht unverständlich. Das Problem existiert auch schließlich nicht erst seit gestern. Ich habe in den letzten Monaten schon einiges an meinem eigenen Lehrerverhalten geändert und würde behaupten, dass ich auf dem Weg der Besserung bin. In den meisten meiner Klassen läuft es daher auch ganz gut. Dazu muss ich aber sagen, dass ich an einem eher ländlich gelegenen Gymnasium mit recht angenehmen Schülern bin.
Konsequent aufzutreten gelingt mir mittlerweile etwas besser und ich kann die Schüler ebenfalls besser zur Ruhe bringen. Jedoch alles nur 'besser als vorher', die Schwachstellen sind immer noch offensichtlich da und nerven mich nur noch.

Dabei ist es nicht so, dass ich mir nicht bewusst darüber wäre, dass ich in bestimmten Situationen anders reagieren müsste, ich weiß es sogar in der Situation selbst. Das paradoxe ist aber, dass ich dennoch in meinen alten Mustern hängen bleibe. Vielleicht weil sie bequem sind? Weil ich die offene Konfrontation scheue? Angst davor habe, nicht ernst genommen zu werden?

In meiner neunten Klasse ist es dabei am schlimmsten. Von 32 Jungen und Mädchen reden 24 um die Wette. Ermahnen kann ich so oft ich möchte, ob Einzelermahnungen oder Klasssenansprachen macht keinen Unterschied. Nach einer ganz kurzen Ruhephase geht es wieder los. Auf der Metaebene habe ich schon mit ihnen gesprochen, da sehen sie alles ein und geloben Besserung, welche genau eine Stunde anhält. Ich hab verschiedene Dinge ausprobiert (Striche an der Tafel, Sitzordnung...) aber diese nicht konsequent zu Ende geführt. Klar, dass es dann seinen Effekt verliert.

Meine Frage wäre nun, wie kann ich diesen Kreislauf durchbrechen? Wie kann ich mir angewöhnen, konsequent durchzugreifen, Respekt aufzubauen, eine entsprechende Lehrerpersönlichkeit zu zeigen? Oder bin ich schlichtweg in der Hinsicht ungeeignet?
Gibt es andere Strategien als: Sei einfach konsequent in deinem Verhalten! - Aber wie?

Danke und Grüße,
McDuff

Bluebell
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Registriert: 13.02.2008, 14:21:11

Re: Gutmütig, inkonsequent, ungeeignet?

Beitrag von Bluebell »

In Bezug auf classroom management habe ich mehrfach den Rat gehört, dass man nur eine überschaubare Anzahl an Regeln haben soll. Aber die dann konsequent durchsetzen.
Vielleicht muss man das auch für sich selbst exerzieren. Ergo: Du überlegst für Dich, was die schlimmsten - und eigentlich kontrollierbaren - Disziplinprobleme sind. Dann überlegst Du Dir genau, welche Konsequenzen Du durchführen solltest, willst und kannst.

Und dann musst Du Dich eben auch selbst dazu zwingen, dies zu tun.

Mein Hauptproblem besteht oft darin, dass viele Dinge wie schwatzen ja erst mal klein anfangen (Schüler fragt offensichtlich Nachbarn nur nach Stift oder ähnlichem) und sich dann auswachsen. Wann ist die Grenze erreicht, an der man durchgreifen muss?
Hier hilft es vielleicht, sich auch Regeln für verschiedene Unterrichsphasen zu überlegen. Bei Partnerarbeit u.ä. bin ich ziemlich tolerant, solange sie noch am arbeiten sind. Ich werde aber immer strenger, was das Verhalten in Plenums-Phasen angeht. Hier kann man ganz gut üben: wenigstens beim Übergang von der Arbeits- in die Plenumsphase auf absoluter Ruhe bestehen. Und diesen Zustand dann mindestens so lange beibehalten, bis die Ergebnisse verglichen sind, die neue Arbeitsanweisung klar ist etc.

Um die verschiedenen Phasen auch für die Schüler transparent zu machen, habe ich eine Weile so einen kleinen Foliensatz für den OHP dabeigehabt (Partnerarbeit - Stillarbeit - Plenum). Und ihnen dann klipp und klar gesagt, dass es strenge Konsequenzen gibt, wenn sie in der Plenumsphase nicht die Klappe halten. War erstaunlich erfolgreich. Im Moment geht´s auch so.

Ein Stückchen mehr oder weniger aufmunternde Erfahrung: die eigene Konsequenz und Durchsetzungsfähigkeit kann einen erstaunlichen Wachstumsschub erfahren, wenn man mal eine Klasse bekommt, die einen ernsthaft nervt. Wenn dann der Leidensdruck groß genug wird, dann wird man auch konsequenter.
BaWü, E / GGk an Beruflicher Schule, 2. Jahr

CambriaE
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Re: Gutmütig, inkonsequent, ungeeignet?

Beitrag von CambriaE »

Der wichtigste Schritt zur Besserung, ist sein eigenes Verhalten zu reflektieren und etwas ändern zu wollen. Das ist demnach schon geschafft!

Im Laufe weniger Jahre kannst du deinen eigenen Unterrichtsstil finden und immer souveräner mit Störungen umgehen. Es wird klar wo deine Grenzen liegen, welche Konsequenz angebracht ist und wie man das effektiv rüberbringt. Gib also nicht auf und bleib auf deinem Kurs der Besserung. Das Ziel hast du schon vor Augen.
McDuff hat geschrieben: Ich hab verschiedene Dinge ausprobiert (Striche an der Tafel, Sitzordnung...)
Such dir ein Mittel aus, was dir am besten liegen könnte. Beispiele:
-Ampelsystem
-Striche an der Tafel, im Notizbuch
-gelbe, rote Karte
-Smiliesystem etc.

Eine vom Lehrer pädagogisch gestaltete Sitzordnung ist a.m.S. absolute Voraussetzung für einen funktionierenden Unterricht.

Überlege dir die Konsequenzen ganz genau. Welche Regeln gibt es (weniger ist mehr), wann bekommen die Schüler eine gelbe / rote Karte, was passiert, wenn sie eine gelbe / rote Karte haben, können sie die Karten im Laufe einer Stunde wieder wegbekommen, ...

Besprich die Regeln und mach die Konsequenz transparent. Überleg dir etwas, was du auch auf jeden Fall einhalten kannst (z.B. ist Nachsitzen zwar wirksam, du musst jedoch diese Stunde dranhängen. Kannst du das überhaupt einrichten / schaffen?)

Und noch eine wichtige Frage: Überlege was dich daran erinnert, konsequent genug zu sein. Vielleicht einfach ein Foto auf dem Pult oder ein Knautschball oder ein trauriger Smilie an der Wand.

Zum Schluss noch ein paar Denkanregungen:
McDuff hat geschrieben:Angst davor habe, nicht ernst genommen zu werden?
Fühlst du dich denn in der jetzigen Situation ernst genommen?
McDuff hat geschrieben:Weil ich die offene Konfrontation scheue?
Was sollte dir denn passieren, außer dass deine Schüler sich über deine bisher nicht gezeigte Konsequenz wundern könnten?
McDuff hat geschrieben:Vielleicht weil sie bequem sind?
Können deine Schüler in der jetzigen Situation gut lernen und ist das nicht deine Aufgabe als Lehrer(in)? Ist es bequem, sich jeden Tag über das eigene unkonsequente Verhalten zu ärgern?

McDuff
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Re: Gutmütig, inkonsequent, ungeeignet?

Beitrag von McDuff »

Danke für die Antworten. Die Idee mit den Folienschnipseln für die verschiedenen Phasen gefällt mir ganz gut. Es spielt wohl auch generell das zu späte Eingreifen eine Rolle. Das muss hier einfach eher geschehen. Auch der Tipp mit dem Erinnerungsstück ist eine feine Sache. Das könnte tatsächlich den entsprechenden *****tritt jede Stunde geben, wenn man es dann vor sich sieht und evtl. wieder mal denkt, dass man diese eine Sache ja noch einmal durchgehen lassen könnte...
Fühlst du dich denn in der jetzigen Situation ernst genommen?
Mmh, wohl eher ein nein.
Was sollte dir denn passieren, außer dass deine Schüler sich über deine bisher nicht gezeigte Konsequenz wundern könnten?
Wie wahrscheinlich viele Referendare wünschte ich mir am anfang ein super funktionierendes, freundschaftliches Verhältnis zu den Schülern. Aber wenn ich mittlerweile eines gelernt habe, dann ist es, dass ich dieses nicht ablehne, aber auf keinen Fall mehr aktiv versuche anzustreben.
Können deine Schüler in der jetzigen Situation gut lernen und ist das nicht deine Aufgabe als Lehrer(in)? Ist es bequem, sich jeden Tag über das eigene unkonsequente Verhalten zu ärgern?
Auch hier hast du absolut recht. Vielleicht hatte ich mich bisher durch meine ja doch eher wenigen Stunden im Ref noch nicht genug geärgert.

Hat denn jemand ähnliche Situationen erlebt und sich erfolgreich herausmanövriert? Durch gezielte Aktionen oder zusätzliche Erfahrung (oder beides :) )?

CambriaE
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Re: Gutmütig, inkonsequent, ungeeignet?

Beitrag von CambriaE »

Ich glaube gerade zu Beginn ergeht es vielen angehenden Lehrern so wie dir. Mir übrigens auch. Wie Bluebell schon erwähnte, spielt der Leidensdruck eine maßgebliche Rolle. Wenn man irgendwann denkt: so geht's gar nicht! Und nur noch sauer und frustriert ist. Außerdem macht's nachher die Übung. Dann sieht man einfach schneller, wenn jemand abgelenkt ist. Die Möglichkeiten zu intervenieren werden größer. Wenn du die Schüler gut kennst, weißt du welche Maßnahme bei wem richtig ist.

Ein gutes Verhältnis zu deinen Schülern erreichst du dann automatisch. Schüler mögen im allgemeinen weder den hysterisch schreienden Drill-Instructor, noch den unsicheren sich anbiedernden Kumpeltyp.

Wichtig ist dein Wille wirklich etwas ändern zu wollen, kleine Fortschritte zu sehen und sich nicht entmutigen zu lassen.
Viel Glück!

krabappel
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Registriert: 21.08.2011, 20:08:49

Re: Gutmütig, inkonsequent, ungeeignet?

Beitrag von krabappel »

Du klingst für mich weniger wütend, als- ich sag mal- frustriert und k.o.? Aus kontrolliertem Ärger kann man zu einem günstigen Zeitpunkt Energie schöpfen. Bei Erschöpfung siehts schon schwieriger aus...

1. Ist es möglich, dass du über den Unterrichtsablauf mehr Ruhe reinbekommen könntest?
Wie straff sind deine Stunden geplant? haben die Jungs und Mädels genug zu tun? Sagst du ihnen, was du in der Stunde vorhast- oder besser, was du von ihnen erwartest?
Ohne es zu wissen, denn du hast zum Unterricht garnichts geschrieben, aber evtl. könnte weniger (zähes) Unterrichtsgespräch und mehr Handlung helfen (Abschreiben lassen, Aufgaben selbständig schriftlich lösen lassen, Zeiten dabei immer begrenzen, regelmäßig Einzelne (kurz) abfragen, Test für morgen ankündigen, sofort nächste Aufgabe "...und dabei erwarte ich absolute Ruhe!"

Sei doch mal der Arsch, der verdammt nochmal keinen Bock mehr auf das Geschwafel hat und begrabe wirklich den Wunsch nach "Freundschaftlichkeit". Wenn Ruhe einkehrt, kannst du wieder du sein und einen Witz machen und den Schülern freundlich begegnen, die freundlich zu dir sind (dazu gehört still sein und mitmachen).

2. Das Gefühl, klar aufzutreten bekommt man mit der Zeit/ jede Störung sehen und sanktionieren kann man erst, wenn man Erfahrung hat. Am Anfang ist man noch viel zu sehr mit dem Unterrichtsablauf beschäftigt. Insofern: bei der nächsten neuen Klasse wirds besser :)

3. Was ich sehr hilfreich fand (ist aber etwas aufwändiger): Sich selbst im Unterricht filmen.

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